Ruswil
Die Normalität im Chaos üben: Jugendtheater Ruswil zeigt das Stück «Monster»

Die tragisch-witzige Sozialkomödie ist verzwickt, aber lebensbejahend.

Hannes Bucher
Drucken

Da ist die 15-jährige Duck. Voller grosser Träume, Kopf und Herz voller Fantasien, die ausgelebt werden möchten. Doch da sind äussere Umstände, die enge Grenzen setzen. Scheinbar zumindest. Ihr Vater, ein leidenschaftlicher Biker und von Natur aus ein Chaot, ist an Multipler Sklerose erkrankt, die Mutter bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen.

Eindruck von der Premiere am Samstag.

Eindruck von der Premiere am Samstag.

Bilder: Hannes Bucher (Ruswil, 23. April 2022)

So schlagen sich Duck und ihr Dad mehr schlecht als recht durch den schwierigen Alltag. Duck flüchtet sich in ihre Schreibleidenschaft, sie verfasst einen Roman – «ein bisschen wie Harry Potter und irgendwie auch autobiografisch», wie sie erklärt. Der Vater triftet zunehmend in eine virtuelle Computerwelt ab. Der Alltag ist eine Gratwanderung zwischen Chipstüten, Pizzakartons, äusserem und auch innerem Chaos. Das Jugendamt wird aktiv, Frau Underhill meldet ihren Besuch an. Alarmzustand für die chaotische Zweiergemeinschaft. Duck möchte unter allen Umständen bei ihrem Vater bleiben. Also gilt es, für den Besuch der Sozialamt-Dame einen «normalen Alltag» zu inszenieren. Was nicht zu einer «Vorzeigefamilie» passt, was nicht sein darf, wird aus den Augen geschafft, in den Wandschrank verbannt. Dorthin, wo bereits eine bunte Menge «Monster» drin steckt.

Düstere Ausgangslage

Weiteres Ungemach ergibt sich, weitere «Monster» (?) tauchen auf: Lawrence, ein Schulfreund Ducks, bittet um eine spezielle sexuelle Dienstleistung. Schliesslich erscheint noch Hughs Internetbekanntschaft. Rein in den Monsterschrank, im falschen Moment wieder raus, «Kochkünste» vorgaukeln, Makkaroni in die Pfanne, verkocht … Chaos pur ist angesagt, als die Frau vom Amt erscheint. Dagegen beinhalten auch ihre «Broschüren» kein Rezept.

«Monster» heisst das Stück von David Greig (Deutsch von Barbara Christ), das am letzten Samstagabend auf der Bühne des Jugendtheaters Ruswil Premiere feierte. Es ist eine zwar chaotische, aber gerade deswegen liebevolle und köstliche Sozialkomödie. Trotz der düsteren Ausgangslage gibt es jede Menge Anlass zu schmunzeln, zu lachen. Dem Wirrwarr ist Lebensbejahung unterlegt. Die fünf jungen Darstellerinnen setzen dies denn auch einnehmend um. Sie wirbeln, tanzen, um dann auch wieder zu sinnieren, zu hinterfragen. Es ist ein Vergnügen, dem farbigen Treiben als Zuschauer beizuwohnen. Die Fünf wechseln sich in den Rollen: Cap auf – zum Dad geworden, Cap ab, blonde Perücke auf – Dame vom Amt, violette Perücke aufgesetzt, Internetbekannte aus Norwegen. Faszinierend, wie die jungen Leute da switchen, alles ist im stetigen Fluss.

«Extreme Präsenz» ist gefordert

Eine ausgedünnte Szenerie und nuanciert stimmige Kostüme, raffiniertes Lichtspiel, die Flut weisser Kugeln, die sich auch mal über die Bühne ergiesst – nichts ist dem Zufall überlassen. Der tolle Schlussapplaus zeigt, mit «Monster» realisiert das Jugendtheater Ruswil wiederum ein «monströses», grossartiges Projekt. Zum dritten Mal arbeitet Matthias Koch mit dem Jugendtheater Ruswil. Er ist überaus zufrieden mit der Premiere. Das Ensemble, das Gemeinsame ist ihm das Hauptanliegen in der Theaterarbeit mit jungen Leuten. «Alle spielen im Stück Hauptfiguren, eine extreme Präsenz wird von ihnen verlangt», sagt der Theaterprofi. «Eine super Energie haben die fünf jungen Frauen auf die Bühne gebracht.»

Und wo genau sind die «Monster»? Auch im Schrank, aber da gebe es noch viele andere «Monster», mentale, psychische, eine Menge versteckte. Zum ersten Mal auf der Bühne steht dieses Jahr die Ruswilerin Annina Erni. Letztes Jahr war ihr Bruder dabei. Da hat sie die Theaterlust gepackt. «Die vielen Leute, die tolle Stimmung – ja, da gab es schon etwas Lampenfieber vor dem ersten Auftritt. Alles ist gut gegangen. Die Premiere war ein grossartiges Erlebnis.»