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Zuerst kam der Mehraufwand durch die Corona-Massnahmen, dann fielen die Rennen den Schneemassen zum Opfer: Der OK-Chef des Weltcups von St. Moritz zieht im Interview eine erste Bilanz.
Ende November war es in St. Moritz relativ warm für die Jahreszeit. So warm, dass im Zielbereich noch der braune Hang zu sehen war. Bis am letzten Dienstag kamen die Schneekanonen zum Einsatz, um die Weltcup-Piste zu beschneien. Danach blieben drei Tage für die Pistenpräparierung zur Verfügung, was für eine vernünftige Basis knapp ist. Am Freitag brach schliesslich der Winter über dem Engadin ein, die gesamte Infrastruktur versank im Naturschnee. Mit den Verwehungen des Windes wurden auf Corviglia bis zu zwei Meter Schnee gemessen. Der für Samstag geplante Super-G musste daraufhin abgesagt werden.
Die Veranstalter gaben aber noch nicht auf und spekulierten mit einer Durchführung am Sonntag. Doch nur Stunden später erhöhte das Schnee- und Lawineninstitut von Davos die Lawinengefahr auf Stufe 4 von 5. Die Bergbahnen entschieden sich, den gesamten Berg zu schliessen, die Organisatoren zogen nach und sagten auch den zweiten Super-G ab. Ein solches Wochenende hat OK-Chef Martin Berthod noch nie erlebt. Der 67-jährige veranstaltet seit 1981 Events in St. Moritz und ist seit 1999 beim Ski-Weltcup tätig.
Martin Berthod, St. Moritz betrieb viel Aufwand für zwei Weltcup-Rennen, die nicht stattfanden. Wie geht es Ihnen?
Den Umständen entsprechend gut. Es ist schwierig, das ganze Team weiter zu motivieren, aber die Teamleiter machen das gut, pflegen mit ihren Mannschaften einen gezielten, aber auch kameradschaftliche Austausch, was für eine gute Stimmung sorgt. Auch ohne Rennen müssen wir nun einen sauberen Abbau machen. Die Europacup-Rennen von Dienstag und Mittwoch sind ja auch abgesagt. Das Problem ist, dass der Berg den ganzen Sonntag gesperrt war, das bedeutet, wir konnten erst Arbeiten im Zielraum ausführen.
Von Freitag bis Sonntag schneite es pausenlos. Am Samstag waren Ihre Leute schon um 4 Uhr am Berg, obwohl die Situation aussichtslos war. Wie behält man da die 250 Helfer bei Laune?
Ich habe heute beim Mittagessen nochmals allen gedankt und informiert, dass beim Entscheid der Bergbahnen wegen der Lawinengefahr den Betrieb einzustellen, für uns klar war, dass wir auch das Rennen vom Sonntag absagen. Das haben unsere Helfer nachvollziehen können. Der Grossteil der Helfer ist wegen des Skisports hier, sie haben Verständnis für solche Situationen. Jetzt werden wir ihre volle Unterstützung nochmals beim Abbau brauchen.
Sie hatten in Zusammenarbeit mit Swiss-Ski aufwändige Schutzkonzepte erarbeitet. Kann man diesen Mehraufwand beziffern?
Das kann ich nicht genau sagen. Es brauchte diesbezüglich vor allem auch viel Denkarbeit. Wir mussten ausschliessen, dass es möglichst keine Vermischungsbereiche gibt und die teils umständlichen Wege klar kommuniziert und eingehalten werden.
Sind Sie zufrieden mit der Umsetzung der Schutzkonzepte?
Es hat gut funktioniert. Eine Herausforderung war auch das Schutzkonzept für alle Leute, die am Berg arbeiteten. Sie waren durchgehend in kleinen, dafür mehreren Gruppen unterwegs und haben sich auch gruppenweise verpflegt. Die ganze Akkreditierung war ebenfalls komplizierter als sonst. Wir mussten jede Person täglich zu ihrem Gesundheitszustand befragen. Klar, das ist immer eine Selbsteinschätzung, aber so konnten wir Personen, die Symptome angegeben haben, den Zutritt zum Gelände verweigern und sie testen lassen.
Hatten Sie das gleiche Budget zur Verfügung wie gewöhnlich?
Ja, das Budget bewegte sich im ähnlichen Rahmen wie sonst (rund 2 Millionen Franken, Anm. d. Red.). Im Zielbereich fielen ohne Tribünen einige Ausgaben weg. Andererseits kann man so auch keine Wertschöpfung generieren. Auf der Ausgabenseite haben wir trotzdem etwa die Spesen der Teams für Reisen und Unterkünfte. Ob wir ein zusätzliches Defizit machen oder nicht, kann ich im Moment nicht abschätzen.
Werden Sie finanzielle Einbussen durch die Absagen haben?
Das wird dann aus der Abrechnung hervorgehen. Die Rennen sind für solche Fälle teilweise versichert. Deshalb haben wir diesbezüglich eine gewisse Sicherheit.
Gab es für Sie auch einen positiven Aspekt an diesem Wochenende?
Unser Team hat hervorragend auf die neue Situation mit der Coronakrise reagiert, wir konnten das gemeinsam meistern. Auch die sehr positiven Reaktionen seitens der Verbände, der Teams, der Trainer und Medien waren eine grosse Befriedigung für das gesamte OK-Team.
Seit 21 Jahren arbeiten Sie für den Weltcup in St. Moritz. Haben Sie ein solches Wochenende schon einmal erlebt?
Ich war insgesamt bei 58 Weltcup-Rennen dabei. Als OK-Präsident und zwischenzeitlich in der Rennleitung. Erst einmal habe ich erlebt, dass wir gar kein Rennen durchführen konnten. Aber damals hatten wir nicht zuviel, sondern überhaupt keinen Schnee.
Der gebürtige Berner Oberländer Martin Berthod ist Verwaltungsrat von Engadin Tourismus und Mitglied des Gemeindevorstandes von St. Moritz. Seit 1981 organisiert der 67-Jährige Veranstaltungen in St. Moritz. Unter anderem war Berthod für die Rennorganisation der beiden Ski-Weltmeisterschaften 2003 und 2017 verantwortlich.