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Zwischen dem Universitätsspital Basel und seinen Chefärzten beginnt ein Kampf um Einfluss und Honorare.
Zum Fall selbst will der Anwalt Gabriel Nigon derzeit nicht Stellung nehmen. Es sei gesagt, was zu sagen ist: Das Universitätsspital Basel (USB) hat seinen Mandanten, den Chefarzt der Orthopädie, Victor Valderrabano, entlassen, weil es ihm vorwirft, nicht erbrachte chefärztliche Leistungen verrechnet und Spesenbezüge nicht korrekt abgerechnet zu haben. Valderrabano hat die Vorwürfe öffentlich zurückgewiesen und klagt gegen die Entlassung. Eingeschaltet ist auch die Basler Staatsanwaltschaft.
Anwalt Nigon ist allerdings auch Rechtskonsulent einer Interessengemeinschaft der Chefärzte und leitender Ärzte des Unispitals Basel (IG CALA). Diese hat sich im Frühjahr formiert mit dem Zweck, die Interessen der invasiv tätigen Ärzte in leitender Position zu wahren, insbesondere «in Bezug auf die Neuregelung der privatärztlichen Tätigkeiten».
Der Zusammenhang ist offensichtlich: Valderrabano war als Orthopäd chirurgisch tätig und die Verfehlungen, die ihm vorgeworfen werden, entstanden während seiner privatärztlichen Tätigkeit. Nigon bestätigt denn auch eine Verbindung zwischen den beiden Mandaten, was bedeutet: Die Interessengemeinschaft steht grundsätzlich hinter dem geschassten Chefarzt. Eine offizielle Stellungnahme will die IG dazu allerdings auf Anfrage nicht abgeben.
Selbst neutrale Beobachter sind der Ansicht, dass der Fall Valderrabano ein Präjudiz darstellt, an dem das grundsätzliche Verhältnis des Spitalkonzerns zu seinen Chefärzten zur Diskussion steht. Es geht dabei um viel Geld, das mit medizinischen Leistungen für Privatversicherte erbracht wird. Ein Teil dieser Einnahmen fliesst derzeit direkt in die Taschen der Chefärzte, die damit ihr Grundgehalt teilweise mehr als verdoppeln können. Doch davon wollen mittelfristig auch die unter Kostendruck stehenden Spitäler stärker profitieren. Derzeit finden zwar noch keine Verhandlungen statt. Doch gemäss USB-Sprecherin Sabina Heuss müssen per 1. Januar 2016 für alle Mitarbeitenden der öffentlichen Spitäler neue Anstellungsbedingungen geschaffen werden.
Der Umgang zwischen den Parteien ist rau, wie ein Kadermitglied unter der Bedingung erzählt, nicht namentlich genannt zu werden. Und der Konflikt ist nicht Basel-spezifisch. Hans-Ueli Würsten, Präsident des Vereins der leitenden Spitalärzte (VLSS), gibt den Ton vor. Das Spitalmanagement bezeichnet er in der neuesten Verbandsmitteilung als «teils bedrohliche Invasion betriebswirtschaftlicher Elemente». Er fürchtet «betriebswirtschaftlichen Dirigismus» zulasten der Patienten.
Die Chefärzte sehen durch die Betriebswirtschafter ihre medizinisch-ethischen «Werte» bedroht; die Kliniken interpretieren die konfrontative Haltung der Chefärzte jedoch vor allem als deren Versuch, die historisch bedingten Pfründen zu sichern. Dass gerade am Universitätsspital Basel eine solche Auseinandersetzung geführt wird, ist kein Zufall: Als universitäre Klinik und Teil der Basler Verwaltung erhielten die Chefärzte ein Grundsalär, das die Lohnskalen der übrigen Staatsangestellten nicht übermässig sprengte. Dafür wurden den Professoren ausreichende Möglichkeiten zugestanden, lukrative Nebenverdienste zu generieren. Nun sind die Spitäler aus der Verwaltung ausgegliedert und nominell unabhängig – ohne dass sich an der Lohnstruktur etwas verändert hätte.
Mit Valderrabano meint das Universitätsspital auf einen Chefarzt gestossen zu sein, der klar gegen die allerdings wenig präzis abgefassten Regelungen verstossen hat. Die Chefärzte fürchten jedoch, dass die Klinik den konkreten Fall nutzen wird, um die Reglemente auch finanziell zuungunsten der Chefärzte anzupassen.
Leidtragende wären nicht alle Chefärzte gleichermassen: Denn vom heutigen System profitieren vor allem die invasiven Ärzte, die sich in der IG zusammengefunden haben. VLSS-Präsident Würsten fordert zwar Solidarität unter den Chefärzten. Doch dass es damit unter den Medizinern schlecht bestellt ist, zeigt Würsten selbst: «Unglücklicherweise muss zugegeben werden, dass Ärzte selber dazu neigen sich untereinander zu zerfleischen.»
Solidarität leistet die Interessengemeinschaft mit Victor Valderrabano. Ob die IG CALA allerings auch Unterstützung ausserhalb der Chirurgenzunft findet, ist ungewiss.