Gschobe
Liebes Russland, auf deine Gesundheit – Na Sdorowje

Sie stammen aus dem gleichen Dorf im Appenzellerland, sind zwischen 45 und 48, treffen sich einmal pro Woche und jassen oder spielen Boule. Pius, Qualitätsmanager, Appenzell David, Lehrer, Speicher AR, Tobias, Consultant, Zürich, Flavio, Sozialarbeiter, Kirchberg SG und François, Journalist, Windisch.

François Schmid-Bechtel
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Symbolbild

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Keystone

François: Wahnsinn. Vor neun Wochen waren wir frohen Mutes, weil Russland von den olympischen Winterspielen ausgeschlossen wurde. Wir feierten unseren Alt-Bundesrat Samuel Schmid für seinen Mut, sich mit den Russen anzulegen. Wir haben gejubelt, weil wir glaubten und hofften, die Welt des Sports würde von nun an eine gerechtere. Wir schrieben schon die Stunde null. Und nun erleben wir mit der Rehabilitation von 28 Dopingsündern das grösste Debakel in der Geschichte des Sports.

Tobias: Eigentlich war es naiv zu glauben, die russischen Sportler würden gesperrt bleiben. Dafür ist Russland zu reich, zu mächtig.

David: Mag sein. Aber arm ist, wer die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verliert.

Tobias: Ich lache mich kaputt. Wie willst du an das Gute glauben, wenn weltweit bloss ein Prozent aller Dopingproben verdächtige Werte aufweisen? Dabei aber nicht mal in allen Fällen eine Sanktion ausgesprochen wird. Nein, vergiss es. Der Sport ist verseucht.

François: Wir verlieren keine Hoffnungen, wir tauschen sie nur aus.

Pius: Trotzdem: Ich hoffe auf einen Olympia-Boykott aller Nationen, die sich nun betrogen fühlen. Stellt euch vor: Es ist Olympia und die Russen sind alleine da.

Flavio: Aber dann wärmen die Nordkoreaner zusammen mit den Russen ihre Hände an der olympischen Flamme, weil sie nichts vom Boykott mitgekriegt haben. Das wäre blöd.

Tobias: Und die Südkoreaner sind auch da, weil Olympia bei ihnen zu Hause stattfindet und sie sich den Brüdern und Schwestern aus dem Norden annähern wollen.

Flavio: Und die Amerikaner sind auch da. Denn irgendeiner muss doch die Nordkoreaner beaufsichtigen.

David: Und wenn die Amerikaner da sind, kommt die ganze Welt. Jetzt, wo Donald Trump den Wirtschaftsmotor anschmeisst, will niemand abseitsstehen – siehe WEF.

Pius: Also müssen wir die Hoffnung auf einen Boykott begraben.

Tobias: Natürlich müssen wir das. Ebenso wie wie wir die Hoffnung auf sauberen Sport begraben müssen. Weil Interesse an sauberem Sport nur jene Menschen haben, die nicht relevant sind – Zuschauer und Statisten wie wir. Die Ironie der Geschichte: Wir bleiben dran. Egal, wie offensichtlich geschmiert, betrogen und getrickst wird.

Flavio: Bla, bla. Den Spiegel kann ich mir selbst vors Gesicht halten.

Pius: Leute, vielleicht müssen wir die Hoffnung auf saubere Olympische Spiele begraben. Aber nicht jene auf eine spannende Fussballmeisterschaft.

Tobias: Ist veryoungboysen noch nicht bis Appenzell vorgedrungen?

David: Apropos veryoungboysen. Da sind die Young Boys neuerdings in bester Gesellschaft.
Das Internationale Olympische Komitee hat es in der Russland-Affäre wie YB in früheren Meisterrennen auch vergeigt. Obwohl das IOC von Grigori Rodtschenkow, dem früheren Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, mit Insider-Informationen versorgt wurde.

Pius: Vielleicht ist Rodtschenkow ein trojanisches Pferd.

David: Ein Schelm, wer eine Parallele zu YB und seinem Goalie Marco Wölfli sieht.