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Nach dem bösen Erwachen in Portugal geht der Blick voraus in Richtung Barrage. Am Dienstag wird klar, wie der Gegner heisst: Schweden, Griechenland, Irland oder Nordirland. Eines ist jetzt schon klar: Will die Schweiz durch die Hintertür doch noch an die WM reisen, muss sie einen harten Kampf überstehen.
Was sind die Faktoren, die es in so einer Extremsituation für den Erfolg braucht? Die «Schweiz am Wochenende» hat mit drei ehemaligen Nati-Stars gesprochen, die 2005 in der legendären und skandalösen Barrage gegen die Türkei dabei waren. Christoph Spycher, Raphael Wicky und Pascal Zuberbühler sind heute alle im Schweizer Klubfussball tätig. Damals haben sie mitgeholfen, der Schweiz unvergessliche Stunden zu bescheren.
Wenn FCB-Trainer Wicky über damals spricht, dann ist ihm eines wichtig: «Die Barrage ist keine Strafe, sondern eine Chance, die man nutzen kann.» Mit genau diesem Denken hat sich die Generation von 2005 mit Trainer Köbi Kuhn an die Entscheidungsspiele gegen die Türkei gemacht. «Darum haben wir es geschafft, uns durchzusetzen.» Ein anderer wichtiger Punkt, den Wicky erwähnt, ist das Zulassen von grossen Emotionen. «Wir wussten, es werden viele grosse Gefühle entstehen. Dafür waren wir bereit. Wenn ich die heutige Mannschaft anschaue, bin ich mir sicher, dass sie es auch ist.»
Eine andere Frage aber ist, ob diese aktuelle Schweizer Mannschaft über die benötige Winner-Mentalität verfügt. Über die letzten Jahre hat sich bei dieser Generation ein gefährliches Faktum eingeschlichen: Nämlich, dass die entscheidenden Spiele allesamt verloren gingen. Das war im WM-Achtelfinal 2014 gegen Argentinien so. Das war im EM-Achtelfinal 2016 gegen Polen so. Und das war nun in Portugal so. Wicky sagt: «Ich finde dieses Denken etwas gar schwarz und weiss. Immerhin hat die Schweiz ja eines der beiden Spiele gegen Portugal gewonnen. Ich glaube darum nicht, dass man hier etwas aus den Köpfen bringen muss.»
Wenn Wohlens aktueller Torhütertrainer Pascal Zuberbühler erklären soll, wie ein Team dieses Gefühl des Versagens im entscheidenden Moment wegbringt, muss er zuerst nachdenken. «Für mich ist zentral, dass die Equipe dieses Denken gar nicht erst zulässt. Entscheidend sind dabei der Trainer und sein Staff. Sie müssen vorangehen und die Überzeugung dem Team vorleben.»
Pascal Zuberbühler glaubt zudem, dass die Niederlage in Portugal vielleicht gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen ist. «Dieses Erlebnis kann Gold wert sein für jeden Einzelnen. Jeder muss nun für sich erkennen, was er falsch gemacht hat. Und dann aber ziemlich schnell nach vorne blicken. Es wäre Gift, wenn sich auch nur ein einziges Prozent Denken an die Niederlage in Portugal im Hirn einnisten würde.»
Welche Qualitäten es nun braucht, ist für Zuberbühler selbstverständlich. «Fighten, fighten, fighten! Wer besser bereit ist, wer aggressiver ist und wer mehr Zweikämpfe gewinnt, reist an die WM – ganz egal, wie der Barrage-Gegner heisst. Es wäre fatal, sich nun auf spielerische Fähigkeiten zu verlassen. Wenn das passiert, droht ein böses Erwachen.»
Wenn sich YB-Sportchef Christoph Spycher an die Barrage gegen die Türkei zurückerinnert, tut er das mit gemischten Gefühlen. Überwältigend waren alle Erlebnisse: Aus sportlicher Sicht – und wegen all jenen skandalösen Vorfällen, die nach dem Abpfiff und der WM-Qualifikation für die Schweiz passierten. «Nach dem letzten Spiel der Gruppenphase in Irland, diesem 0:0, waren wir hin- und hergerissen. Ein Tor, und die Befreiung, die Erfüllung eines Traums wäre Tatsache gewesen.»
Doch die Enttäuschung hat nicht lange angehalten. «Bereits am Abend im Hotel hat die Stimmung im Team gekehrt. Wir waren überzeugt von uns, dachten: ‹Dann packen wir es halt via Barrage!›»
Diese Fähigkeit, nach vorne zu schauen, traut Spycher auch der jetzigen Generation zu. «Ich glaube, jeder begreift, um was es geht. Man kann jetzt nach der Niederlage in Portugal über vieles diskutieren. Aber Fakt ist: Die Schweiz hat eine gute Quali gespielt.Natürlich war das letzte Spiel nicht gut, aber ich denke, die Grundüberzeugung bleibt. Es wird niemand – und das ist richtig so – mit Zweifel an die Aufgaben in der Barrage herangehen.»