Laut der Beratungsgesellschaft EY sind Zentralschweizer Unternehmen momentan vorsichtig im Hinblick auf die nahe Zukunft. Die Region müsse sich als Standort noch besser vermarkten, sagt der EY-Sitzleiter in Luzern.
Die Stimmung bei den Unternehmen in der Schweiz ist momentan gut – so gut wie seit zehn Jahren nicht mehr. Dies zeigt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Diese hat in den letzten Monaten rund 710 in der Schweiz tätige, nicht börsenkotierte Unternehmen verschiedener Grösse – knapp 680 davon auch mit Sitz in der Schweiz – befragt und den alljährlichen «Unternehmensbarometer» erstellt. Für die Schweiz lässt sich die Stimmung wie folgt zusammenfassen: Die Lage wird als positiv bewertet; die Unternehmen geben zuversichtliche Prognosen für die Umsatz- und Geschäftsentwicklung in den nächsten sechs Monaten ab. Während Bau- und Energie- sowie Life-Sciences-Unternehmen positiv gestimmt sind, herrscht bei Handelsfirmen eher Skepsis vor.
Interessant ist die Studie auch, weil die Ergebnisse regionalisiert wurden. Wie schätzen also Zentralschweizer Firmen die aktuelle Situation ein? «Schaut man die Resultate an, so ist zu sagen, dass die Wirtschaftsregion Zentralschweiz nicht mit übermässig Selbstvertrauen auftritt», sagt Rico Fehr, der den EY-Sitz Luzern leitet. So würden Zentralschweizer Unternehmen in der Tendenz ihre Region auch negativer beurteilen, als sie andere Regionen beurteilen, «was interessant ist», so Fehr.
Und auch das eigene Unternehmen werde in unserer Region «etwas demütiger beurteilt, zumindest nach aussen». Fehr: «Wir Zentralschweizer sind hier zurückhaltender als andere Regionen, etwa Zürich, wo man tendenziell selbstbewusster auftritt.» Und dies, obwohl Zentralschweizer Firmen durchaus sehr gut, wenn nicht in vielen Fällen besser aufgestellt seien als in anderen Regionen – «gerade auch, wenn man sich die Investitionen anschaut: Hier wird eher mal das Herz in die Hand genommen und die eine oder andere Million investiert», sagt Sitzleiter Fehr.
Dass Unternehmen mit Sitz in der Zentralschweiz die Wirtschaftslage zurückhaltender beurteilen als etwa Firmen in der Nordwestschweiz oder in Zürich, hänge aber auch mit der Branche zusammen: «Hier gibt es verhältnismässig viele Firmen, die im Handel und im Export tätig sind. Daher schauen diese Unternehmen auch verstärkt über die Grenze, und von dort her rührt wohl auch eine gewisse Verunsicherung. Die ‹Unruheherde› sind ja gemeinhin bekannt: Brexit, Handelsstreit zwischen USA und China, Probleme in einigen EU-Ländern, die Unsicherheit in Bezug auf das Rahmenabkommen.»
Aufschlussreich ist auch, wie viel die Betriebe in der näheren Zukunft bereit sind zu investieren beziehungsweise, ob sie planen ihre Investitionen in den kommenden Monaten zu steigern. In dieser Kategorie fällt die Zentralschweiz ab, sie liegt auf dem zweitletzten Platz, einzig vor Zürich (siehe Grafik). Demnach wollen im nächsten halben Jahr nur 22 Prozent der befragten Firmen ihre Investitionsausgaben steigern, 3 Prozent haben vor, ihre Investitionen zu reduzieren; der ganz grosse Teil plant, sie konstant zu halten. Mehr Geld ausgeben dürften demnach nur lediglich 19 Prozent, also knapp ein Fünftel der Zentralschweizer Firmen.
Dies habe auch mit den Prognosen für das laufende Jahr zu tun, «die schon nicht mehr so gut waren wie für 2018, darum wohl auch der etwas verhaltene Ausblick», erklärt Fehr. «Doch in der Zentralschweiz haben die Unternehmen eben auch gut mitinvestiert, das heisst: Wenn das Geschäft gut lief, wurde zeitgleich auch investiert.» Anders sei das etwa im Tessin, wo man wisse, dass immer mit einer gewissen Verzögerung erst investiert werde. «Interessant ist: Wir haben bei diesem Punkt angeschaut, aus welchen Branchen die befragten Firmen sind und ob es Muster gibt, nach Branche. Doch die gibt es nicht.»
EY hat die Firmen auch gefragt, wie schwer es ihnen derzeit fällt, genügend Fachkräfte zu finden. Die Zentralschweiz steht hier gut da, auch wenn es nach wie vor – vor allem in der Industrie – an Spezialisten mangelt. Laut Fehr dürfte bei dieser Entwicklung der Effekt der Wirtschaftskraft Deutschland spielen, der es gut läuft momentan. «Deshalb dürften einige Fachkräfte aus der Zentralschweiz auch wieder nach Norden in ihre Heimat heimkehren.»
Fehr sieht noch ein anderes Problem: «Die Urkantone – ich nehme Zug bei diesem Punkt aus – werden nicht oder noch zu wenig als Wirtschaftskantone wahrgenommen. Ich habe das erst kürzlich erlebt mit einem Medtech-Unternehmen, welches sich in Zug niederliess. Ich fragte den Chef, ‹warum nicht in Luzern?›» Gerade die Steuern seien ja auch hier äusserst attraktiv. «Er antwortete: ‹Wegen der Talente.› Man sieht also: Dass wir in Luzern eine gute Universität mit einer Wirtschaftsfakultät und eine gute Hochschule haben, dass wir selber Talente ausbilden, das wird noch nicht genug wahrgenommen», resümiert Fehr. Denn wenn, vor allem im Ausland, von Luzern gesprochen werde, würden die Leute vor allem vom Tourismus reden. «Zug hingegen wird international ganz klar als Wirtschaftsstandort wahrgenommen.»