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Das Schweizer Tennistalent Rebeka Masarovas flüchtet nach Spanien und tritt in Zukunft unter spanischer Flagge an. Swiss Tennis geht juristisch gegen die Familie Masarova vor. Die Flucht ist ein Warnschuss für das Schweizer Tennis.
Überall in Europa hat die Familie des Basler Tennistalents Rebeka Masarova in den vergangenen Monaten verbrannte Erde hinterlassen: In der Akademie von Patrick Mouratoglou, dem Trainer von Serena Williams, bei Nizza, wo sie nach einigen Trainings nicht mehr aufgetaucht sein soll. In Waldshut, wo sie beim Holländer Eric van Harpen, der Ende der 1990er-Jahre Patty Schnyder in die Top Ten der Weltrangliste geführt hatte. Und zuletzt auch noch bei Swiss Tennis in Biel.
Ende Dezember hatte Mutter und Trainerin Marivi, die nicht aus dem Tennis kommt, Fed-Cup-Captain Heinz Günthardt mit einer SMS darüber in Kenntnis gesetzt, dass Rebeka künftig für Spanien spielen werde. Das kommt völlig überraschend, hatte die Baslerin doch noch im Dezember im nationalen Leistungszentrum in Biel trainiert – ohne Mutter Marivi. Der Zürcher sagt über die Junioren-French-Open-Siegerin 2016: «Selten habe ich eine so gute Verbindung aus Grösse, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Ballgefühl, Fleiss und Wille gesehen wie bei Rebeka.»
Offenbar fielen diese wohlwollenden Worte nie auf fruchtbaren Boden.
Ein Schweizer Aufgebot für die Fed-Cup-Partie in Minsk 2017 schlug die Mutter aus. Stattdessen ergriff die Familie die Flucht nach Barcelona. Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach bekräftigte gestern noch einmal, juristisch gegen die Familie vorzugehen.
Der Verband dürfte Masarova in den vergangenen Jahren mit Fördergeldern im mittleren fünfstelligen Bereich unterstützt haben. Dazu kam die Baslerin immer wieder in den Genuss von Wildcards: in Biel oder zuletzt in Gstaad.
Stammbach sagt, ihm gehe es dabei weniger um finanzielle Forderungen als vielmehr darum, ein Zeichen zu setzen und einen Präzedenzfall zu schaffen. Ausbildende Verbände sollen künftig für ihre Aufwände entschädigt werden – ein Modell, das im Fussball mit der Ausbildungsentschädigung seit Jahren üblich ist. Stammbach sagt: «Es geht uns nicht ums Geld und auch nicht darum, dass sie wieder für die Schweiz spielt.» Reisende solle man nicht aufhalten. «Aber wer diesen Weg beschreitet, muss auch wissen, dass dies Konsequenzen haben kann.»
Rebeka Masarova (18) hat drei Pässe: Die Mutter ist Spanierin, der Vater ein Slowake, die fünf Geschwister kamen in der Schweiz zur Welt, verbrachten aber einen Grossteil ihrer Kindheit in Barcelona. Der Fall Masarova wirft ein Schlaglicht auf eine Problematik, mit der sich der Verband künftig vermehrt konfrontiert sehen wird. Inzwischen hat jeder Dritte in der Schweiz lebende Mensch ausländische Wurzeln. Eine Entwicklung, die auch vor dem Sport nicht Halt macht.
Deutsches Buhlen um Wawrinka
Martina Hingis kam in Kosice, in der heutigen Slowakei zur Welt und kam erst im Alter von acht Jahren in die Schweiz. Timea Bacsinszkys Eltern Igor und Suzanne haben beide ungarische Wurzeln. Viktorija Golubics Mutter ist Serbin, der Vater Kroate. Belinda Bencics Eltern stammen aus der Slowakei. Stan Wawrinka hat einen deutschen Pass. Der Deutsche Tennisbund wollte den Romand einst zu einem Nationenwechsel bewegen. «Sie fragten mich an, aber ich bin glücklich, Schweizer zu sein und mein Land zu vertreten», sagte Wawrinka im Buch «Jubeljahre».
Wegen der Herkunft seiner Mutter Lynette hat selbst Roger Federer einen südafrikanischen Pass. Dass einer dieser Spieler dereinst nicht mehr für die Schweiz auflaufen wird, ist dennoch äusserst unwahrscheinlich. Diffiziler ist die Situation bei den Junioren.
Das zeigt auch ein Blick nach Melbourne. Nur eine Schweizerin hat bei den Australian Open die erste Runde überstanden: Lulu Sun (16). Ihr Vater ist Kroate, die Mutter Chinesin, zur Welt kam sie in Neuseeland. Zwar spielt Sun für die Schweiz, den Pass hat sie aber nicht.
Swiss Tennis bemüht sich um eine individuelle Förderung von Talenten. Nicht jeder ist bereit, wie Wawrinka oder Federer sein Elternhaus im Alter von 15 Jahren zu verlassen. Bei Rebeka Masarova blieben diese Versuche ohne Erfolg. Sie sieht ihre Zukunft in Barcelona.
Mitte Februar trifft die Schweiz im Fed-Cup auf Tschechien. Statt Masarova erhält nun Jil Belen Teichmann (20, WTA 141) ihr erstes Aufgebot. Ironie der Geschichte: Wie Masarova lebt Teichmann in Barcelona und trat bei den Junioren für ihre Wahlheimat an. Im Gegensatz zu Masarova besitzt sie aber nur den Schweizer Pass.