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Willi Melliger ist in der Nacht auf Dienstag an den Folgen eines Hirnschlags verstorben. In Erinnerung bleiben wird er als feiner Mensch und Freund, als zielorientierter Spitzensportler und Geschäftsmann. Ein Nachruf von Dagobert Cahannes.
Mit Willi Melliger hat die Reitsportszene wohl einen der ganz grossen Champions verloren. Viele kannten ihn als Weltklassereiter und wussten, dass er auch ein international bekannter und erfolgreicher Pferdehändler war.
Wer das Privileg hatte, mit ihm privat und freundschaftlich verbunden zu sein, wird ihn als feinen Menschen und Freund in Erinnerung behalten. Als Spitzensportler und Geschäftsmann war er sehr zielorientiert. Ja, er konnte auch kantig und robust wirken.
Es gibt nicht allzu viele Reiter, die es so wie Willi verstanden, das Potenzial von Pferden zu erkennen und aus ihnen Weltklassepferde zu formen. Ich habe kaum einen Reiter gesehen, der mit so viel Fleiss mit seinen Pferden arbeitete. Er respektierte seine Tiere genauso wie seine Mitmenschen. Er wusste, dass er seinen Pferden alles zu verdanken hatte.
Wer ihn wirklich näher kennen lernen durfte, lernte Willi als äusserst feinfühligen Menschen kennen. Trotz seiner grossen Erfolge blieb er stets bescheiden. Er war alles andere als ein «Lautsprecher». Die Glamourwelt war nicht die seine. Auftritte auf dem roten Teppich waren selten und er akzeptierte solche Einladungen auch nur dann, wenn es wirklich sein musste.
Willi war auch ein Genussmensch. Einer guten Zigarre war er nicht abgeneigt. Ein feines Essen und ein guter Tropfen Wein gehörten für ihn zur Lebensqualität. Kein Wunder, war eine französische Weinmarke auch eine seiner ersten Sponsoren.
Willi war auch ein Mensch, der enorm grosszügig sein konnte. Aber er hängte diese Grosszügigkeit nie an die grosse Glocke. Mir bleiben zwei Beispiele in bester Erinnerung. Am Vortag des Olympiafinals von 1996 in Atlanta sass er beim Abendessen mit einem Schweizer Journalisten bei einem Café zusammen.
Plötzlich soll er sich bei diesem erkundigt haben, wie hoch denn eigentlich die Medaillenprämien von Swiss Olympic seien. Es waren auf alle Fälle – mit entsprechender Abstufung – etliche tausend Franken. Willi beschloss sofort, dass er im Falle eines Medaillengewinns seine Prämie für einen guten Zweck stiften wolle. Der Journalist möge ihm doch eine entsprechende Adresse besorgen.
Als er anderntags mit seinem Calvaro hinter dem Deutschen Uli Kirchhoff die Silbermedaille in der Einzelwertung gewann, hielt er selbstverständlich Wort. Beim Ausritt aus der Arena traf er den besagten Journalisten und rief ihm – hoch zu Ross – zu, dieser möge sich doch bitte sofort um die entsprechende Adresse kümmern.
Einige Tage nach seiner Einzel-Goldmedaille mit Quinta an den Europameisterschaften 1993 in Gijón sassen wir zusammen bei ihm im Garten in Neuendorf SO, als es an der Haustüre klingelte. Draussen an der Türe stand eine junge Studentin, die für eine soziale Institution auf Geldsuche war.
Willi bat sie herein, offerierte ihr einen Kaffee und liess sich ihr Anliegen vortragen. Der Studentin war der frischgebackene Europameister offensichtlich kein Begriff. Nach kurzem Zuhören unterbrach sie Willi, griff zum Portemonnaie, zog eine Fünfhunderternote hervor und überreichte ihr diese mit dem Hinweis: «Machet öppis Guets dermit.»
Die völlig perplexe Studentin wies ihn darauf hin, dass dies etwas gar viel sei. Melliger erwiderte nur «Mir geits guet und i han letscht Wuche viel Glück gha.» Sie blieb noch ein paar Minuten und fragte nach, woher denn die vielen Pokale und Medaillen stammten. Als sie das Haus verliess, wusste sie dann auch, wer dieser grosszügige Herr war.
Persönlich habe ich Willi zu verdanken, dass ich als Speaker im Reitsport gelandet bin. Seine Silvesterturniere waren legendär. Da durfte ich zum ersten Mal bei einem Reitsportanlass ans Mikrofon. Einen besseren Lehrmeister hätte ich nicht haben können. Keine meiner vielen Fragen hat er mir als Neuling unbeantwortet gelassen.
Lieber Willi, ich danke Dir herzlich für die Freundschaft. Ruhe in Frieden.
Auch die Organisatoren des CSI Zürich trauern um Willi Melliger. Melliger verhalf zusammen mit Calvaro dem Reitsportanlass im Hallenstadion zu seinen erfolgreichsten Jahren.
Urs Theiler, der mit seinem Bruder Rolf das Springreitturnier vor 30 Jahren ins Leben rief, kämpfte gegen die Tränen an, als er am Dienstagmorgen im Rahmen der Medienkonferenz des CSI Zürich die Todesnachricht verkündete.
«Wir sind sehr traurig, auch weil Willi zusammen mit Calvaro die ganz grosse Geschichte des CSI Zürich schrieb», betonte Theiler. «Wir wollten einen Reiter so berühmt machen wie einen Tennisspieler oder einen Fussballer. Aber das gelang nicht.»
Danach sei die Idee aufgekommen, es mit einem Pferd zu versuchen. Die Gebrüder Theiler gingen mit der Botschaft an die Öffentlichkeit, dass der künftige Star, ein Schimmel, in der Schweiz reite, mit Willi Melliger im Sattel. Es war ein Volltreffer.
Alle Puzzle-Teile passten zusammen: Der Besitzer Ernst Bänziger beliess das Pferd bei Melliger, die Pferdepflegerin verrichtete ihre Arbeit perfekt, Calvaro blieb gesund, der Equipenchef bildete ein Team um das Duo Melliger/Calvaro, die Medien spielten mit.
«Die Zeit mit Willi und Calvaro war die goldene Ära des CSI Zürich.» Dank den beiden ging es mit dem Turnier im Hallenstadion nur aufwärts. Später versuchten die Organisatoren, eine Erfolgsgeschichte nach gleichem Muster zu stricken. Ohne Erfolg.