Dreifach-Erfolg, historische Schwimm-Medaillen und Gold-Schuss: Das sind die Schweizer Medaillengewinner in Tokio

Olympische Spiele 2020
Dreifach-Erfolg, historische Schwimm-Medaillen und Gold-Schuss: Das sind die Schweizer Medaillengewinner in Tokio

Vom 23. Juli bis 8. August fanden die um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele von Tokio statt. Für die Schweiz waren es mit 13 Medaillen (3 Mal Gold, 4 Mal Silber, 6 Mal Bronze) die erfolgreichsten Sommerspiele seit 1952 in Helsinki. Das sind die Schweizer Medaillengewinner – und ihre Geschichten.

Simon Häring, Tokio
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Belinda Bencic, Tennis: Gold und Silber

Mit Gold im Tennis-Einzel und Silber im Doppel an der Seite von Viktorija Golubic ist Belinda Bencic eine der grossen Figuren im Schweizer Team bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Mit Gold im Tennis-Einzel und Silber im Doppel an der Seite von Viktorija Golubic ist Belinda Bencic eine der grossen Figuren im Schweizer Team bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Peter Klaunzer / KEYSTONE

Belinda Bencic krönt in Tokio ihre Karriere mit Gold im Einzel und Silber im Doppel an der Seite von Viktorija Golubic. Nach Marc Rosset 1992 in Barcelona ist sie die zweite Schweizerin, die bei sich über Einzel-Gold freuen darf. Etwas, das Roger Federer und Martina Hingis verwehrt blieb. Deshalb sagte Bencic: «Diese Medaille ist auch für Roger und Martina.» Neben der Schützin Nina Christen und der Dressurreiterin Christine Stückelberger ist Bencic zudem eine von nur drei Schweizerinnen, die an denselben Sommerspielen mehr als eine Medaille gewinnen konnte.

Nina Christen, Schiessen: Gold und Bronze

Nina Christen gewinnt bei den Olympischen Spielen in Tokio gleich zwei Medaillen: Gold im Dreistellungsmatch mit dem Kleinkalibergewehr und Bronze mit dem Luftgewehr.

Nina Christen gewinnt bei den Olympischen Spielen in Tokio gleich zwei Medaillen: Gold im Dreistellungsmatch mit dem Kleinkalibergewehr und Bronze mit dem Luftgewehr.

Alex Brandon / AP

Die Schützin Nina Christen schreibt Schweizer Sportgeschichte: Gold im Dreistellungsmatch mit dem Kleinkalibergewehr und Bronze mit dem Luftgewehr über 10 Meter gleich in der ersten Medaillenentscheidung bei den Olympischen Spielen in Tokio. Die 27-jährige Nidwaldnerin ist damit die erste Schweizerin, die an denselben Sommerspielen zwei Medaillen in Einzeldisziplinen gewonnen hat und erst die siebte weibliche Schweizer Olympiasiegerin bei Sommerspielen - neben Jolanda Neff, Belinda Bencic, Nicola Spirig, Brigitte McMahon, Christine Stückelberger und Hélène de Pourtales. Die Schweiz hat im Schiessen nun 23 Medaillen gewonnen, gleich viele wie im Reiten. Nur im Turnen (49) und Rudern (24) gab es noch mehr Medaillen.

Jolanda Neff, Mountainbike: Gold

Zwei Jahre nach einem schweren Trainingssturz steht Jolanda Neff ganz oben: Gold im Mountainbike bei den Olympischen Spielen.

Zwei Jahre nach einem schweren Trainingssturz steht Jolanda Neff ganz oben: Gold im Mountainbike bei den Olympischen Spielen.

Christian Hartmann / X90079

Sie war Weltmeisterin, Europameisterin und gewann den Gesamtweltcup, nun krönt sich Jolanda Neff im Mountainbike-Rennen der Frauen mit über einer Minute Vorsprung auf Teamkollegin Sina Frei zur Olympiasiegerin. Erst zwei Mal hatten drei Schweizer alle drei Medaillen bei Olympischen Spielen gewonnen, letztmals 1936. Aber noch nie war das einem Frauen-Trio gelungen. Neff hatte sich am Weihnachtstag 2019 bei einem Sturz im Training einen Milzriss, Rippenbrüche und zugezogen und später auch noch einen Lungenkollaps erlitten. Nun gehört die Ostschweizerin zum Kreis von nur sieben Schweizer Olympiasiegerinnen bei Sommerspielen.

Viktorija Golubic, Tennis: Silber

An der Seite von Belinda Bencic freut sich Viktorija Golubic über Silber im Tennis-Doppel.

An der Seite von Belinda Bencic freut sich Viktorija Golubic über Silber im Tennis-Doppel.

