Was, wenn ein chinesischer Investor bei einem Schweizer Unternehmen anklopft? Diese Frage beschäftigte im Fall der Roche die Politik.
Die Zahl der Schweizer Unternehmen, die in den vergangenen Jahren in chinesische Hände fielen, ist nicht klein. Der Agrochemiehersteller Syngenta etwa ging dieses Jahr für rekordhohe 43 Milliarden Franken in chinesische Hände über den Ladentisch. Nicht überall lief die Aktion reibungslos: So wurde die HNA-Gruppe, die bei Gategroup, SR Technics und bei Dufry eingestiegen ist, von der Übernahmekommission wegen Falschinformation gerügt.
In Bundesbern herrscht offiziell das Dogma, dass man nicht in die liberale Marktordnung eingreifen soll, wenn ausländische Eigner zuschlagen. Die Schweiz sei pro Kopf der grösste Investor in der Welt, Schweizer Unternehmer sind also sehr stark im Ausland engagiert. Da solle man nicht gleich aufjaulen, wenn einmal das Gegenteil passiere. Während in der EU nach dem Kauf des deutschen Roboterherstellers Kuka nach Einschränkungen gerufen wird, würden wohl hierzulande nur gerade bei der Swisscom, wo der Bund eine Mehrheit hält, oder bei der Waffenschmiede Ruag, wo die Eidgenossenschaft Eigentümer ist, die Grenzen gezogen.
Doch der Verkauf von Syngenta hat mehr ausgelöst, als bisher zugegeben wurde. Für Unruhe unter der Bundeshauskuppel sorgten in den vergangenen Monaten auch die möglichen Verkaufsabsichten von Novartis an der Roche-Beteiligung. Der Gedanke, dass ein chinesischer Grossaktionär einsteigen könnte, sorgte für heisse Drähte zwischen Bern und Basel. Kommt hinzu, dass man im Fall von Sika sehen kann, welche Folgen ein für Beobachter dilettantisch durchgeführter Verkauf einer Aktienbeteiligung durch die Gründerfamilie haben kann.
Tatsache ist, dass Roche zwei grosse Gruppen von Inhaberaktionären hat. Die Mehrheit halten die Nachkommen der Roche-Gründer, die Familien Hoffmann und Oeri, wovon laut der Roche-Homepage 45,01 Prozent der Aktien in einer Aktionärsgruppe zusammengeschlossen sind und die aus der Gruppe ausgetretene Kunstmäzenin Maja Oeri die restlichen 5,057 Prozent hält.
Aber auch Konkurrent Novartis hält seit 2001 ein grösseres Paket. Der damalige Novartis-Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella kaufte es damals von Investor Martin Ebner ab und baute es später auf 33,3 Prozent aus. Das Paket ist heute rund 13 Milliarden wert. Vasellas Vision war es, die beiden Pharmagiganten zusammenzuführen. Eine Vision, die weder das Roche-Management, noch die Roche-Gründerfamilien teilten. Kein Wunder: Für das Roche-Management schafft die heutige Konstruktion Stabilität. Und den Roche-Erben spülte das Unternehmen Dividenden in Millionenhöhe in die Kasse. Die an der Börse gehandelten Roche-Papiere sind die restlichen Inhaberaktien oder Genusscheine ohne Stimmrecht an der Generalversammlung.
Ende des vergangenen Jahres, während also der Übernahmekampf um Syngenta tobte, soll es laut Beobachtern zu folgenschweren Bewegungen in der «Causa Roche» gekommen sein. Novartis soll signalisiert haben, dass man angesichts des Grossumbaus auch das Roche-Paket zur Disposition stellen will. Gleichzeitig sollen sich die Machtverhältnisse unter den Roche- Eigentümerfamilien verändert haben: André Hoffmann, der auch im Roche-Verwaltungsrat sitzt, soll seinen Einfluss innerhalb der Aktionärsgruppe vergrössert haben. Das, so die Befürchtung, würde es einfacher machen, im Fall der Fälle auch dieses Paket zu verkaufen. Kommt hinzu, dass an der Spitze des Roche-Verwaltungsrats mit Christoph Franz ein Mann sitzt, der einst schon die Swiss an die Lufthansa verkauft hatte. Diese Gerüchte waren auch in Bundesbern zu vernehmen. Man sprach in der Folge offenbar auf höchster Ebene mit beiden Seiten. Man soll sich keine Sorgen machen, soll daraufhin einer der Involvierten signalisiert haben.
Erst diesen Herbst gab Novartis offiziell Entwarnung. Dies in Form eines Interviews von Novartis-Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt mit der «Handelszeitung». Heute gilt die Novartis-Sprachregelung zum Roche-Paket: «Die Roche-Beteiligung ist ein finanzielles Investment mit einer strategischen Komponente.» Bei der Roche hält man auf Nachfrage fest, dass man sich nicht auf hypothetische Überlegungen einlassen wolle. Über die Details des Aktionärsbindungsvertrags gibt man keine Auskunft. Nur so viel will man signalisieren: «Die Nachkommen des Firmengründers halten die Mehrheit der Roche-Aktien und verleihen dem Unternehmen seit über 120 Jahren Stabilität und eine langfristige Perspektive.»
Vorerst scheint der Burgfrieden zu Basel also gewahrt. Ein Hintertürchen für einen Ausstieg lässt sich Novartis bei der Formulierung offen. Angesichts der Bedeutung der Pharmaindustrie für die Schweiz lässt sich jedoch inzwischen festhalten, dass das liberale Credo in Bern nicht mehr überall gilt, dass die Roche jedoch inzwischen zu einer «No-Go-Area» deklariert worden ist. Doch solange die Gewinne und damit die Dividende bei der Roche sprudeln, wird sich Novartis hüten, von sich aus etwas zu ändern.Kommentar: Meinungsseite