Zwischen Oensingen und Oberbuchsiten soll die Dünnern gegen Hochwasser geschützt und revitalisiert werden.
Vor 74 Jahren wurden die Bauarbeiten an der Dünnern abgeschlossen: Der gewundene Lauf des einst idyllischen Gewässers wurde korrigiert, begradigt und in ein naturfremdes Kanalbett gezwängt. Der Grund: Bei einem Hochwasser wurde die alte Dünnern zu einem reissenden Fluss und überbordete immer wieder. «Da lagen jeweils die Wasser als ein See in den Dörfern, dass man Holzstege bauen musste», heisst es in einer historischen Quelle.
Zwar war die ursprüngliche Absicht, gutes Landwirtschaftsland zu gewinnen und vor Überschwemmungen zu schützen, mit der Korrektur erreicht worden. Dennoch blieb die Abflusskapazität im Gäu zwischen Oensingen und Olten fast durchgehend ungenügend, um ein Jahrhunderthochwasser mit einer Abflussspitze von rund 140 m3/s (Menge in Oensingen) abzuleiten – das Schadenausmass im Ist-Zustand betrüge 65 Millionen Franken (Oensingen bis Egerkingen). Ein Risiko, das aus der Welt geschafft werden soll.
Ausserdem: Zwischen Herbetswil und Olten ist die Dünnern durchgehend kanalisiert und hart verbaut. Aus ökologischer Sicht gilt sie als stark beeinträchtigt. Bis 2009 erstellte jede Gemeinde im Kanton Solothurn ihre eigene Gefahrenkarte, was die Hochwassergefährdung durch die Dünnern anbelangte. An den Gemeindegrenzen jedoch unterschieden sich die Überflutungsszenarien.
2009 erkannte das kantonale Amt für Umwelt das Problem und liess ein Hochwasserschutzkonzept erarbeiten, das gemäss Bundesgesetz zugleich auch Massnahmen zur Revitalisierung der Dünnern vorsieht. Aufgrund des Konzepts, das seit 2012 vorliegt, wurden die Karten auf kantonaler Ebene überarbeitet und harmonisiert. Dies führte zu einer neuen Generation von Gefahrenkarten in den Gemeinden, die nach aktuellsten wissenschaftlichen Kriterien berechnet wurden.
Ausgelöst durch den Sechsspurausbau der A1 zwischen Luterbach und Härkingen liess der Kanton eine Vorstudie für den 7,6 Kilometer langen Dünnern-Abschnitt Oensingen bis Oberbuchsiten ausarbeiten. Sie zeigt in Varianten auf, wie die bestehenden Defizite beim Hochwasserschutz und in der Ökologie behoben werden können und wo allfällige Schnittstellen zum Sechsspurausbau bestehen. Die Vorstudie liegt seit Ende Februar 2017 vor und befindet sich zurzeit in der Vernehmlassung.
Vermutet wurde schon im Vorfeld, dass eine sogenannte Retentionsmassnahme am kostengünstigsten ausfallen und weniger Land als andere Lösungen in Anspruch nehmen würde. Hierbei wird im Hochwasserfall ein Teil des Wassers in einem mit Dämmen umfassten Rückhaltebecken zwischengespeichert und so die Abflussspitze soweit gedämpft, dass zwischen Oberbuchsiten und Olten weniger Hochwasserschutzmassnahmen erforderlich sind.
Die Vorstudie bestätigte, dass die Retentionslösung je nach Untervariante auf 40 bis 75 Millionen Franken und einen Landbedarf von zwischen 7,5 und 13,5 Hektaren zu stehen kommt und das beste Nutzen-Kosten-Verhältnis aufweist. Ausserdem geprüft wurden die Variante Durchleiten – die Dünnern würde an allen Abschnitten verbreitert, wo die Abflusskapazität ungenügend ist – und Umleiten: Ein Teil des Wassers würde direkt in die Aare geleitet.
Das Entlastungsbauwerk soll gemäss derzeitiger Planung südlich der Dünnern und der Autobahn zu stehen kommen, und die Retention im Ereignisfall eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von bis zu 1,7 km2 zwischen Autobahn, Kestenholzerstrasse und den Siedlungsgebieten von Kestenholz und Niederbuchsiten beanspruchen. Durch einen sogenannten Düker soll das Wasser unter der Autobahn hindurch in den Rückhalteraum strömen. Nach einem Hochwasser würde es über Entleerungsleitungen wieder in die Dünnern zurückgeleitet.
Betrachtet wurden Entlastungsereignisse ab 72 m3/s sowie ab 96 m3/s. Eine mögliche Untervariante wäre eine Unterteilung des Rückhalteraums in Kammern, wobei das Wasser je nach Hochwasserereignis abgestuft in Kaskaden den Stauraum füllen würde. Allerdings ist diese Untervariante kostspieliger und die Unterteilung würde die Landwirtschaft auf der Landfläche beeinträchtigen.
Der Kanton schlägt keine beste Lösung vor, die Version 96 m3/s ohne Kaskaden ist jedoch die günstigste mit geringem Landbedarf. Allerdings müssten bei einem geringeren Entlastungsvolumen bis Olten weniger ergänzende Massnahmen getroffen werden, während beim höheren Volumen die Dünnern bis Olten streckenweise verbreitert und Dämme oder Mauern errichtet werden müssten, um die Abflusskapazität zu gewährleisten.
Überdies soll die Dünnern im Zusammenhang mit dem Sechsspurausbau der A1 zwischen Kestenholz und Niederbuchsiten auf 350 Metern nach Norden verschoben und im Zuge dieser Arbeiten auf diesem Abschnitt revitalisiert werden. Dies, um mittels einer Brücke über die Autobahn einen Wildtierkorridor zu schaffen. Parallel zur Vorstudie läuft im Auftrag des Kantons und des Bundesamts für Strassen eine landwirtschaftliche Planung, die aufzeigen soll, wie die Vorhaben Sechsspurausbau und Wasserbau mit der Landwirtschaft vereinbar sind.
Im Rahmen der Vorstudie wurde eine Begleitgruppe mit allen Akteuren eingesetzt, die vom Dünnern-Projekt betroffen sind. Dies sind unter anderem die Gemeinden, der Bauernverband und Umweltverbände. Sie wurden informiert und werden um Feedback zum Projekt gebeten. Mit den Gemeinden werden bilaterale Gespräche geführt und mit den Vertretern der Landwirtschaft Lösungen gesucht. Die Vernehmlassung dauert bis Ende April. Bis Ende 2018 soll klar sein, ob und wie das Hochwasserschutz- und Revitalisierungs-Projekt an der Dünnern weitergeführt wird. Wird es anschliessend vom Kanton bewilligt, folgt der Baustart voraussichtlich frühestens 2022.