Du Yu/Freshfocus / Zuma/Xinhua

Vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro war die Zürcherin nachnominiert und für das Doppel vorgesehen gewesen, war dann aber überzählig, nachdem Belinda Bencic wegen einer Verletzung im letzten Moment hatte absagen müssen. Diesmal verdiente sich Viktorija Golubic das Aufgebot mit dem Vorstoss in die Wimbledon-Viertelfinals. Im Einzel scheiterte sie in der zweiten Runde an Topfavoritin Naomi Osaka, doch im Doppel erreichten Golubic und Belinda Bencic den Final, wo sie allerdings dem an erster Stelle gesetzten Weltklasse-Doppel Krejcikova/Siniakova unterlagen und Silber gewannen. In der ersten Runde hatten sich Bencic und Golubic erst im Matchtiebreak durchgesetzt, und in der dritten Runde hatten sie gegen das spanische Duo sogar einen Matchball abgewehrt.

Sina Frei, Mountainbike: Silber

Auf dem Weltcup-Podest war Sina Frei noch nie gestanden, bei ihren ersten Olympischen Spielen gewinnt sie die Silbermedaille.

Auf dem Weltcup-Podest war Sina Frei noch nie gestanden, bei ihren ersten Olympischen Spielen gewinnt sie die Silbermedaille.

Peter Klaunzer / KEYSTONE

Die zweifache Junioren-Weltmeisterin belegte im Gesamtweltcup zwar den vierten Rang, in einem Einzelrennen war sie aber noch nie auf dem Podest gestanden. Nun liess die 1,54 Meter kleine Sina Frei auf der letzten Runde Teamkollegin Linda Indergand stehen und gewann Silber. Danach sagte die 24-Jährige: «Dass mir das gleich bei meinen ersten Olympischen Spielen gelingt, ist unbeschreiblich. Und dass ich mit drei Teamkolleginnen auf dem Podest stehen kann, ist das Tüpfelchen auf dem i.»

Mathias Flückiger, Mountainbike: Silber

Er wollte Gold, am Ende wurde es Silber: Weltcup-Dominator Mathias Flückiger sorgt für die erste Medaille eines Schweizer Mannes.

Er wollte Gold, am Ende wurde es Silber: Weltcup-Dominator Mathias Flückiger sorgt für die erste Medaille eines Schweizer Mannes.

Laurent Gillieron / KEYSTONE

Er reiste mit der Referenz von zwei Siegen in den letzten beiden Weltcup-Rennen vor den Olympischen Spielen nach Tokio und mit einem klaren Ziel: Gold. Wenn er kein Pech habe und keine groben Fehler mache, sei er unschlagbar. Ab Rennhälfte bildete Mathias Flückiger mit dem Briten Thomas Pidcock das Führungsduo, doch abseits des Schwenkbereichs der Kameras stürzte der Berner, musste abreissen lassen und gewann Silber. Als er die Ziellinie überquert, ist der 32-Jährige enttäuscht und sagt: «Ich habe mein Ziel verpasst. Ich wollte gewinnen.» Der Ärger weicht bald dem Stolz. Und dem Versprechen, 2024 in Paris wieder nach Gold zu greifen.

Marlen Reusser, Zeitfahren: Silber

Bei der letzten Zwischenzeit vor dem Ziel lag sie noch auf dem vierten Rang, am Ende gewinnt Marlen Reusser Silber im Zeitfahren.

Bei der letzten Zwischenzeit vor dem Ziel lag sie noch auf dem vierten Rang, am Ende gewinnt Marlen Reusser Silber im Zeitfahren.

Laurent Gillieron / KEYSTONE

Erst 2017 löste Marlen Reusser ihre erste Radsport-Lizenz – und gewann im gleichen Jahr ihren ersten nationalen Titel. Zwei Jahre lang arbeitete sie noch parallel zum Sport als Assistenzärztin, ehe sie sich für den Profisport entschied und zurück auf den elterlichen Bauernhof in Hindelbank im Emmental zog, um Geld zu sparen. Zwei Jahre später ist die Spätberufene Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen: Silber im Zeitfahren dank eines starken Schlussabschnitts, vor dem sie noch auf Rang 4 gelegen war. Ihre Medaille behielt Marlen Reusser nicht, sondern verschenkte sie an den Nationaltrainer Edi Telser, der auch für die Erfolge von Mathias Flückiger und den Dreifach-Sieg der Mountainbikerinnen mitverantwortlich war.

Anouk Vergé-Dépré & Joana Heidrich, Beachvolleyball: Bronze

Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré gewinnen mit Bronze als erstes Schweizer Frauen-Duo im Beachvolleyball eine Medaille bei Olympischen Spielen.

Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré gewinnen mit Bronze als erstes Schweizer Frauen-Duo im Beachvolleyball eine Medaille bei Olympischen Spielen.

