Schwertkunst per Mausklick
Scharfer Nebenjob: Wanzwiler Urs Jäger hat ein ungewöhnliches Hobby

Tagsüber entwickelt er Software, abends oder am Wochenende praktiziert Urs Jäger Kendo. Daneben verkauft er Samuraischwerter an Kunden, die er meist nie zu Gesicht bekommt.

Julian Perrenoud
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Bei Urs Jäger kann der JapanBegeisterte alles finden, was einen echten Samurai ausmacht.

Bei Urs Jäger kann der JapanBegeisterte alles finden, was einen echten Samurai ausmacht.

Julian Perrenoud

Neulich beim Entrümpeln habe ich ein altes Samurai-Schwert entdeckt. Ist es echt oder eine billige Fälschung? Und soll ich es versuchen zu verkaufen oder doch besser behalten? Das Schwert, lang und schwer im hölzern lackierten Schaft steckend, sieht zumindest gut aus. Ich google. Hoffe, einen Händler zu finden, der den Wert schätzen kann. Die japanische Waffe ist zwar weltberühmt, in der Schweiz aber nicht gerade populär. Und trotzdem findet die Suchmaschine zwei Treffer, ein Händler wohnt in Wanzwil BE, in meiner Nachbarschaft.

Der Mann heisst Urs Jäger, und mit seinem sanftmütigen Blick, dem schwarzen Pullover und den blauen Jeans sieht er so gar nicht wie ein Waffenhändler aus. Das ist er auch nicht – zumindest nicht hauptberuflich, obwohl in seinem Keller Schwerter lagern. Hier hat Jäger in den letzten Jahren sein fernöstlich anmutendes Vertriebsbüro aufgebaut. Zwei Zertifikate zeugen vom Kampfgeschick des 45-Jährigen, eines aus dem Jahr 2010, das andere von 1987. Das Zimmer richtete Jäger ganz nach seinem Gusto ein. Am liebsten hätte er dies mit dem ganzen Haus getan: «Aber da hätte meine Frau etwas dagegen», sagt er und lacht. Sie stammt aus der ehemaligen Sowjetunion, ihre beiden gemeinsamen Kinder sprechen sowohl Deutsch als auch Russisch.

Im Alter von 13 Jahren hat sich Jäger in Kendo, der japanischen Schwert- und Stockkunst, versucht, hat hart trainiert und den ersten Dan-Grad erreicht. Viel Disziplin ist bei diesem Kampfsport gefragt – und viel Geduld. Denn wer weiter aufsteigen und sich höhere Grade dazuverdienen will, muss vor allem eines haben: Zeit.

Nach fünf Jahren aber war Jäger nicht mehr geduldig genug. In der Agenda standen plötzlich andere Dinge wie Mountainbike- und Motorradsportrennen. Irgendwann aber hat er zum Kendo zurückgefunden, «es ist mir immer im Hinterkopf geblieben». Jäger ging zum Kendo Club Olten, den er mittlerweile selber leitet, trainierte zweimal die Woche und erreichte den dritten Dan-Grad. Doch etwas hat ihm die ganzen Jahre über gefehlt: Ein Laden, in dem er japanische Schwerter und Kampfsport-Ausrüstung beziehen kann. Am besten im Internet und dann halt selber machen.

Gesagt, getan. Der gelernte Metallbauschlosser und Informatiker erstellte seine Website gleich selbst, danach suchte er nach geeigneten Anbietern, bei denen er die von ihm begehrten Produkte einkaufen konnte. Keine einfache Angelegenheit, denn viele Zwischenhändler sind in China, einige wenige in Deutschland – und die sind wählerisch.

Angefragt hat Jäger viele, mittlerweile hat er vertrauenswürdige Partner in beiden Ländern gefunden. Die Kommunikation sowie Verkaufsabwicklung laufen über Web und E-Mail, die meisten seiner Händler sprach er noch nicht einmal am Telefon. «Ich habe Glück, es sind sehr unkomplizierte Geschäftsbeziehungen.» Er zeigt auf in Plastik verpackte Schwerter, die in einer Halterung hängen. Fast alle seiner Produkte stammen aus Schmieden in China. Keine Billigqualität, die Verkaufspreise reichen von ein paar 100 bis zu 6500 Franken.

Samuraischwerter sind in allen Preislagen zu haben.

Samuraischwerter sind in allen Preislagen zu haben.

Julian Perrenoud

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind in Japan die Gesetze strikter geworden, der Preis für ein Schwert ist ins Unermessliche gestiegen. Viele Schmiede mussten schliessen oder sind nach China abgewandert. Für eine gute Klinge bezahlen Kunden dort nur einen Zehntel, zirka 2000 Franken. Doch das Seidenband als Schutz und Zierde für den Schwertgriff stammt noch immer aus Japan. Obwohl sich auch in der Schweiz das Waffengesetz verschärft hat, benötigen Kunden für einseitig geschliffene Schwerter wie das der Samurai keinen Waffenschein.

In den letzten sechs Jahren hat sich Jägers Samurai-Shop im Internet etabliert, neben den Katana-Schwertern verkauft er auch Helme und Rüstungen. Seine Kunden bekommt er dabei praktisch nie zu Gesicht, ab und zu ruft einer an. Doch auch Spezialwünsche laufen meist über E-Mail. Eigentlich schade, findet Jäger. Er hat denn auch schon mit dem Gedanken gespielt, einen richtigen Verkaufsladen zu eröffnen. «Die physischen Kosten sind dann aber real.» Und damit auch das Risiko, denn nach wie vor wirft der Online-Shop zwar kleine Gewinne ab, aber um davon zu leben, reicht es noch nicht.

Und wie steht es nun um den Marktwert meines alten Schwertes? Jäger streicht über den glänzenden Schaft, zieht die Klinge. Rostfreier Stahl, die sichtbare Härtelinie Hamon ist maschinell geschliffen. Der drachenähnliche Handschutz sehe etwas zu klischeehaft aus. «Schätze so um die 180 bis 300 Franken», sagt er schliesslich. Immerhin. Ich entscheide mich, das Schwert zu behalten.