Wolfwil/Mexico City
Eine Wolfwilerin lehrt das Einmaleins in der 27-Millionen-Megacity

Seit viereinhalb Jahren unterrichtet die Wolfwilerin Christina Studer an Schweizer Schulen im Ausland. Dabei lernte sie nicht nur Gelassenheit, sondern auch wieso «mañana» doch nicht immer morgen ist.

Philipp Felber
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Christina Studer mit den Kindern aus ihrer ersten Klasse während einer Unterrichtsstunde in Mexico City.

Christina Studer mit den Kindern aus ihrer ersten Klasse während einer Unterrichtsstunde in Mexico City.

Zur Verfügung gestellt

9636 Kilometer, ein Ozean und viele Flugstunden liegen zwischen Wolfwil und der mexikanischen Hauptstadt Mexico City. Doch genau dorthin hat es die Wolfwilerin Christina Studer als Lehrerin verschlagen.

Bereits während des Studiums war für sie klar, dass sie gerne im Ausland unterrichten möchte, am liebsten gleich an einer Schweizer Schule.

Erste Station: Bergamo

Doch so einfach war zumindest die Jobsuche im Ausland zu Anfang nicht. «Ich erhielt verschiedene Absagen, weil ich noch keine Berufserfahrung hatte.» Kein Wunder suchte sie doch direkt nach ihrem Studienabschluss einen Job und das vermeintliche Hauptkriterium: mindestens drei Jahre Berufserfahrung.

Doch die Schweizerschule in Bergamo lud sie zu einem Bewerbungsgespräch und einer Probelektion nach Italien ein. Dort erhielt sie noch vor Ort eine Stelle als Kindergärtnerin angeboten, die sie sofort annahm.

Auch wenn sie sich vor allem für Stellen beworben habe, welche auf anderen Kontinenten zu bestreiten gewesen wären. «So blieb es für mich immer ein Traum, in ein Land zu gehen, das auch wirklich weit weg ist», sagt Studer.

Nach drei Jahren in Norditalien wechselte die 27-Jährige ans «Colegio Suizo de Mexico», der Traum ging in Erfüllung. Und der kam zusammen mit einer grossen Umstellung, vom beschaulichen Bergamo in die zweitgrösste Stadt der Welt.

Über 27 Millionen Menschen wohnen Schätzungen zu Folge in der Metropolregion rund um die mexikanische Hauptstadt.

«Hier in Mexico City ist dauernd etwas los, eine spannende Stadt, die nie schläft. Es gibt viele Grünflächen, doch möchte man nach einem anstrengenden Tag einfach einmal paar Minuten Ruhe haben, und das vielleicht noch in der Natur, ist dies fast unmöglich.Und überall Tag und Nacht hört man immer wieder Sirenen, Hupen und Polizeikommandos.»

Schule nicht nur für Schweizer

In ganz anderen Dimensionen bewegt sich nicht nur ihr neuer Wohnort, auch die Schule ist um einiges grösser als noch in Italien. «Die Schweizerschule in Mexiko ist riesig, die grösste unter den 17 Schweizerschulen», sagt Studer.

Allein auf dem Campus in Mexico City werden 1000 Kinder unterrichtet. «In Mexiko oder allgemein in Südamerika haben die Schweizerschulen noch einen viel höheren Stellenwert als in Europa. Sie sind enorm beliebt, die Nachfrage ist riesig.

Von drei Bewerbern kann nur einer die Schule besuchen», weiss die Lehrerin einer ersten Klasse. Zudem sei die Schule sehr teuer.

«Oft hat man die Vorstellung, dass an Schweizerschulen nur oder vor allem Kinder aus der Schweiz in die Schule gehen. Das ist jedoch bei weitem nicht so.Der Hauptteil der Schülerschaft sind einheimische Kinder, welche die deutsche Sprache als Fremdsprache erlernen.»

Das bedeutet vor allem für die Lehrkraft einige Umstellungen. Zwar wird mit denselben Unterrichtsmaterialien nach den gleichen Lehrplänen unterrichtet wie in der Schweiz, doch müssen die Lehrmittel an die jeweilige Kultur und die Deutschkenntnisse der Kinder angepasst werden.

Die Bezahlung an den Schweizer Schulen setzt sich aus einer Mischung aus Schweizerlöhnen und den Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land zusammen. «Der Alltag kostet in Mexiko oder auch in Italien deutlich weniger als in der Schweiz, deshalb ist der Lohn auch deutlich tiefer», erzählt Studer.

Doch die Löhne seien höher als die der anderen Lehrer. Dies unter anderem, weil die Schweizer Sozialversicherungen bezahlt werden müssen. Doch für ein angenehmes Leben reiche es allemal: «Man kann sich mit dem Lohn ein sehr gutes Leben im Ausland leisten und sich auch immer wieder eine Reise durch das Land oder in die Heimat gönnen.»

Wenn «mañana»nicht morgen ist

In Italien und in Mexiko lerne man, Geduld zu haben, sich zu entschleunigen und alles einmal mit Ruhe anzugehen. «Einmal duschte ich über eine Woche kalt. Jemand im gleichen Wohngebäude hatte wohl kein Gas mehr, nahm die bequeme Version und klaute meine volle Gasflasche auf dem Dach.

Als ich meinen Hauswart fragte, ob er mir eine neue Flasche bestellen könne, hiess es zuerst «ahorita», dann «mañana» und wieder «mañana», bis ich mir die Flasche dann einfach selber kaufte», erzählt Christina Studer eine Anekdote aus ihrem Leben in Mexiko.

Die Gelassenheit, die sie sich antrainieren musste, möchte sie auch in Zukunft in der Schweiz beibehalten. Dies, weil wie Wolfwilerin im Sommer in die Heimat zurückkehrt.

«Nach fünf Jahren im Ausland vermisse ich doch langsam das Rivella, ein Ragusa oder die Aarejogging-Runde in der Wolfwiler Region», lacht Studer. Auch freut sie sich darauf, mit ihrer Familie und ihren Freunden an einem Tisch zu sitzen und bei gemütlichem Beieinandersein über Alltägliches zu schwatzen.

Momentan läuft dieser Kontakt noch etwas komplizierter ab, wobei sie jeden Tag Kontakt zur Schweiz habe. «Mit Whatsapp, E-Mail oder Skype fühlt man sich oft gar nicht so weit weg», so Studer.

Als sie noch in Italien lebte, fuhr sie immer wieder einmal für ein Wochenende in die Schweiz oder sie wurde vielfach von ihrer Familie und Freunden besucht. «Mexiko ist einige Kilometer weiter weg. Möchte ich an einem besonderen Anlass gerne dabei sein, ist dies leider nicht möglich. Die Zeitverschiebung erschwert zudem den Telefonkontakt. Den Klatsch und Tratsch aus dem Gäu bekomme ich aber trotzdem mit.»