Wir haben tatsächlich geplant, unsere letzte Fahrt gemeinsam zu machen»

Bobfahrerin Andrea Bitzer aus Farnern, Lebenspartnerin von Bobfahrer Jürg Egger, steckt in einer harten Saison. Bis nach Sotschi im nächsten Jahr soll die Karriere der 24-Jährigen aber mindestens noch dauern.

Michael Schenk
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Andrea Bitzer (rechts) und Fabienne Meyer fuhren heuer an der Schweizer Meisterschaft auf den zweiten Rang. Keystone

Andrea Bitzer (rechts) und Fabienne Meyer fuhren heuer an der Schweizer Meisterschaft auf den zweiten Rang. Keystone

Wenn es beim Päärli Jürg Egger und Andrea Bitzer heisst: «Chum Schatz, mir gö e Runde ga schlittle», dann muss man sich darunter nicht a priori eine romantische Schlittenfahrt durch die weisse Pracht am Weissenstein vorstellen. So, wie dies Otto Normalverbraucher wohl täte. In diesem, speziellen Fall könnte das auch bedeuten, dass die Verliebten Helm, Rückenpanzer und Rennanzug satteln und mit 140 Sachen den Eiskanal runterdonnern. Bislang ist das zwar so noch nie vorgekommen, aber: «Wir haben tatsächlich geplant unsere letzte Fahrt gemeinsam – ich als Anschieberin und Jürg als Pilot – zu machen», sagt Andrea Bitzer.»

Erste Wahl in Lake Placid und Park City

Die Wortwahl sagt es: Die 24-Jährige und der 32-Jährige sind beides Bobfahrer. Jürg Egger in der Regel im Vierer von Beat Hefti, Andrea Bitzer als Anschieberin im Schlitten von Fabienne Meyer. Für Letztere ist die aktuelle Saison: «brutal hart», sagt sie. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass sie es ist, die heuer mit Meyer die Weltcup-Rennen bestreitet. Anlässlich des Auftakts in Lake Placid und Park City war dem auch so.

Konkurrenz von neuer Anschieberin

Doch nach einem 13. und einem 10. Rang stiess auf die dritte Station in Whistler Elisabeth Graf als Anschieberin zum Team Meyer. Mit dem Schub der ehemaligen Mehrkämpferin und Diskuswerferin fuhr Meyer in Kanada auf den glänzenden zweiten Rang. «Von dem Moment an, dem bislang einzigen, wirklichen Erfolg in dieser Saison, hat Fabienne natürlich primär auf Elisabeth als Anschieberin gesetzt», erzählt Andrea Bitzer. Vom Gefühl her nachvollziehbar, wie sie sagt. Aber keineswegs befriedigend für sie.

Verdrängungskampf in Hinblick auf Sotschi

Mit Ariane Walser und Michelle Huwiler sind im Verlauf der Saison weitere Anschieberinnen zum erweiterten Team von Fabienne Meyer gestossen. Powerfrauen, die je nach Verfügbarkeit und Form den zweiten Platz im Schlitten beanspruchen. Es herrscht also ein tobender Konkurrenzkampf unter den helvetischen Bob-Anschieberinnen. Ein Verdrängungswettbewerb, der sich auf die nächste olympische Saison hin garantiert noch zuspitzen wird. Schliesslich gibt es bei den Frauen keine Viererbobs und daher nur zwei, drei Olympia-Startplätze für Starterinnen.

Während der EM krank im Bett

Für die EM letztes Wochenende in Igls musste Andrea Bitzer wegen Krankheit Forfait geben. Für die WM dieses Wochenende in St. Moritz ist die Teilzeit-Angestellte in der Administration der Firma Glas Trösch in Herzogenbuchsee nominiert. Freilich ist davon auszugehen, dass die Wahl-Oberaargauerin, die seit zwei Jahren mit ihrem Freund im idyllischen Farnern am Südhang der vordersten Jurakette hoch über Wiedlisbach lebt, nicht in Meyers Schlitten sitzen wird. Wenn schon, wäre dies zum Weltcupabschluss in der Olympia-Stadt Sotschi wieder Fall.

«Sehr menschlicher» Konkurrenzkampf

Mit Blick in die Zukunft kann sich Bitzer durchaus vorstellen, «dass es neue Teams geben wird. Es wird auf jeden Fall brutal hart, einen Platz für Sotschi zu erkämpfen», sagt sie. Nun, man weiss es ja, auch wenn man es oft und gerne ausblendet: Frauen können bisweilen ganz schön zickig und fies werden. «Es geht schon sehr menschlich zu und her», schmunzelt Andrea Bitzer. Dennoch hat Letztere den Traum von Olympia in Sotschi noch nicht abgeschrieben. Am liebsten würde sie natürlich da zusammen mit ihrem Freund, Jürg Egger, an der Eröffnungsfeier einmarschieren.

Gemeinsam unterwegs, aber doch getrennt

Die Liaison Bitzer/Egger funktioniert bis dato sehr gut. Das Bob-Paar wohnt in Farnern im Untergeschoss von Eggers Elternhaus. «Wir sind zwar oft zusammen unterwegs, haben dann aber nicht sonderlich viel voneinander», sagt Andrea Bitzer. Freilich fehlt es nicht an Verständnis für die Anliegen des anderen. Und wie heisst es so schön: Geteilte Freude ist doppelte Freude und geteiltes Leid ist halbes Leid.

Schweren Sturz überwunden

So haben die beiden auch Eggers Unfall an den Olympischen Spielen in Vancouver, als dieser im Training mit Beat Schmid schwer stürzte und nebst einer Gehirnerschütterung auch Gefühlsstörungen in Armen und Beinen davontrug, gut überstanden. «Für ihn war sofort klar», sagt Freundin Andrea Bitzer, «dass er wieder Bobfahren will, wenn er gesund ist.» Hätte er mehr gejammert, wäre es ihr vielleicht auch schwerer gefallen, wieder in einen Bob einzusteigen, gibt die gebürtige Ostschweizerin zu.

Romantik bei 140 Sachen

So aber wollen die beiden bis nach Sotschi weitermachen, dann ihre Karriere beenden, und diese Zeit mit einer «romantischen», gemeinsamen Schlittenfahrt am liebsten in St. Moritz krönen. So romantisch eben ein Run mit 140 Sachen durch Horse-Shoe, Shamrock und Devils Dyke auch immer sein mag...