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Dem Luzerner Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker geht der neue Ordnungsbussen-Katalog des Bundes zu wenig weit: Er schlägt höhere und zusätzliche Bussen vor. Damit zieht der SVP-Regierungsrat den Unmut der Automobilverbände auf sich.
Lukas Nussbaumer
lukas.nussbaumer@luzernerzeitung.ch
16 Stellungnahmen zu Bundesgeschäften hat Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker in diesem Jahr schon verschickt. Auf diese hohe Zahl kommt keiner seiner Kollegen. Und es findet sich unter den 49 heuer in einer Luzerner Amtsstube verfassten Schreiben nach Bundesbern auch keines, das es punkto Schärfe mit jenem aufnehmen kann, das der SVP-Regierungsrat kürzlich verschickte. Die Rede ist von seiner Stellungnahme zur «Ordnungsbussenverordnung mit Bussenliste» des Bundes.
Winiker zerpflückt den Entwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements regelrecht und schlägt Dutzende von Änderungen vor. Die erste betrifft das Inkrafttreten auf 2018. Das sei «völlig unrealistisch», unter anderem deshalb, weil die Polizisten erst noch ausgebildet werden müssten. Winiker schlägt gar eine neue Vernehmlassung vor – weil er «zahlreiche formale und inhaltliche Änderungen» anrege.
Die meisten Vorschläge für neue Bussenkategorien und höhere Strafen betreffen mögliches Fehlverhalten auf Seen. Doch Winiker will auch im Strassenverkehr schärfere Bestimmungen. Zum Beispiel diese zwei:
Im Bereich der Schifffahrt ist Winikers Liste ungleich länger – nachfolgend ein kleiner Auszug:
Bei den Präsidenten der Automobilverbände TCS und ACS kommt der Verdacht auf, es gehe Winiker um Mehreinnahmen. Die Absicht, die Bussen zu erhöhen, zeige auf, dass die Autofahrer «immer stärker zur Milchkuh verkommen würden», sagt Peter Schilliger, Präsident der Sektion Waldstätte des Touring-Clubs der Schweiz (TCS) mit den Kantonen Luzern, Ob- und Nidwalden. Für FDP-Nationalrat Schilliger ist denn auch klar: «Die Sanktionen punktuell weiter zu verschärfen, hat unweigerlich zur Folge, dass der gesamte Bussenkatalog nach oben angepasst wird.» Der TCS und auch er selber würden dies «ganz klar» ablehnen.
Marcel Omlin, Präsident der Sektion Luzern, Ob- und Nidwalden des Automobil Clubs der Schweiz (ACS), befürwortet eine höhere Busse für Autofahrer, die ohne Freisprechanlage mit dem Handy telefonieren. Mit dem generellen Ausbau des Bussenkatalogs ist er jedoch nur teilweise einverstanden. «Wer sich falsch verhält, soll dafür geradestehen», sagt der Rothenburger SVP-Kantonsrat – und fügt an: «Leider werden die Automobilisten laufend gemolken, und das auf allen Stufen.» Omlin nennt die steigenden Motorfahrzeug- und Benzinsteuern sowie höhere Parkgebühren. Und er fordert eine höhere Toleranz auf Autobahnen. Wer in der Nacht allein auf der Autobahn unterwegs sei und es die Wetterbedingungen zuliessen, müsse 140 oder 150 Stundenkilometer fahren dürfen, ohne dafür bestraft zu werden. Bei Schulhäusern, in Dorfzentren und in der Nähe von Spielplätzen sei dagegen Nulltoleranz angezeigt, so der ACS-Präsident.
Unzufrieden mit den Anträgen Winikers ist auch Bernhard Jurt, Präsident des Yacht-Clubs Luzern. «Bussen sind ein Strafmittel und keine Finanzierungsquelle für Polizeiorgane», sagt der frühere FDP-Kantonsrat. Vieles in der Stellungnahme Winikers sei «unpräzise und verlange nach Erklärungen». Jurt ist ausserdem der Meinung, dass in sämtlichen Kantonen, die an den Vierwaldstättersee grenzen, das gleiche Ordnungsbussenverfahren angewendet werden sollte. Bernhard Jurts Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen: Es gab kein koordiniertes Vorgehen mit den anderen Zentralschweizer Kantonen, wie Paul Winiker auf Anfrage sagt. Die Vermutung der Präsidenten von TCS, ACS und des Yacht-Clubs Luzern, es gehe ihm um das Aufbessern der Bussenerträge, weist der SVP-Regierungsrat als «unbegründet» zurück, denn die Anträge seien «sicherheitsrelevant». Er habe denn auch keine Berechnungen oder Schätzungen durchführen lassen, wie hoch die Mehreinnahmen im Strassen- und Schiffsverkehr wären, wenn die Luzerner Anträge beim Bund auf offene Ohren stossen würden, sagt Winiker.
Zur beantragten Erhöhung der Strafe für telefonierende Autofahrer und der vorgeschlagenen Busse beim Überfahren einer Sicherheitslinie sagt Winiker, diese würden der Generalprävention dienen. «Neben Kampagnen zur Verbesserung der Sicherheit haben auch höhere Bussen ihre Wirkung. Sie steigern die Verkehrssicherheit.»
Ist das auch die Meinung der Luzerner Polizei? Ja, wie David Koller, Kommunikationsverantwortlicher beim Justiz- und Sicherheitsdepartement, nach Rücksprache mit der Polizei sagt. Die Anträge auf eine Erhöhung der Ordnungsbussen beträfen «Bereiche, in denen die bisherigen Bussen aufgrund der Erfahrung zu wenig abschreckende Wirkung erzielen».
Gemäss Angaben der Luzerner Polizei kam es im letzten Jahr zu 18 Unfällen, die «ausschliesslich oder unter anderem durch Handygebrauch verursacht wurden». Zur Höhe der Busseneinnahmen in den verschiedenen Kategorien nimmt die Polizei keine statistischen Auswertungen vor. Das Bussenbudget der Polizei beträgt seit 2015 pro Jahr 22,7 Millionen Franken, «Stand heute auch 2018», sagt Winiker. Das letzte Wort habe das Parlament. Gemäss aktuellen Hochrechnungen liege der Kanton bei den Busseneinnahmen für 2017 «derzeit deutlich unter dem Budget».
Hinweis: Die vollständige Stellungsnahme von Paul Winiker »