Im Fed-Cup begeisterte Viktorija Golubic vor über 9000 Fans. Nun spielt die 23-jährige Zürcherin wieder Qualifikationsturniere. Ohne Publikum. Fernab des Scheinwerferlichts. Es ist ihr Weg.
Hühnerhaut und feuchte Augen gab es am letzten Wochenende nicht nur bei vielen der über 9000 Fed-Cup-Fans in Luzern. Auch die neue Prinzessin am Schweizer Tennishimmel kämpfte mit ihren Gefühlen. «Ich konnte es kaum fassen, wie das Publikum abging und mich auf einer Welle getragen hat.» Sie sei den Tränen mehrfach sehr nahe gewesen, gibt Viktorija Golubic zu.
Die Nummer 130 der Welt bewies bei ihrer Einzel-Fed-Cup-Premiere Kämpferherz und spielte selbst in äusserst heiklen Situationen mutig und voller Selbstvertrauen. So, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, Spielerinnen wie Karolina Piskova (WTA 19) und Barbara Strycova (WTA 33) zu besiegen. «In unserem Sport steht immer etwas auf dem Spiel. Entweder man ist zu sehr auf das Ergebnis fokussiert und bekommt Angst oder man spielt einfach», erklärt die 23-Jährige ihr Rezept.
Dabei stand die sympathische Zürcherin noch gar nicht so oft im Rampenlicht. Aufhorchen liess Viktorija Golubic in den letzten Monaten aber schon einige Male. So etwa im vergangenen April, als sie im Fed-Cup-Krimi gegen Polen an der Seite von Timea Bacsinszky gegen das favorisierte polnische Doppel den entscheidenden dritten Punkt im dritten Satz (9:7) erkämpfen konnte. Im Januar dieses Jahres qualifizierte sich Viktorija Golubic in Melbourne erstmals für das Hauptfeld eines Grand Slams. Zuvor hatte die Hartplatz-Spezialistin innerhalb von sechs Monaten an sechs Futures-Turnieren mit Preisgeldern zwischen 25 000 und 75 000 US-Dollar sechsmal den Final erreicht und drei Turniersiege realisiert.
Golubic ist zurück in der Realität. «Jetzt wieder kleinere WTA-Turniere zu spielen oder sich vor weniger als einer Handvoll Zuschauern durch die Qualifikation zu kämpfen, ist nach diesem genialen Fed-Cup-Wochenende schon sehr speziell», sinniert Viktorija Golubic, die es sich gewohnt ist, bedingungslos und mit Leidenschaft zu kämpfen und Nebensächlichkeiten auszublenden. «Ich hoffe, dass ich die Kurve kriege und mich anpassen kann.» Gestern gelang dies der Schweizerin nicht. Beim Prague Open verlor Golubic überraschend in der ersten Qualifikationsrunde gegen die Nummer 422 der Welt, Viktoria Kuzmova aus der Slowakei. Die von Golubic am letzten Samstag besiegte Karolina Pliskova steht als Nummer vier direkt im Hauptturnier.
Golubics Weg begann früh. Ihre aus Kroatien und Serbien stammenden Eltern, ein Mäzen und der Tennisklub Junior Grindel Bassersdorf hatten schon vor Jahren an das talentierte und ehrgeizig arbeitende Mädchen geglaubt und sie ohne Druck unterstützt. Den grössten Anteil am Erfolg hat ihr langjähriger Trainer Csaba Nagy, mit dem sie 15 Jahre lang intensiv zusammengearbeitet hat. «Ihm verdanke ich die ganze Basis. Ohne diese hätte ich mich nie so entwickeln können», erklärt Viktorija Golubic.
Im Gegensatz zu ihren Alterskolleginnen setzte die Spielerin mit der auffallend starken einhändigen Rückhand und dem grossen Schlagrepertoire schon früh auf Erwachsenenturniere, scherte sich notabene nicht um ihr Ranking. Sie stand an nationalen Nachwuchstitelkämpfen nie im Final und gehörte als Juniorin nie einem Kader an.
Anfang 2013 führte sie ihr Weg nach Deutschland. Der Entscheid, an die «Robert Orlik Tennis Academy» nach Köln-Kerpen zu wechseln, ist ihr nicht leicht gefallen. «Den Schritt habe ich aber nie bereut. Die Zeiten ändern sich. Man braucht in den verschiedenen Etappen einer Karriere auch unterschiedliche Voraussetzungen», sagt sie heute.
Die als Kämpferin bekannte Schweizerin spielt in ihrer aktuellen Basis in Kerpen regelmässig mit dem ehemaligen deutschen Spitzenspieler Björn Phau, der als Profi auch in der Orlik-Academy trainiert hatte und seine Erfahrungen nun als Coach weitergibt. Im Wissen, dass ihr Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft und ihre Ausbildung längst nicht abgeschlossen war, blieb Golubic auch ruhig und konzentriert, als ihr Aufstieg vor gut eineinhalb Jahren gebremst wurde und sie vorübergehend aus den Top 200 fiel.
Sie will sich treu bleiben
Die zusammen mit drei Geschwistern in einfachen Verhältnissen aufgewachsene Spielerin ging ihren Weg mit einem engen finanziellen Spielraum. Seit Golubic in die Top 250 vorstiess, ist dieser mit der Unterstützung von Swiss Tennis, der Schweizer Sporthilfe und Reinhard Fromm etwas weniger steinig. «Es gab immer wieder Privatpersonen, die an mich glaubten, sich über meine Entwicklung gefreut und mich sporadisch unterstützt haben», sagt Viktorija Golubic. Die charakterstarke Schweizer Spielerin will sich auch nach den Tagen im Fed-Cup treu bleiben, weiter hart trainieren, stets weiter Fortschritte machen und als Folge davon im WTARanking bald erstmals in die Top 100 vorstossen – sowie sich wie bis anhin über jeden Sieg freuen.
Das sind neben Viktorija Golubic die besten Schweizer Tennis-Frauen: