Sie stammen aus dem gleichen Dorf im Appenzellerland, sind zwischen 45 und 49, treffen sich einmal pro Woche und jassen oder spielen Boule. Pius, Qualitätsmanager, Appenzell; David, Lehrer, Speicher AR; Tobias, Consultant, Zürich; Flavio, Sozialarbeiter, Kirchberg SG; François, Journalist, Windisch.
Pius: Was hat das Scheitern von Red Bull Salzburg in der Champions-League-Qualifikation mit Ostern gemein?
Flavio: Ich weiss nicht.
Pius: Es fällt jedes Jahr auf ein anderes Datum: Aber man hat die Gewissheit, dass es kommt.
Flavio: Meinst du, die Häme ist nach elf erfolglosen Qualifikationen in Serie angebracht?
Pius: Warum nicht? Der nächste Winter kommt bestimmt. Und damit auch die immer wiederkehrenden Bilder von Marcel Hirscher zuoberst auf dem Stockerl. Während wir Schweizer wie bedeppert zu ihm hochschauen.
François: Man kann es auch so sehen. Vor mehr als zehn Jahren hat Red Bull die Austria aus Salzburg übernommen. Mit allem Drum und Dran: Neuer Name, neues Logo, neue Vereinsfarben, neues Gründungsjahr, neue Ausrichtung. Seither hängt der Ruf des Retortenklubs wie ein Damoklesschwert über den Bullen. Viele der alten Fans reagieren verbittert. Sie werfen Red Bull vor, die Tradition mit Füssen zu treten, den Klub in ein seelenloses Gebilde zu verwandeln.
Tobias: Ein Klub ohne Geschichte und Archiv?
François: Ja, so hat sich Red Bull Salzburg selbst definiert. Das rief viele alte Austrianer auf den Plan, die Tradition am Leben zu erhalten und einen Alternativ-Klub zu gründen. Respektive Austria Salzburg nicht sterben zu lassen.
David: Schön und gut. Aber man kann Red Bull Salzburg nicht mehr vorwerfen, es würde sich um Traditionen foutieren.
François: Das versteh ich jetzt nicht.
David: Ist etwa elfmal hintereinander scheitern nicht traditionell? Und es ist ja nicht so, dass sie sich bislang keine Mühe gegeben hätten, diese Tradition zu pflegen. Sind sie nicht einmal sogar gegen ein luxemburgisches Team gescheitert?
François: Stimmt. Höchste Zeit also, veryoungboysen durch versalzburgen zu ersetzen.
Flavio: Übrigens: Gegen wen ist Salzburg dieses Mal gescheitert?
Pius: Gegen Roter Stern Belgrad. Und das, obwohl Salzburg bis weit in die zweite Hälfte mit 2:0 geführt hat. Aber dann schoss der Rote Sterninnerhalb von zwei Minuten zwei Tore.
David: Ein Zeichen von ganz oben? Der rote Stern gilt ja als Symbol für eine sozialistische Weltanschauung. Der rote Stern soll den Menschen metaphorisch den Weg in die klassenlose Gesellschaft leuchten. Vielleicht sollte sich der rote Bulle mal darüber Gedanken machen.
Tobias: Liegt bei dir etwa «Das Kapital» von Karl Marx auf dem Nachttisch?
David: Nein. Natürlich ist Fussball heute vor allem eines: Big Business. Aber es gibt Klubs, die wenigstens ein Mindestmass an Werten leben, die sie früher mal ausgezeichnet haben.
Pius: Ja, da könnten die Salzburger etwas von uns Innerrhodern lernen.
Tobias: Nachhilfe in Tradition wegen der antiquierten Landsgemeinde?
Pius: Zum Beispiel. Aber ich denke in diesem Zusammenhang auch an den Aescher.
Flavio: Was hat denn jetzt der Aescher mit Werten und Salzburg zu tun. Sind ja nur noch Hipster aus der Stadt und Touristen aus Übersee dort, seit «National Geographic» diesen Hype ausgelöst hat.
Pius: Wie ihr wisst, hört der Pächter auf. In den Statuten der Stiftung ist festgehalten, dass nur ein Innerrhoder die Beiz führen darf.
Tobias: Also nicht Red Bull Äscher?