EHC Kloten
Martin Gerbers Auferstehung nach dem Dialog mit der Bierflasche

Torhüter Martin Gerber hext Kloten gegen die ZSC Lions zum grandiosen 2:1-Sieg im Hallenstadion. Und lässt damit seine eigenen Fans verstummen, die ihn zuletzt im Heimspiel harsch kritisiert hatten.

Klaus Zaugg
Drucken
Klotens Torhüter Martin Gerber hielt fast alles und rehabilitierte sich somit im Zürcher Derby, für die zuletzt schwache Leistung.

Klotens Torhüter Martin Gerber hielt fast alles und rehabilitierte sich somit im Zürcher Derby, für die zuletzt schwache Leistung.

Keystone

Nehmen wir einmal an, Kloten hätte nach dem 5:6 n. V. gegen Davos am letzten Dienstag einen ausländischen, einen 42-jährigen ehemaligen NHL-Torhüter engagiert. Mit dem frei erfundenen Namen John Nogoal. Jedermann hätte für diese Massnahmen Verständnis gehabt. Martin Gerber ging nach der Niederlage mit einer kläglichen Fanquote von 78,57 Prozent vom Eis. Und am 3. September ist er schon 42 geworden.

Was also würde der Chronist jetzt, nach dem grandiosen 2:1 im Hallenstadion, notieren? Er würde schreiben, da habe man wieder einmal gesehen, was ein guter Torhüter ausmache. Die Ruhe, die Erfahrung des neuen Goalies habe die ganze Mannschaft verändert. Kein Wunder: einer wie John Nogoal, der Stanley-Cup-Sieger und WM-Finalist war, der in Schweden eine Meisterschaft gewonnen habe, verlerne sein Handwerk nie.

Aber bei Kloten stand kein neuer Ausländer im Tor. Es war immer noch Martin Gerber. Er hat sich bei der Fangquote von 78,57 auf 97,22 Prozent verbessert. Wahrscheinlich die grösste Steigerung, die seit der Erfassung der Goaliestatistik je gelungen ist. Er darf, ja muss als Vater des Sieges bezeichnet werden.

Der besondere Mentaltrainer

Nach dem Spiel wirkt der Emmentaler so, als habe er eine ganz gewöhnliche Partie gespielt. Er lobt die Mannschaft. «Wir haben von allem Anfang an gut gespielt und meine Vorderleute haben mir sehr geholfen und es mir leicht gemacht, ins Spiel zu kommen.» Jemand will wissen, ob er nach der Niederlage gegen Davos, als die Fans sogar in Sprechchören seine Auswechslung gefordert hatten, einen Mentaltrainer oder Psychiater aufgesucht habe. «Nein, es sei denn, sie bezeichnen eine Bierflasche als Mentaltrainer.»

Er habe einfach in aller Ruhe ein Bierchen getrunken. Martin Gerber ist eben kein Mann der grossen Worte und Gesten. Der Dialog mit der Bierflasche hat geholfen und er personifiziert das, was der Dichter Conrad Ferdinand Meyer (1825 bis 1898), ein Zürcher (!), einst als «unbestürzbares Berner Gesicht» bezeichnet hat. Trainer Pekka Tirkkonen rühmte Martin Gerber als grossen Kämpfer.

Sportchef Pascal Müller kann nun den Sonntag etwas ruhiger verbringen. Torhüter Luca Boltshauser (23) hat sich am Freitag in der Partie gegen Ambri (3:4 n. V.) praktisch mit der letzten Aktion des Spiels eine Knieverletzung zugezogen und fällt sechs bis acht Wochen aus. «Wir schauen jetzt erst einmal, wie Martin Gerber spielt. Wir spielen ja nur mit drei Ausländern und haben im Notfall auch die Möglichkeit, einen ausländischen Goalie zu verpflichten.» Das war seine Aussage vor dem Spiel. Nun, da Martin Gerber wieder so gespielt hat wie ein Stanley-Cup-Sieger und WM-Finalist, eilt es nicht so mit einem Ersatz.

Die ZSC Lions haben sechs der letzten acht Derbys verloren und sie zelebrierten gestern ein akademisches, emotionsloses schwedisches Systemhockey. Das machte es den bissigen, mutigen, rechen, disziplinierten und kecken Klotener einfacher.

Wir nähern uns wieder den Zeiten, als Siege der Stadtzürcher gegen ihren Erzrivalen so selten waren, dass der legendäre ZSC-Sportchef und Fifa-Mediengeneral Guido Tognoni nach einem Derby-Sieg gegen Kloten voller Stolz Krawatten herstellen liess. Damals hiess der Klub EHC Kloten – und so heisst der Klub seit dieser Saison auch wieder.

Gerber mit einem Comeback wie Lazarus, Siege im Hallenstadion wie zu den Zeiten, als der EHC Kloten noch eine Dynastie war mit vier Titeln zwischen 1993 und 1996 – nur ein Omen war gestern kein gutes. Letzte Saison gratulierte Klotens damaliger kanadischer Besitzer William Bill Galacher nach einem Sieg im Hallenstadion überschwänglich in der Kabine. Nach dem gestrigen Sieg gratulierte Klotens Besitzer – jetzt der Eidgenosse Hans-Ulrich Lehmann – erneut in der Kabine.