Viele Erstsemester wählen vorschnell ein falsches Studium – jetzt reagiert die Unileitung und schlägt Assessments in den ersten beiden Semestern vor.
Die Modefächer der Universitäten sind überrannt. Dabei beruht deren Beliebtheit häufig auf einem Irrtum: Viele Erstsemester haben eine völlig falsche Vorstellung von ihrem gewählten Studium. Die Folge: volle Hörsäle, Enttäuschungen, verlorene Semester.
Jetzt nimmt die Uni Zürich seine Fakultäten in die Pflicht. Prorektor Otfried Jarren fordert die Fakultäten derzeit auf, das Leistungsniveau der Studenten früher zu prüfen – und spricht eine dringende Empfehlung für die sogenannten Assessments aus. Professoren und Assistenten sollen schon im ersten Semester den Studierenden klare Rückmeldungen zu ihren Leistungen geben und in Gesprächen deutlich auf Schwächen hinweisen. Nach spätestens zwei Semestern müssen die Studenten dann die Prüfungen im Assessment bestehen und weitere Studienleistungen erbracht haben. Nur wer diese Bedingungen erfüllt, darf weiterstudieren. Die Rechtswissenschaftliche, die Wirtschaftswissenschaftliche und Teile der Philosophischen Fakultät haben bereits Assessments eingeführt.
Allerdings machen es die hochgeschraubten Anforderungen vor allem Studenten mit Nebenjobs schwer. Institute weisen schon heute darauf hin, dass in Fächern mit Assessments ein Teilzeitstudium «schwierig» und «nicht zu empfehlen» ist. Dazu zählen Publizistik oder Psychologie. In der Wirtschaftswissenschaft sei ein Teilzeitstudium gar «riskant», weil die Assessmentstufe spätestens nach zwei Jahren abgeschlossen sein muss – sonst wird man gesperrt. «Das ist natürlich ein Problem», sagt Manuela Hugentobler vom Vorstand des Verbands der Schweizer Studierendenschaften. So werde die Chancengleichheit gefährdet. «Die Universitäten müssen Angebote für Arbeitstätige oder alleinerziehende Eltern anbieten.»
Für Jarren überwiegen aber die Vorteile. «Die Assessments sind hart, helfen aber auf lange Sicht», sagt er. «Sie verhindern, dass Studenten erst viel zu spät erkennen, dass sie für ein Studium nicht geeignet sind.»
Wie eine neue Studie der Universität zeigt, erwarten 9 von 10 potenziellen Psychologiestudenten, dass die Psychoanalyse à la Sigmund Freud eine wichtige Rolle im Studium spielt – das tut sie nicht. Wenn überhaupt, ist es nur ein Randaspekt. «Nach den ersten Vorlesungen war ich geschockt», sagt Psychologie-Studentin Nicole Wellinger. «Ich habe etwas ganz anderes erwartet.» Heute ist Wellinger Präsidentin des Fachvereins und erlebt regelmässig, wie es Erstsemestern gleich ergeht.
Auch zu anderen Studiengängen herrschen falsche Vorstellungen. Meistens handelt es sich um Fächer, die nie in der Schule gelehrt wurden, wie Publizistik. Mit den Assessments kriegen die Universitäten diese überrannten Studiengänge nach einem Jahr in den Griff. Ohne dauert es deutlich länger.
Zahlen zeigen die Wirkung. Zuletzt starteten 433 Studenten ein Psychologiestudium, davon bestanden nach zwei Semestern aber nur 244 die Assessment-Prüfung. Fast die Hälfte fiel durch. Nun überarbeitet auch die Rechtswissenschaft ihre Assessment-Regelungen für das kommende Semester. Weitere Fakultäten sollen folgen. Prorektor Jarren empfiehlt, die Assessments sogar landesweit einzuführen.
Doch nicht nur die Universitäten werden künftig stärker aussieben – sondern auch die Studenten selbst. Die Universität Zürich hat deshalb gemeinsam mit der Hochschule für angewandte Psychologie das erste Schweizer Self-Assessment gestartet. Ein Pilotprojekt, das schon diesen Herbst die Anmeldungen deutlich reduzieren könnte. Denn der einstündige Online-Selbst-Test erkennt das Interesse und die Erwartungen der Studenten an die Psychologie. Er merzt Irrtümer aus.
Ausserdem zeigt der Test die beruflichen Perspektiven nach dem Studium auf. «Wir werden das Self-Assessment den angehenden Studenten empfehlen», sagt Psychologiestudentin Wellinger. «Mir hätte der Test einige Überraschungen erspart.» Bei Erfolg will die Uni das Self-Assessment auf weitere Studiengänge ausweiten.
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