Eine Abweichung vom langjährigen Negativzins-Kurs ist auch in den nächsten Jahren nicht in Sicht - es sei denn, die Teuerung hält sich doch nicht an das Drehbuch der Notenbanken.
Die in der jüngeren Zeit in mehreren Ländern beobachtbaren Inflationsschübe sieht die Schweizerische Nationalbank nicht als Bedrohung der Preisstabilität. Die steigenden Preise seien die Folge eines pandemiebedingten Nachholkonsums, einer Normalisierung bestimmter Preise, die in der Zeit des Lockdowns besonders stark gefallen waren sowie von ebenfalls Corona-bedingten Lieferengpässen in einigen Gütern. «In ein paar Quartalen sollten diese Effekte nicht mehr ins Gewicht fallen», sagte Nationalbank-Chef Thomas Jordan anlässlich einer Medienkonferenz in Bern an der das Nationalbank-Direktorium das Ergebnis seiner zweiten ordentlichen geldpolitischen Lagebeurteilung in diesem Jahr kommunizierte.
In der Schweiz ist die Inflation im Mai auf 0,6 Prozent gestiegen. Bis Ende Jahr rechnet die Nationalbank mit weiteren Preissteigerungen, prognostiziert für das Gesamtjahr aber eine durchschnittliche Teuerung von lediglich 0,4 Prozent (2020 -0,7 Prozent). Für die kommenden zwei Jahre lautet die Inflationsprognose der Nationalbank jeweils 0,6 Prozent.
Die Beibehaltung des expansiven geldpolitischen Kurses sei deshalb angebracht, erklärte Jordan, den Entscheid, den Leitzins bei -0,75 Prozent zu belassen und weiterhin Franken gegen ausländische Währungen zu verkaufen, wenn die Nachfrage nach dem «weiterhin hoch bewerteten» Franken solche Interventionen nötig machten. Zwar dürfte die Wirtschaftsleistung der Schweiz zur Mitte des Jahres wieder auf dem Vorkrisenniveau angelangt sein, doch ohne die Pandemie stünde das Bruttoinlandprodukt des Landes jetzt auf einem deutlich höheren Niveau als vor der Krise.
Deshalb spricht Jordan davon, dass die Produktionskapazitäten, zu denen auch die Arbeitskräfte gehören, «noch eine Weile» unterausgelastet bleiben. Bis die Arbeitslosenquote wieder auf Höhe der Trendlinie aus der Vorkrisenzeit aufgeschlossen hat werde es wohl noch etwas ein Jahr dauern, sagte Jordan. Das wäre dann auch der Punkt, an dem die Nationalbank wieder von einer weitgehenden Auslastung der Produktionskapazitäten reden dürfte.
Allerdings ist auch dann noch die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sie an der Zinsschraube zu drehen beginnt. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass sie diesen Schritt relativ zeitnah mit der Europäischen Zentralbank vollziehen wird. Und bei der EZB wie auch beim amerikanischen Federal Reserve geht es erst einmal darum die Anleihenkaufprogramme zu bremsen bis an höhere Zinsen gedacht werden kann. Das könnte noch einige Jahre dauern - vorausgesetzt, die Inflation geht tatsächlich von selbst wieder zurück, wie diese nicht nur die Nationalbank voraussagt.