Leichtathletik
Doktor und Europameister an einem Tag? – Wie Kariem Hussein Spitzensport und Medizin-Studium unter einen Hut bringt

Am Freitagabend beim Diamond-League-Auftakt in Doha beginnt für den Schweizer Hürdenläufer Kariem Hussein eine ausserordentliche Saison. Wie er den Spagat zwischen Medizin-Studium und Spitzensport schafft? «Keine Ahnung. Ich mache es einfach.»

Rainer Sommerhalder
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Kariem Hussein startet am Freitag in die neue Saison

Kariem Hussein startet am Freitag in die neue Saison

KEYSTONE/WALTER BIERI

Es sind spannende Zeiten für Kariem Hussein. Sportlich mit dem Trainerwechsel von Flavio Zberg zu Laurent Meuwly und dem primären Ziel, die eigene Bestzeit über 400 m Hürden zu verbessern. Beruflich mit dem Abschluss des Medizinstudiums im Spätsommer. Und als Saisonhöhepunkt wartet die EM in Berlin. Für den Europameister von 2014 in Zürich sowieso stets ein mit aussergewöhnlichen Erinnerungen verbundener Wettkampf.

Doch einen Haken hat die wunderbare Perspektive. Die Termine der schriftlichen Abschlussprüfungen an der Uni Zürich: Dienstag, 7. August von 8.00 bis 12.30 Uhr und Donnerstag, 9. August, von 8.00 bis 12.30 Uhr. Zum Vergleich: Der EM-Halbfinal über 400 m Hürden ist am 7. August um 19.55 Uhr und der Final am 9. August um 20.15 Uhr.

Und vor allem wäre da noch Kariem Husseins ziemlich verrückte Idee. Der 29-jährige Thurgauer möchte tatsächlich beide Herausforderungen zeitgleich bewältigen. Quasi Doktor und Europameister an einem Tag. «So hätte ich quasi einen emotionalen Peak», begründet Hussein seine Überlegungen.

Er klärt derzeit ab, ob es möglich ist, die Prüfungen von Berlin aus abzulegen. Naheliegender und letztlich wohl auch realistischer wäre es, die Uni-Termine zu verschieben, schliesslich könnte er zur Prüfungszeit theoretisch auch krank im Bett liegen.

Aber wehe, wenn sich Kariem Hussein etwas in den Kopf gesetzt hat. Mag es noch so utopisch klingen. Diese gewisse Spontanität ist vielleicht der ägyptischen Herkunft seines Vaters geschuldet.

Auch der Trainerwechsel im letzten Spätherbst kam für alle Beteiligten ziemlich unmittelbar. Und die Frage, wie er die für ihn neue geografische Distanz zwischen ihm (Standort Zürich) und dem Trainer (Lausanne) im täglichen Training lösen will, beantwortet er mit der Anmerkung: «Das sehen wir dann, bisher stellte sich die Frage noch nicht.»

Bisher verbrachte er die gemeinsame Zeit primär in drei dreiwöchigen Trainingslagern in Südafrika. Als Hahn im Korb, da Meuwlys Gruppe rund um Langhürdlerin Lea Sprunger fast nur aus Frauen besteht. Wie fühlt sich das an, Kariem Hussein? «Es ist anders, es ist lustig.»

Hürden-Europameister Kariem Hussein.

Hürden-Europameister Kariem Hussein.

Erstes Rennen seit August

Auch wenn er aufgrund einer im Januar in Südafrika erlittenen Muskelzerrung während Wochen im Training eingeschränkt war, zieht Hussein ein positives erstes Fazit des neuen Umfelds. Die Inputs seien anders, ein Schwerpunkt liege bei der Sprinttechnik, man lege ein Augenmerk auf einen raschen Start, und mit aussergewöhnlich vielen Einsätzen auf höchster Stufe bei Diamond-League-Meetings (insgesamt sechs) wolle man bewusst an seiner Wettkampfhärte feilen.

Für sein erstes Rennen seit Weltklasse Zürich Ende August letzten Jahres darf man morgen Freitag in Doha von Kariem Hussein noch keine Wunderdinge erwarten. Erstens ist der 29-Jährige erst seit Kurzem wieder voll im Training und der geplante Formhöhepunkt für Berlin noch weit entfernt, andererseits sind viele Konkurrenten im Aufbau bereits Wochen voraus, weil sie mit den Commonwealth Games Mitte April in Australien bereits einen Grossanlass hinter sich haben. Es geht vor allem darum, den Rennrhythmus rasch wieder zu finden.
Freude verspürt Kariem Hussein nicht nur darüber, dass es mit den Wettkämpfen losgeht.

Kariem Hussein.

Kariem Hussein.

KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Auch das nahende Ende des Studiums weckt in ihm Gefühle. «Ich habe mich noch nie so auf eine Prüfung gefreut», sagt er im Hinblick auf den Abschluss.

Er lerne derzeit so viel wie noch nie in seinem Studium. Die Frage, wo er denn neben der Karriere als Spitzensportler die Zeit dafür hernehme, erwidert Kariem Hussein mit einer für ihn typischen Antwort: «Keine Ahnung, ich mache es einfach.»

Spitzensportler Kariem Hussein lernt derzeit in seinem Studium so viel wie noch nie – wo er die Zeit dafür hernimmt, weiss er nicht.Keystone

Spitzensportler Kariem Hussein lernt derzeit in seinem Studium so viel wie noch nie – wo er die Zeit dafür hernimmt, weiss er nicht.Keystone

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