FC Aarau
Mitten im Gästeblock: Der neue FCA-Präsident auf Gratwanderung

Der zukünftige FCA-Präsident Philipp Bonorand steht beim kapitalen Auswärtssieg in Schaffhausen mitten im Fanblock – eine sympathische, aber auch heikle Aktion.

Sebastian Wendel
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Philipp Bonorand inmitten des FCA-Fanblocks in Schaffhausen.

Philipp Bonorand inmitten des FCA-Fanblocks in Schaffhausen.

Sarah Rölli

Obwohl der Lipo-Park nicht einmal zu einem Viertel gefüllt ist, herrscht am vergangenen Samstagabend gute Stimmung im Heimstadion des FC Schaffhausen. Grund dafür: die über 500 Fans des FC Aarau. Als sich die Karawane aus Aarau Richtung Nordostschweiz aufmacht, ist auch Philipp Bonorand dabei.

Philipp Bonorand inmitten des FCA-Fanblocks in Schaffhausen.

Philipp Bonorand inmitten des FCA-Fanblocks in Schaffhausen.

Sarah Rölli

Der 38-jährige Tierfutter-Produzent soll spätestens in einem Jahr Alfred Schmid als FCA-Präsidenten ablösen. Doch vor dem Stadion im Schaffhauser Industriequartier angekommen, folgt Bonorand nicht etwa Schmid und Vizepräsident Roger Geissberger in die VIP-Loge, nein, er biegt ab in den Gittertunnel, der die Aarauer Fans in den Gästeblock führt.

«Ich wurde von einigen Kollegen ermuntert, in Schaffhausen in den Aarauer Fanblock zu kommen», sagt Bonorand, «zudem wollte ich wissen, wie meine Nomination zum neuen Präsidenten bei den treuen Fans ankommt. Die Reaktionen waren durchweg positiv, was mich natürlich sehr gefreut und meine Entscheidung, das Amt anzunehmen, nochmals bestärkt hat.»

Fans wollen Selfie mit Bonorand

Kein Wunder, haben sich die Fans über den Besuch gefreut. Denn «Boni», wie sie ihn nennen, ist einer von ihnen. Er selber sagte vergangene Woche im Interview mit der «Aargauer Zeitung»: «Ich zähle mich zum Aarauer Fussvolk und will die Bindung zwischen Fans und Klub stärken.»

Die Gästesektoren bei Auswärtsspielen und die Stehplatz-Tribüne bei Heimspielen sind für Bonorand alles andere als ungewohntes Terrain. 1996, als 16-Jähriger, gründet er mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten den Fanklub «AffenkastenTequila-Front», kurz «ATF». Damals ist Bonorand an jedem FCA-Spiel anzutreffen, auch zu unbedeutenden Testspielen reist die Gruppe der Mannschaft nach.

«Als Jugendlicher war mein Stammplatz mitten im Pulk der sogenannten Hardcore-Fans.» Im Lauf der Zeit verlagert sich Bonorands Platz im Brügglifeld immer weiter Richtung Totomat, bei Fussballfans verhält es sich wie bei den Jahresringen in Baumstämmen: Die Älteren wandern nach aussen, ihren Platz im Kern übernehmen die Jungen.

So verfolgt Bonorand denn auch in Schaffhausen die Partie abseits der «Szene Aarau», einige Reihen oberhalb des «ATF»-Banners, das am Absperrgitter hängt. Die Reaktionen der Fans, als sie ihn erkennen, sind herzlich, alle beglückwünschen ihn zu seinem Schritt zum Präsidenten. Vor dem Anpfiff fragen sogar drei junge FCA-Fans, ob er mit ihnen für ein Selfie posiere. «Damit habe ich dann doch nicht gerechnet», lacht Bonorand.

«Ich zähle mich zum Aarauer Fussvolk»: Philipp Bonorand (38) will eine engere Bindung zwischen dem FC Aarau und den Fans auf den Stehplätzen. Colin Frei

«Ich zähle mich zum Aarauer Fussvolk»: Philipp Bonorand (38) will eine engere Bindung zwischen dem FC Aarau und den Fans auf den Stehplätzen. Colin Frei

Foto: Colin Frei / Aargauer Zeit

Die heiklen Aspekte der Fan-Nähe

So sympathisch Bonorands Besuch beim «Fussvolk» – die zur Schau gestellte Nähe zu den Fans birgt auch heikle Aspekte. Stichwort Befangenheit: Was, wenn die Fans von «Boni» in Zukunft zum Beispiel eine Trainerentlassung fordern sollten? Oder was, wenn er als Präsident dereinst Sanktionen gegen einzelne Fans beschliessen müsste? Man soll Vorfälle wie am vergangenen Sonntag in Luzern, als sogenannte GC-Fans den Spielabbruch provozierten, nicht heraufbeschwören. Aber auch FCA-Fangruppen sind in der Vergangenheit schon negativ aufgefallen.

Ein Präsident eines professionellen Fussballklubs sollte rational entscheiden, nicht von den Emotionen geleitet oder beeinflusst von Einflüsterern. Droht Bonorand ein Interessenskonflikt? «Ich verstehe Ihre Frage und bin mir dessen sehr wohl bewusst», sagt er. Der Grat zwischen Nähe und Distanz zu den verschiedenen Interessensgruppen sei gerade im Fussballgeschäft schmal. «Doch ich habe keine Bedenken, die Grenze ziehen zu können und auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn sie denn nötig sein sollten. Immer natürlich in Absprache mit den anderen Verantwortlichen – Alleingänge wird es von mir nicht geben.

Fans sind wichtige Interessengruppe

Er sei, so Bonorand, am Samstag auch in den Gäste-Fanblock gegangen, weil es wohl für längere Zeit der letzte Matchbesuch in dieser Form war. «Als Klubverantwortlicher bin ich Ansprechpartner für alle Parteien, also auch für die zahlreichen Gönner und Sponsoren des FC Aarau, für die Medien und für die sportliche Abteilung.

Die Heimspiele werde ich in Zukunft auf der Haupttribüne verfolgen. Aber ich will es nicht ausschliessen, ein bis zwei Mal pro Saison auswärts im Fanblock zu stehen.» Denn wie die Sponsoren, Gönner und Medien seien auch die Fans eine sehr wichtige Interessensgruppe.

FC Schaffhausen-FC Aarau 11.5.19 – die Matchhighlights im Video:

Auch Canepa stand schon im Gästeblock

Er sagt: «Wichtig ist Fingerspitzengefühl. Was sicher ist: Sie werden mich an Spielen nie mitten im Hardcore-Pulk sehen. Eine gewisse Nähe kann aber nicht schaden, in schwierigen Gesprächen mit den Fans wäre das Grundvertrauen gegeben, was nicht zu unterschätzen ist.» Bonorand denkt etwa an den früheren FC-Basel-Präsidenten Bernhard Heusler, der den Dialog mit den Hardcore-Fans als wichtigen Aspekt seiner Rolle bezeichnete.

Auch FCZ-Präsident Ancillo Canepa bezieht die Fans ein, er stand bei Auswärtsspielen auch schon im Gästeblock. In der Bundesliga ist Schalke-Boss Clemens Tönnies ein regelmässiger Gast in der Fankurve. Bonorand: «Ich denke, ein bisschen mehr Nähe zu den Fans würde einigen Präsidenten guttun.»

Beim heutigen Heimspiel gegen Kriens wird man Philipp Bonorand auf der Haupttribüne antreffen. Er freut sich und sagt: «Auf den Sitzplätzen ist es viel einfacher, das Spielgeschehen zu verfolgen als auf der Stehrampe.»