Die Debatte über die künftigen Stromkosten durch die Energiewende ist voll entbrannt – sie lässt jedoch einen entscheidenden Aspekt aus.
Wenn am heutigen Montag die Energiekommission des Ständerats zusammenkommt, steht nicht weniger auf dem Spiel als die Zukunft der Energiewende. Die Parlamentarier beginnen mit den Detailberatungen zur Energiestrategie 2050. Die Frage nach den Kosten wird im Zentrum der Beratungen stehen — und mit ihr die Frage, wer bezahlen soll.
Einen Vorgeschmack darüber, wie konträr die Ansichten sind, gab es bereits in der vergangenen Woche. Bei einer Podiumsdiskussion in Zürich kreuzten Jasmin Staiblin, Chefin des Energieriesen Alpiq, und die Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, Sara Stalder, die Klingen. Am Ende stand eine Erkenntnis: Der Konsument bezahlt.
Bei der Frage, wie teuer Strom durch die Energiewende in Zukunft werden soll, liegen Welten zwischen den einzelnen Ansichten. Der Bundesrat spricht von Investitionen in Höhe von rund 200 Milliarden Franken, die zur Umsetzung der Energiewende bis zum Jahr 2050 nötig sind. Die SVP spricht nicht von Investitionen, sondern von Kosten, und der Wirtschaftsverband Economiesuisse von zusätzlichen Belastungen.
Alpiq-Chefin Staiblin gab erstmals ihre Meinung dazu kund und sorgte damit für eine Überraschung: «Die Energiewende kostet uns nicht zusätzliche 200 Milliarden.» Das Energiesystem koste so oder so etwas, lautet ihre Begründung. «Die Kraftwerke sind alt, die Netze sind alt. Hier muss kräftig investiert werden, nicht nur wegen der Energiewende.»
Ganz anders die Rechnung der Konsumentenschützerin Sara Stalder. «Jahr für Jahr geben wir 12 Milliarden Franken für den Import von Energieträgern wie Öl, Gas und Uran aus», sagt sie. Ohne Energiewende summiere sich das bis zum Jahr 2040 auf über 250 Milliarden Franken. Verlässliche Aussagen, wie teuer uns die Energiewende zu stehen kommt, scheinen angesichts der völlig konträren Positionen kaum möglich. Sicher scheint heute nur eines: Die Kosten werden über die Stromrechnung beglichen.
Das ist der fundamentale Unterschied zu den Kosten der heutigen Energiewelt, in der die Atomenergie eine zentrale Rolle spielt. Bei jeder Diskussion über mögliche Kosten der Energiewende muss berücksichtigt werden, dass die riesigen Subventionen, welche die Kernkraft erhält oder erhalten hat, heute nicht auf der Stromrechnung auftauchen.
Wenn also Economiesuisse und andere nach «gleichlangen Spiessen» für alle Energieträger rufen und eine kritische Betrachtung der staatlichen Förderung der Erneuerbaren fordern, muss das genauso für die Atomkraft gelten. Bei genauer Betrachtung sind deren Spiesse heute nämlich wesentlich länger als die der Wasserkraft und der Solar- und Windenergie. Diese einst linke Position ist inzwischen bis ins Bundeshaus durchgedrungen.
Dass Strom aus Atommeilern heute viel zu billig verkauft wird, kritisiert denn auch die Schweizerische Energie-Stiftung (SES). «Die viel zu geringe Versicherungsdeckung und die viel zu tief veranschlagten Kosten für Stilllegung und Entsorgung halten den Preis für Atomstrom künstlich niedrig», sagt SES-Projektleiterin Sabine von Stockar. Vor allem die Versicherungen fallen ins Gewicht: Die Schweizer AKW sind mit einer Deckungssumme von rund 1,3 Milliarden Franken versichert. In der vergangenen Woche hat der Bundesrat die Totalrevision der entsprechenden Verordnung verabschiedet.
Doch der Schaden, der bei einem atomaren Unfall entstehen kann, übersteigt diese Summe um ein Vielfaches. Der Bund geht von möglichen Schäden durch einen Atomunfall von bis zu 8000 Milliarden Franken aus. Zwar haften die Konzerne mit ihrem gesamten Vermögen, doch auch das würde bei einem GAU nur einen Bruchteil der Kosten abdecken. Am Ende bezahlen die Bürger. Das ist nicht nur ein Schreckensszenario, sondern eine immense Subvention für die Atomkonzerne. Müssten sie für eine ausreichende Absicherung ihrer Anlagen sorgen, würden Atomkraftwerke heute schon zu wesentlich höheren Kosten Strom produzieren als zum Beispiel die Schweizer Wasserkraftwerke.
Wie teuer Atomstrom tatsächlich ist, hat die SES berechnet: Je nach zugrunde gelegtem Szenario und inklusive des Zuschlags für eine sichere Endlagerung wären für die Kilowattstunde (kWh) Atomstrom zwischen 16 und 59 Rappen fällig. Das von der Stiftung favorisierte Szenario geht von 36 Rappen pro kWh aus. Verkauft wird die kWh heute für etwa fünf Rappen. Für einen Durchschnittshaushalt – sofern er seinen Strom vollständig aus Kernenergie bezieht – müsste die Stromrechnung also heute schon um weit mehr als 1000 Franken teurer sein.
Transparenz auf der Stromrechnung tut also not. Denn anders als bei der Auswahl des Stromversorgers haben die Schweizerinnen und Schweizer bei der politischen Beurteilung der Energiewende grosses Gewicht. Sollte am Ende der Beratungen zur Energiestrategie eine Volksabstimmung stehen, sollte zumindest klar sein, dass nicht nur der Umbau des Energiesystems die Stromrechnung erhöhen könnte. Ebenso klar sollte sein, dass der heutige Preis für Strom nicht die wahren Kosten widerspiegelt.