Laurent Gillieron / KEYSTONE

Als zweites Schweizer Beachvolleyball-Duo nach Patrick Heuscher und Stefan Kobel mit Bronze 2004 in Athen gewinnen Anouk Vergé-Dépré und Joana Heidrich eine Medaille bei Olympischen Spielen, als erstes weibliches Duo. Nach der klaren Niederlage im Halbfinal setzte sich das Duo mit 21:19, 21:16 gegen das lettische Duo Graudina/Kravcenoka durch und gewann Bronze. Vergé-Dépré und Heidrich bildeten seit 2017 ein Duo, nachdem ihre Partnerinnen nach den Olympischen Spielen 2016 ihren Rücktritt gegeben hatten. 2018 hatte Heidrich einen Bandscheibenvorfall erlitten und sich am Rücken operieren lassen, im Frühling 2021 war sie an Covid-19 erkrankt, hatte Schüttelfrost, Gliederschmerzen, hohes Fieber und kam auch Monate nach der Genesung noch schnell ausser Atem.

Linda Indergand, Mountainbike: Bronze

Auch Linda Indergand war im Weltcup noch nie auf dem Podest gestanden, aber bei den Olympischen Spielen gewinnt sie Bronze.

Auch Linda Indergand war im Weltcup noch nie auf dem Podest gestanden, aber bei den Olympischen Spielen gewinnt sie Bronze.

Peter Klaunzer / KEYSTONE

Linda Indergand war schon Weltmeisterin in der Cross-Country-Disziplin Eliminator, einer Art Sprintwettbewerb. Im Weltcup stand die frühere Junioren-Weltmeisterin zwar noch nie auf dem Podest, deutete ihre gute Form aber mit einem sechsten und einem siebten Rang in den beiden Weltcup-Rennen vor den Olympischen Spielen an. Dort bildete die Urnerin mit Sina Frei ein Duo, das Jolanda Neff zwar nicht folgen konnte, die Konkurrenz aber in Schach hielt. Linda Indergand gewinnt Bronze und sagt danach: «Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung.»

Nikita Ducarroz, BMX-Freestyle: Bronze

Nikita Ducarroz holt bei der Premiere von BMX-Freestyle bei Olympischen Spielen die Bronzemedaille für die Schweiz.

Nikita Ducarroz holt bei der Premiere von BMX-Freestyle bei Olympischen Spielen die Bronzemedaille für die Schweiz.

Laurent Gillieron / KEYSTONE

Als Kind litt Nikita Ducarroz an Panikattacken, das BMX-Fahren habe ihr «das Leben gerettet», bekannte sie vor den Olympischen Spielen. Weg sind die beklemmenden Momente nicht, auch vor dem Finaldurchgang bei den Olympischen Spielen in Tokio erlebt sie wieder so einen. Aber wenn sie auf dem Bike sitzt, gehört die Romande, in Nizza geboren, in Frankreich und den USA aufgewachsen und in Genf bei den Grosseltern jeweils in den Ferien, fühlt sie sich befreit. Das Resultat? Bronze bei den Olympischen Spielen in Tokio in der erstmals ins Programm aufgenommenen Disziplin.

Jérémy Desplanches, Schwimmen: Bronze

Jérémy Desplanches holt über 200 Meter Lagen Bronze und damit als erst zweiter Schweizer Schwimmer eine Olympia-Medaille.

Jérémy Desplanches holt über 200 Meter Lagen Bronze und damit als erst zweiter Schweizer Schwimmer eine Olympia-Medaille.

Patrick B. Kraemer / EPA

Auf der letzten Bahnlänge fing der Genfer Jérémy Desplanches Daiya Sato noch ab und gewann 0,05 Sekunden vor dem Japaner Bronze über 200 Meter Lagen. Desplanches ist damit erst der zweite Schweizer Schwimmer nach Etienne Dagon 1984 in Los Angeles, der bei Olympischen Spielen eine Medaille gewinnt. Dagon hatte damals über 100 Meter Brust ebenfalls Bronze gewonnen. Noch im Sommer 2020 schien der Exploit illusorisch. Pandemiebedingt hatte Desplanches an seinem Wohnort Nizza während zwei Monaten nicht im Becken trainieren können, verlor dabei nicht nur Muskelmasse, sondern auch 40 Prozent seines Lungenvolumens.

Noè Ponti, Schwimmen: Bronze

Noè Ponti überraschte die Nation mit seine Bronzemedaille über 100 Meter Delfin.

Noè Ponti überraschte die Nation mit seine Bronzemedaille über 100 Meter Delfin.

Patrick B. Kraemer / EPA

Ein Tag nach Jérémy Desplanches schwamm Noè Ponti über 100 Meter Schmetterling in 50,76 einen Landesrekord und sicherte sich sensationell Bronze. Es ist die dritte Medaille eines Schweizer Schwimmers bei Olympischen Spielen seit 1896, aber bereits die zweite in Tokio. Der erst 20-jährige Tessiner sagte danach: «Jérémys Medaille hat mir geholfen. Wir sind wie eine grosse Familie. Nach dem Halbfinal wollte ich losweinen. Dann habe ich gesagt, einen Tag noch, dann kannst du dich gehen lassen. Ich bin glücklich und möchte allen danken die mich unterstützt haben.»

Beitrag: Silja Hänggi