18 Jahre jung und auf rasantem Sprung zur grossen Karriere: Pierandrea Müller meint es ernst mit seiner persönlichen Vorgabe: «Ich will einmal einer der Weltbesten sein.»
Am Abend, bevor er sich die Bettdecke überschlägt, fotografiert Pierandrea Müller seine Ziele schon fast ritualistisch in den Kopf: «Wenn du es willst, wenn du daran glaubst – dann wird es wahr», beschwört er. Der junge Mann aus St. Niklausen, nah bei der Stadt Luzern gelegen, ist Polospieler. Philipp Müller, der Vater, Unternehmer aus der Schienenlogistik-Branche und selber Hobby-Polospieler, streckt vor, was diese nicht ins Portemonnaie Jedermanns passende Sportart verschlingt: «Dafür bin ich enorm dankbar», sagt Pierandrea Müller, «ohne diese väterliche Hilfe könnte ich meine Passion für den Polosport nie und nimmer ausleben.» Der Papa indes, der verknüpft den Sukkurs auch mit einer unmissverständlich formulierten Auflage: «Zuerst kommt die schulische Ausbildung, danach der Sport.»
Erwähnt sei: Ein Polo-Pferd der stärkeren Klasse ist schon mal 20000 bis 30000 Franken wert, auch wenn dies im Vergleich zu einem guten Springpferd oder Dressurpferd keine übertriebene Dimension darstellt. An grossen Turnieren, die der aufstrebende St. Niklauser bestreitet, stehen indes schon mal deren sechs im Einsatz: «Weil die Kadenz in diesen 60 Spielminuten enorm hoch ist.»
Pierandrea Müller ist nicht nur polo-, sondern polysportiv. Ob Golf (Rang 5 an der Schweizer U12-Meisterschaft), Eishockey, Ski, Tennis oder Skeleton – der nimmersatte junge Sportler stellte immer seinen Mann. Tat sich schwer, zu entscheiden, wo er hängen bleiben soll – bis vor drei Jahren ein Kollege den entscheidenden Steilpass gab: «Lass uns einmal Polo spielen.» Gesagt, getan: «Das Probetraining in England war, auch wenn ich bei dieser Premiere einen fürchterlichen Sturz zu verdauen hatte, wegweisend.» Um bei der Terminologie des wichtigsten Polo-Bestandteiles, dem Pferd, zu bleiben: Der Hafer hatte den polysportiven jungen Mann damals gestochen.
Pierandrea Müller begann seine Künste beim Polo Club Zug und bei Legacy in Birrfeld zu verfeinern, schuf sich in Argentinien, England und Spanien ins erweiterte Polo-Einmaleins ein und tastete sich bei John Horswell, einem weltweit hoch geachteten Trainer, langsam, aber stetig an jene Qualität heran, die es bedarf, um beim Dubai Polo Team in die Kränze zu kommen. «Das ist eine hohe Ehre für mich.»
Und ein Quantensprung. «Das Dubai Polo Team ist eine gute Referenzadresse», erklärt Pierandrea Müller, der mit durchaus berechtigtem Stolz darauf hinweist, dass er es innerhalb eines Jahres geschafft hat, sein Handicap von –1 auf +1 entscheidend zu korrigieren. Der junge Kantonsschüler durfte sich letzthin am 22 Goal Turnier in England, einem der drei höchst kotierten, mit Pablo MacDonough packende Zweikämpfe liefern – und der wird immerhin als Nummer 3 der globalen Szene gehandelt.
Die Nummer 1 ist und bleibt wohl vorderhand Adolfo «Dolfi» Cambiaso. Der Argentinier mit Handicap +10, der höchsten Einstufung, ist 44 Jahre alt – und weist man Pierandrea Müller darauf hin, dann sagt der junge Mann nichts anderes als: «Und? So lange will ich auch auf dem Pferd sitzen.» Und zwar erfolgreich. Dafür tut Pierandrea Müller alles. «Polo», sagt Pierandrea Müller, «das ist mein Elixier. Dafür lebe ich.» In gut einem Jahr wird er an der Kantonsschule Alpenquai in Luzern die Matura in Stein meisseln, dann geht’s ab nach Argentinien. Fürs Studium in Richtung Wirtschaft, aber auch für das riesige Erlebnis, dort, im Mekka des Polosports, noch näher an die Weltspitze heranzurücken.
Neun von zehn weltweit ausgezeichneten Akteuren dieser Sportart mit Handicap +10, also dem absoluten Maximum, leben in diesem Pferdesport verrückten Land. «Das will ich einfach erleben», schwärmt er, «dafür tue ich alles.» Zum Beispiel? «Manchmal ergibt es sich, dass ich den Bezug zur Zeit verliere und auf dem Trainingsgelände in Zürich auch mal fünf oder sechs Stunden auf dem Pferd sitze. Nichts anderes tue, als Schläge zu üben, den Umgang mit diesem Werkzeug zu perfektionieren.» Wie es, um nochmals einen Bogen nach Argentinien zu schlagen, Lionel Messi, weltbester Fussballer, in jungen Jahren mit dem Lederball auch getan hat. «Polo», sagt Pierandrea Müller, «das ist mein Elixier. Dafür lebe ich.»
Pierandrea Müller ist ein Weltenbummler. Etliche Flugkilometer mit Anflug auch auf die High Society. So brennt am Schluss unseres spannenden Gesprächs über eine spezielle Sportart, über Tugenden wie Mut, Durchsetzungskraft und Leidenschaft, welche der Polo-Senkrechtstarter für sich in Anspruch nimmt, eigentlich nur noch eine Frage auf der Zunge: «Sind Sie privilegiert?» Pierandrea Müller sagt mit entwaffnender Leichtigkeit: «Ja. Aber ich nutze diese Chance und investiere alles für den Erfolg in der Schule und im Sport.» Und: «Ich bin ein guter, junger, aufgestellter Typ. Sehr ehrgeizig, manchmal auch ein bisschen zu streng mit mir selber. Ich bin kein Griesgram, aber freundlich, offen für den Kontakt mit anderen Leuten.» Also: Einer wie jeder andere in seinem Alter. Einfach mit einer ganz speziellen Passion.