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Vor Sotschi ist der Solothurner bereit zu leiden und beschreitet in der Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele unkonventionelle Wege. Trotz seiner Sieg-Premiere im Weltcup von Anfang Januar wäre es vermessen, von ihm eine Medaille zu erwarten.
Wie anstrengend das Siegen sein kann, merkte Tim Hug erst einige Tage nach dem bisher grössten Erfolg seiner Karriere. Am 4. Januar gewann der 26-jährige Gerlafinger im russischen Tschaikowski als erster Schweizer Kombinierer seit 20 Jahren ein Weltcuprennen – und legte tags darauf mit einem feinen vierten Platz nach. Die Quittung dafür folgte nach der Rückkehr.
«Der Trip hat mich sehr viel Energie gekostet», sagt Hug. «In der Woche danach habe ich festgestellt, dass meine Batterien leer waren.» Nicht nur die lange Reise an den rund 1000 Kilometer östlich von Moskau im Ural gelegenen Wettkampfort – auf die viele seiner Konkurrenten verzichtet hatten – und die dortigen Temperaturen um minus 20 Grad zehrten an der Substanz.
Auch der Medienrummel, den Hug mit seinem überraschenden Erfolg auslöste, hinterliess seine Spuren. «Ich war mir das nicht gewohnt», sagt der zurzeit einzige Swiss-Ski-Athlet im Kombinierer-Weltcup, der seine in der Schweiz in den letzten Jahren kaum mehr beachtete Disziplin mit seinem Sieg schlagartig wieder in den Fokus der Sport-Öffentlichkeit rückte.
Training im Grenzbereich
Dass Hug seine Reise in den Osten trotz Nachwehen nicht bereut, versteht sich von selbst. «Meine Resultate in Tschaikowski haben mir extrem Selbstvertrauen und Motivation gegeben», sagt der Profisportler, der am kommenden Donnerstag bereits wieder nach Russland abreist. Statt in den Ural geht es diesmal in den Kaukasus: Am 12. und am 18. Februar kommt Hug in den Bergen oberhalb Sotschis an seinen zweiten Olympischen Spielen nach 2010 zum Einsatz.
Für den Erfolg in Sotschi beschreitet Hug auch ungewöhnliche Wege – und ist bereit zu leiden. So setzt er seit dieser Saison nicht nur durch die Zusammenarbeit mit einem neurologischen Spezialisten neue Trainingsreize, sondern auch durch sogenanntes Okklusionstraining – eine Methode, die an körperliche Folter erinnert.
Dabei absolviert Hug eine Trainingseinheit auf einem Hometrainer oder einer Vibrationsplatte, wobei die Blutzufuhr zu den Beinen mittels Abbinden gezielt eingeschränkt wird. «Das Ziel ist es, den Körper an hohe Laktatwerte zu gewöhnen», erklärt Hug und gibt zu: «Es schmerzt brutal in den Beinen.»
Wieviel die Methode tatsächlich bringt, ist unter Fachleuten umstritten. «Die wissenschaftliche Datenlage ist dünn», gibt Patrik Noack, Teamarzt der Schweizer Langläufer, zu bedenken. Bei Tim Hug scheint das Training aber zumindest nicht geschadet zu haben. Nach mehreren Anwendungen während der Saisonvorbereitung hat er diese Woche in Zürich nochmals eine Trainingseinheit absolviert.
Auf dem Sprung in die Top Ten
Von Hug nun eine Olympiamedaille zu erwarten, wäre trotz Folter vermessen – und trotz Weltcupsieg. In Sotschi wird der Solothurner auf deutlich stärkere Konkurrenz treffen als in Tschaikowski. Eine Klassierung in den Top Ten ist ihm aber durchaus zuzutrauen. Insbesondere in der Loipe hat Hug in dieser Saison immer wieder mit guten Laufzeiten auf sich aufmerksam gemacht.
Gelingt auch der Sprung nach Wunsch, liegt entsprechend viel drin. «Ich weiss, dass ich dazu fähig bin, mich bereits im Skispringen in Bereich der zehn Besten einzureihen», sagt er.
Um mit der nötigen Sprungpraxis nach Sotschi reisen zu können, weilt Hug seit Donnerstag für einige Tage im deutschen Oberstdorf, wo die Schanzenanlage für den Trainingsbetrieb geöffnet ist. «Ich brauche regelmässig Sprünge, um auf Touren zu kommen.»