Kurz nachdem ein Gericht die Aberkennung seines Visums und die angeordnete Ausweisung aus Australien aufgehoben hat, könnte der Tennisspieler Novak Djokovic schon bald erneut verhaftet werden.
Serbische Medien berichten am Montagabend übereinstimmend und in Berufung auf Vater Srdjan, Novak Djokovic sei erneut verhaftet worden. Doch das trifft nicht zu. Der Serbe befindet sich derzeit im Rialto Tower, vor dem sich Anhänger eingefunden haben und «Free Novak» skandieren. Es kam zu Scharmützeln mit der Polizei, die Pfefferspray einsetzte. Im Büro der Melbourner Anwaltskanzlei Hall und Wilcox beriet sich Djokovic derweil über die nächsten Schritte. Denn ihm droht weiteres Ungemach.
Zwar machte der Einwanderungsminister Alex Hawke nicht von seinem Vetorecht Gebrauch, das bis vier Stunden nach dem Gerichtsentscheid Gültigkeit hatte, doch er zieht in Erwägung, Djokovic mit Hilfe seiner persönlichen Widerrufsbefugnis erneut das Visum zu entziehen. Die australische Gesetzgebung räumt Hawke die Möglichkeit ein, dies ohne Angabe von Gründen zu tun. Seine Entscheidung hat der Mann, der nun Djokovics Schicksal richtet, auf den morgigen Dienstag in Aussicht gestellt.
Wenige Stunden zuvor hatte ein Gericht die Aberkennung von Djokovics Visums und die angeordnete Ausweisung aus Australien für ungültig erklärt und Djokovics umgehende Entlassung aus dem Hotel angeordnet, in dem er seit Donnerstag festgesetzt war. Als Grund führte Richter Anthony Kelly juristische Formfehler an. Demnach hätten die Behörden Djokovic bei der Einvernahme in der Nacht auf Donnerstag nicht genügend Zeit eingeräumt, um seine Berater zu konsultieren.
Im Berufungsprozess stand die Frage im Zentrum, ob bei der Einvernahme juristische Formfehler geschehen sind. Dies sah Richter Anthony Kelly als gegeben an. Er ordnete deshalb die sofortige Freilassung Djokovics aus dem Park Hotel in Melbourne an, in dem er seit dem 6. Januar festgesetzt war. Die Nacht auf Dienstag verbringt Djokovic in einem privaten Appartement.
Doch daran, dass er aus medizinischen Gründen Anspruch auf Befreiung von der Impfpflicht hatte, bestehen erhebliche Zweifel. Denn von dieser entbunden werden, kann man nur aus zwei Gründen. Wenn eine ernsthafte Erkrankung vorliegt (zum Beispiel eine entzündliche Herzerkrankung), oder eine «gravierende» Reaktion auf eine Coronaimpfung. Beides ist bei Djokovic nicht der Fall. Seine Anwälte berufen sich auf die Australian Technical Advisory Group ATAGI. Diese betrachte eine Covid-19-Infektion innerhalb der letzten sechs Monate als Kontraindikation zur Impfung.
Djokovic hatte sein Gesuch auf Grundlage eines positiven Befunds vom 16. Dezember 2021 gestellt. Wie erst nach dem Prozess öffentlich gemachte Unterlagen offenbaren, hatte der 34-Jährige am Testtag bereits nach 7 Stunden Kenntnis von der Infektion, die ohne Symptome verlaufen sei.
Statt sich in Isolation zu begeben, nahm Djokovic in den Tagen danach an mehreren Veranstaltungen teil, bei denen keinerlei Schutzmassnahmen getroffen worden waren, unter anderem mit Kindern. Er handelte damit fahrlässig und setzte andere der Gefahr aus, sich bei ihm anzustecken.
Genau das könnte Djokovic nun zum Verhängnis werden. Denn gemäss Biosecurity Act kann ein Visum entzogen werden, wenn der Verdacht besteht, dessen Halter könne eine «gesundheitliche Gefahr» darstellen.
Neu bewertet würde dann auch die Frage, ob Novak Djokovic überhaupt Anspruch auf eine medizinisch begründete Befreiung von der Impfpflicht hat. Seine Anwälte verweisen auch hier auf die Australian Technical Advisory Group ATAGI. Doch deren früherer Chef Allen Cheng sagte der Zeitung «The Age», eine frühere Covid-19-Infektion sei keine Kontraindikation. Der frühere auf Immigration spezialisierte Anwalt Michal Todd sagt dazu: «Das Land Australien hat Fehler bei der Einreise gemacht, dennoch legitimiert das nicht sein ungültiges Visum. Djokovic hat illegal und möglicherweise in betrügerischer Absicht versucht, nach Australien einzureisen. Jetzt wird ihn wahrscheinlich der Immigrationsminister nach Hause schicken.»
Die Frage, ob er sich kurz vor Abreise allenfalls noch hätte impfen lassen, um bei den Australian Open seinen Titel verteidigen zu können, wurde durch die Infektion hinfällig. Erst diese ermöglichte ihm ein Gesuch auf Befreiung von der Impfpflicht. Interessant wäre die Antwort auf die Frage, ob und wie er ohne diese versucht hätte, am Turnier teilzunehmen. Doch Djokovic äusserte sich in der Anhörung vor Gericht nicht. Er will sich später im Rahmen einer Medienkonferenz, die seine Eltern in Belgrad abhalten, erstmals seit seiner Festsetzung öffentlich äussern.
Den ersten Satz hat der 20-fache Grand-Slam-Sieger und Titelverteidiger bei den Australian Open für sich entscheiden können. Doch in einer möglichen, weiteren juristischen Auseinandersetzung steht ungleich mehr auf dem Spiel. Wird Djokovic das Visum erneut aberkannt, könnte er mit einer Einreisesperre von bis zu drei Jahren belegt werden.