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Sport (BZ)
Sofie Bachmann startet am Freitag an der Sprint-Europameisterschaft im Orientierungslauf. Dafür arbeitet sie intensiv an ihrer Nervosität. Ihr Trainer rechnet sich viel aus, sofern das Wettkampfglück auf ihrer Seite ist.
Wenn Sofie Bachmann am Start eines Rennens steht, weiss sie erst einmal gar nicht, wohin sie muss. Einzig die Höhenmeter und die Kilometer kennt sie. Wo das Ziel ist und wie sie dorthin gelangt, erfährt sie erst, wenn der Start erfolgt ist. Dann erhält sie eine Karte, darauf eingezeichnet die Posten, die sie finden muss. Die ersten fünf Sekunden läuft sie noch langsamer. Dann weiss sie die Route. Und gibt: Vollgas.
So wird es auch am Freitag sein. Dann steht Bachmann an der Sprint-Europameisterschaft im Orientierungslauf in Neuenburg am Start. Es ist wie ein Sprung ins kalte Wasser. Eineinhalb Jahre gab es wegen der Pandemie keinen internationalen Wettkampf. «Es kribbelt im Bauch, ich spüre Nervosität und Vorfreude», sagt sie. Die 23-jährige aus Reigoldswil ist Teil des Schweizer Nationalkaders. Schon einmal, 2018, war die Studentin bei einer EM dabei.
Als Bachmann von ihrer Nomination für die EM in diesem Jahr erfuhr, war sie erleichtert. Denn ihre Leistung bei den Testläufen enttäuschte sie, weil sie zu viele technische Fehler machte, also zu oft die Posten nicht auf Anhieb fand. Sie kam mit der Situation nicht zurecht, dass sie nach eineinhalb Jahren ohne grossen Wettkampf wieder mal so richtig nervös war. Früher, als Kind, da irrte sie auch mal 30 Minuten im Wald herum, um einen Posten zu finden. Jetzt, wie bei den Testläufen, sind schon fünf Sekunden ein entscheidender Fehler. Vor allem in der kurzen Sprintdisziplin. «Nach diesen Testläufen war ich froh, dass ich überhaupt etwas gekriegt habe», sagt sie. Sie bekam die Nomination für den Knockout-Sprint. Für den klassischen Sprint reichte es nicht.
Der Knockout-Sprint ist eine neue Disziplin, die Bachmann noch nicht wirklich kennt. Sechs Läuferinnen treten jeweils gleichzeitig gegeneinander an, die besten drei pro Lauf kommen im Viertelfinal weiter. Im Halbfinals sind es nur noch die besten zwei. Bachmann nimmt sich die Halbfinalqualifikation vor. Dafür muss sie in der Qualifikation am Freitag erst einmal zu den besten 36 Läuferinnen gehören. «Habe ich einen normalen Lauf schaffe ich das», sagt sie. Ihr Trainer, Thomas Meier, ist zuversichtlich: «Sie ist technisch stark. Mit ein bisschen Wettkampfglück liegt gar der Final drin.» Nur wenn die Strecke läuferisch sei, werde es schwierig, denn eine physische Überfliegerin sei Bachmann noch nicht.
Der Knockout-Sprint im Orientierungslauf ähnelt einer Partie Schach. In einer Sportart, in der man sonst auf sich alleine gestellt ist, hat man plötzlich fünf Gegnerinnen um sich herum. Bachmann spielt verschiedene Szenarien im Kopf durch. Was mache ich, wenn ich an erster Position liege? Was, wenn meine Vorderfrau einen anderen Weg nimmt, als ich beabsichtige? Rennt sie einer, die sich irrt, hinterher, fällt sie zurück. «Durch den direkten Gegnerkontakt gibt es Ablenkung. Ich nehme mir vor, kontrolliert zu laufen», erklärt sie. Also: Ruhig bleiben und den richtigen Moment herausspüren, wann sie einen eigenen Weg gehen muss. Sie entscheidet das instinktiv.
Als Bachmann vor über zehn Jahren einen Flyer sah, der für einen Orientierungslaufkurs warb, dachte sie nicht daran, einmal an einer EM zu starten. Sie, die Naturverliebte, wollte einfach in den Wald und spielen. Ihr gefiel die Sportart: «Kein Lauf ist gleich. Es erwartet mich immer ein neues Gebiet.» An der letzten EM vor drei Jahren wurde sie in der Mitteldistanz starke Zwölfte. Damals rannte sie durch Tessiner Wälder, am Freitag sucht sie in Neuenburgs Gassen die schnellste Abkürzung. Und hofft darauf, dass ihre Gegnerinnen nicht auf die gleiche Idee kommen.
Zur Person
Donnerstag: 16:40 Uhr - Start Sprintstaffel
Freitag: 15:00 Uhr - Start Qualifikation Herren; 15:45 Uhr - Start Qualifikation Frauen
Samstag: ab 13:20 Uhr - Knockout-Sprint Frauen und Herren
Sonntag: ab 13:10 Uhr - Sprint Frauen und Herren