Interview
«Roger Federer hinter mir? Wahnsinn!» – Alex Wilson zu seiner Auszeichnung als Basler Sportler des Jahres

Alex Wilson freut sich über die Auszeichnung als Basler Sportler des Jahres, die er nicht persönlich entgegennehmen kann, da er noch in Teneriffa weilt.

Andreas W. Schmid
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Winkt aus der Ferne: Alex Wilson trainiert in Teneriffa und konnte deshalb nicht bei der Ehrung dabei sein.

Winkt aus der Ferne: Alex Wilson trainiert in Teneriffa und konnte deshalb nicht bei der Ehrung dabei sein.

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Alex Wilson wäre zu gerne an seiner Ehrung zum Basler Sportler des Jahres 2018 mit dabei gewesen, doch seine Ferientage sind schon aufgebraucht. Wilsons Trainer lehnte die vorzeitige Reise in die Heimat ab. So trainierte Alex Wilson gestern auf Teneriffa, statt in der St. Jakobshalle den wohlverdienten Preis für ein sportlich gelungenes Jahr mit Schweizer Rekord und EM-Bronze entgegenzunehmen.

Alex Wilson, herzliche Gratulation zum Basler Sportler des Jahres. Sie haben sogar Roger Federer hinter sich gelassen.

Alex Wilson: Das ist krass. Er hatte ja auch eine sehr gute Saison. Und trotzdem siegt der Wilson. Wahnsinn.

Wollten Sie nicht an der Ehrung dabei sein?

Ich hätte es geliebt! Es ging aber nicht. Als ich erfuhr, dass ich die Auszeichnung erhalte, fragte ich sofort meinen Coach Lloyd Cowan, ob ich ein bisschen früher aus dem Trainingslager hier auf Teneriffa abreisen könne. Seine Antwort war klipp und klar: «Kommt nicht infrage, Alex! Du hast deine Ferientage bereits aufgebraucht! Das Training ist wichtiger.» Dann halt das nächste Mal.

Blicken wir nochmals auf Ihre Saison zurück. Warum ging es dieses Mal so gut auf?

Das Wichtigste war, dass ich verletzungsfrei blieb. Und die Planung war perfekt. Es lief genau so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Mein Coach entschied früh, dass ich mich lieber auf die kleinen Meetings konzentriere, statt regelmässig im grossen Schaufenster der Diamond League zu laufen, wo der Druck viel höher ist. Das war richtig, wie man an der Athletissima in Lausanne sah. Dort kam ich überhaupt nicht auf Touren. «Total egal», beruhigte mich mein Trainer, «uns interessiert nur die EM. Alles andere ist nicht wichtig.»

Und Sie vertrauten Lloyd Cowan bedingungslos?

Ja, voll. Erst recht nach den Schweizer Meisterschaften. Ich war total kaputt dorthin gefahren, dachte vor dem 100-Meter-Final: So, Alex, heute verlierst du. Nach dem Start nahm mir Silvan Wicki sofort drei Meter ab. Doch dann hängte ich den Wilson raus und fing ihn noch knapp ab. Meine Zeit von 10,14 machte mich happy. Ich wusste, dass mein Speed stimmt. Am nächsten Tag über 200 Meter platzte ich fast vor Selbstvertrauen und zeigte das meinen Gegnern. In der Kurve hörte ich meinen Coach schreien: «Alex, hör auf zu spielen!» Also gab ich Vollgas. Der Schweizer Rekord von 20,14 gab mir nochmals einen Schub. Ich dachte: Berlin, ich komme!

Welche Erinnerungen haben Sie an die EM?

Es war einmalig. Schon am Flughafen ging es los. Ich erhielt unglaublich viele Glückwünsche. Ein Mann drückte mir eine Fünfzigernote in die Hand. Mein Coach ging Bier damit kaufen – für sich und die anderen. (Lacht.) Für mich gabs nur ein Rivella blau. Ich dachte mir: Alex, das bleibt nicht das einzige Süsse in den nächsten Tagen!

Der Halbfinal über 100 Meter hinterliess allerdings zuerst einen bitteren Nachgeschmack. Sie verpassten den Final um eine einzige Hundertstelsekunde.

Ja, aber ich war nicht wirklich enttäuscht. Für eine Medaille hätte es sowieso nicht gereicht. Ich sagte mir: Alex, der liebe Gott hat einen Plan mit dir. Ich blieb ruhig. Als ich am nächsten Tag aufstand, fühlte ich mich richtig gut. Zum Frühstück ass ich Pancakes mit Honig. Von meinen Gegnern wusste ich, dass sie Respekt... nein, Angst vor mir hatten. Nachdem ich mich für den Final qualifiziert hatte, schaltete ich mein Handy ein. Es wäre fast explodiert, so viele Nachrichten erhielt ich. Die halbe Schweiz wünschte mir für den Final viel Glück. In der Nacht schlief ich miserabel, mit Kopfschmerzen kam ich ins Stadion. Sofort war alles wie weggeblasen: Ich sah tausende Schweizer Fahnen, Fans mit einem Alex-Wilson-T-Shirt. Ich war so hungrig, so parat und wusste, dass es dieses Mal nicht schiefgehen kann.

Noch in der Kurve sah es aber danach aus.

Ich verkrampfte mich trotzdem nicht, sondern sagte mir: Alex, don’t panic. Auf der Gerade zündete ich den Turbo. Im Ziel war ich mir aber nicht sicher, ob es gereicht hatte. Es herrschte grosse Verwirrung. Den Speaker hörte ich zuerst nicht, dafür viele Kuhglocken. Dann endlich: «Alex Wilson holt Bronze für die Schweiz.» Ich lag nur eine Hundertstelsekunde vor meinem Gegner. Wie sagte ich vorhin? Gott hat einen Plan.

Wie belohnten Sie sich?

Die Genugtuung ist die grösste Belohnung. Es war wichtig, dass ich nicht nur Sprüche klopfen kann. Sondern auch Leistung zeige. In der letzten Saison lief ich fünf Schweizer Rekorde. Jetzt nimmt man mich ernst...

... und kennt Sie. Früher war Alex Wilson für viele nur ein britischer Jazzmusiker.

(Lacht.) Ja, das hat sich geändert. Das merke ich, wenn ich in der Schweiz unterwegs bin. Aber auch im Internet. Ich habe bei Google «Alex Wilson» und «Basel» eingegeben. Was meinen Sie, wie viele Treffer habe ich erhalten?

Ein paar Hunderttausend?

5,5 Millionen. Am Spengler-Cup haben sie mich gefeiert. Das freut mich wahnsinnig.

Was nehmen Sie sich für die neue Saison vor?

Ich möchte sowohl über 100 als auch über 200 Meter meine Leistung bringen – und dabei unter 10 und 20 Sekunden bleiben. Die WM in Doha ist ja erst spät, Ende September. Da ist ein guter Formaufbau wichtig. Nach Teneriffa werde ich in Orlando in Florida trainieren.

Viel Zeit können Sie somit nicht mit Ihrer Familie verbringen.

Leider. Aber es geht nicht anders. Ich sage mir: Alex, du muesch go schaffe!