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Alte Mühle Adligenswil erhält pünktlich zum 300-Jahr-Jubiläum ein neues Rad

Seit 300 Jahren steht die Mühle nahe dem Dorfzentrum. Nun wurde sie renoviert. Der Besitzer hat dafür extra eine berufliche Auszeit genommen.

Hannes Bucher
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Werner Odermatt, Besitzer der Mühle, beim neuen Wasserrad. (Bild: Boris Bürgisser, Adligenswil, 12. Juni 2019)

Werner Odermatt, Besitzer der Mühle, beim neuen Wasserrad. (Bild: Boris Bürgisser, Adligenswil, 12. Juni 2019)

Das alte, ehrwürdige Gebäude steht am Mühlebach. Ihm hat es, respektive seine Vorgängerbauten, wohl auch den Namen gegeben. Von Bäumen und Gebüsch umgeben, kaum ein Steinwurf von Kirche und Schulhaus entfernt, ist die Mühle ein Zeitzeuge vergangener Jahrhunderte. Kein Lärm aus dem nahen Dorfzentrum dringt zu ihr vor, da ist nur das Rauschen des Wassers zu hören. Und seit diesem Jahr neu auch wieder das Klappern des Wasserrades – wenn Besitzer Werner Odermatt will.

Odermatt ist nicht etwa der neue Müller vor Ort. Der 52-jährige Familienvater arbeitet als Primarlehrer, aber es ist trotzdem «seine» Mühle, respektive das Daheim der Familie Odermatt. Sie hat das Haus von Vater Eduard Odermatt übernommen. Dieser wiederum hatte es 1962 käuflich erworben. Vom letzten Bäcker, der hier arbeitete. Ende des 18. Jahrhunderts wurde nämlich eine Backstube an die Mühle angebaut. Diese wurde auch weiterbetrieben, seit das Wasserrad und die Mahlsteine Anfang des 20. Jahrhundert stillstanden. Das Brot wurde direkt bei der Mühle verkauft oder mit dem Pferdefuhrwerk ausgefahren.

Zwei Jahre Arbeit

Nun läuft das Wasserrad wieder – quasi als Geburtstagsgeschenk zum 300-jährigen Bestehen der Mühle. Die Odermatts haben enorm viel Zeit, Energie und auch Geld in Gebäude und Umgebung investiert. Zwei Jahre lang hat Werner Odermatt beruflich eine Auszeit genommen und sich ganz der Renovation der Wohnung und des Mühleraums gewidmet – Eduard Odermatt hatte bereits früher das Dach und die Fassade renovieren lassen. «Diese Zeit hat eine tiefe Verbindung zum Haus gegeben», sagt Werner Odermatt. Das Rad baute er zusammen mit seinen drei Söhnen aus Tannenholz. «Es war toll, wie sich meine Söhne mit jugendlichem Schwung ins Zeug legten.» Gute dreieinhalb Meter im Durchmesser misst das Rad.

Die Denkmalpflege war bei der Renovation involviert, auf finanzielle Unterstützung hat Odermatt aber verzichtet: «Wir wollten frei bleiben in unseren Entscheiden», sagt Werner Odermatt. Die Mühle ist im kantonalen Bauinventar als schützenswert klassiert.

Anfänge gehen ins 14. Jahrhundert zurück

Viel zum heutigen Wissen über die historischen Hintergründe der Mühle hat Eduard Odermatt beigetragen. Er befasste sich akribisch mit der Geschichte der Mühle, mit den ehemaligen und dem zumeist harten Müllerhandwerk im Allgemeinen. «Aus der Geschichte der Grundmühle Adligenswil» sind seine Aufzeichnungen übertitelt. Der Autor zeigt darin auf, wie weit die Anfänge der Mühle zurückreichen. 1368 ist im Hofrecht von Adligenswil erstmals eine Mühle aufgeführt. 1564 wurde ein Nachfolgebau erstellt, der 1693 von einem Unwetter zerstört wurde. 1719 schliesslich wurde das heutige Gebäude fertiggestellt. In diesen Jahren dürfte auch die «Müller-Dynastie»-Sidler, die 150 Jahre lang die Geschichte der Mühle prägte, ein Ende genommen haben.

Im 19. Jahrhundert veränderte sich das Mühlewesen grundsätzlich. Unternehmerische Handelsmühlen lösten die kleineren Lohnmühlen zunehmend ab, anstelle der Wasserräder kamen die Turbinen. Jene in Adligenswil «hatte da keine Chance, zu klein ist der Wasserfluss des Mühlebaches. Den Anschluss ans Stromnetz erhielt Adligenswil erst im Jahre 1915», schreibt Eduard Odermatt. Nicht genau bekannt ist, wann sich das Mühlrad zum letzten Mal drehte. Wohl kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert, vermutet Eduard Odermatt. Und weiter:

«Dem endgültigen Aus wird ein
allmähliches Ausbleiben der Kundschaft –
als Folge der Konkurrenz der Handelsmühlen – vorausgegangen sein.»

Dank besagtem Anbau der Bäckerei blieb dem Müller-Bäcker trotzdem eine Existenz. «Allerdings geringer als früher», resümiert Eduard Odermatt. «Die letzten Bäcker hatten es nicht einfach, das geht aus den Unterlagen hervor», sagt auch Werner Odermatt.

Mühleraum wird für kleine Veranstaltungen genutzt

Die Mühle kann übrigens nicht öffentlich besichtigt werden, die Familie Odermatt will ihre Privatsphäre schützen. Ganz vorenthalten will sie das Bijou der Öffentlichkeit aber keineswegs. Der Mühleraum ist so gestaltet, dass er als «belebter historischer Raum» dienen kann, im Speziellen für Konzerte im kleinen Rahmen, Kunstausstellungen oder Lesungen. Eben im vergangenen Mai hat der Maler und Gestalter Kari Joller vor Ort ausgestellt. Hier ein Blick ins Innere der Mühle:

(Bild: Boris Bürgisser, Adligenswil, 12. Juni 2019)

(Bild: Boris Bürgisser, Adligenswil, 12. Juni 2019)

Der Familie Odermatt wird die Arbeit für ihre Mühle auch weiterhin nicht ausgehen. Pflege und Unterhalt des historischen Daheims verbleiben und da sind auch schon weitere Zukunftspläne: «Möglich, dass auch der alte Backofen wieder einmal betriebstüchtig gemacht wird und irgendwann könnte sich auch das Mühlrad wieder drehen», sagt der Besitzer. Bis dahin dürfte aber noch einiges an Wasser den Mühlebach hinunterfliessen.