Neuendorf SO
10 Prozent Fett und das mit 47 Jahren: «Beim Natural Bodybuilding ist alles natürlich»

Der Neuendörfer Bertrand Ndawele ist fünffacher Weltmeister im Natural Bodybuilding: «Ich merkte schnell, wie sich mein Körper veränderte. Das gefiel mir und ich wollte mehr. Mittlerweile trainiere ich seit über 25 Jahren.»

Raphael Wermelinger
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Seinen ersten Weltmeistertitel im Natural Bodybuilding gewann Bertrand Ndawele im Jahr 2007. Vorletzte Woche legte der 47-Jährige nach. Wiederum in Los Angeles feierte er gleich einen dreifachen Triumph. Ndawele holte sich die WM-Titel in den Kategorien «Schwergewicht» (über 90 Kilogramm) sowie «Master» (über 40 Jahre) und wurde als Gesamtsieger ausgezeichnet.

«Beim Natural Bodybuilding ist alles natürlich», erklärt Ndawele und beteuert, dass er noch nie ungesunde Hilfsmittel zu sich genommen habe. «Keine Steroide, keine Anabolika. Wir werden bei den Wettkämpfen streng kontrolliert.» Nicht die Menge der Muskeln sei entscheidend, sondern deren Qualität. «Die Definition der Muskeln und die Symmetrie des Körpers müssen stimmen», sagt Ndawele.

Für den Neuendörfer ist der Sport eine Lebensphilosophie, seine Gesundheit stehe an erster Stelle. «Den meisten Jungs, die ich in Fitnessstudios sehe, fehlt die Geduld», spricht er ein Vorurteil an, das mit der Sportart Bodybuilding einhergeht.

«Sie wollen möglichst schnell möglichst viele Muskeln bekommen und greifen dann zu schädlichen Mitteln, die es im Internet massenhaft angeboten gibt.»

Jahrelanger Fleiss

Bertrand Ndawele dagegen hat für seine Postur über 25 Jahre geschuftet. Er trainiert vier- bis fünfmal pro Woche im Fitnessstudio. Seine Methode: Er konzentriert sich in jeder Einheit auf eine grosse und eine kleine Muskulatur.

«Die Brustmuskulatur kombiniert man am besten mit dem Trizeps, Rücken mit Bizeps und den Bauch zum Beispiel mit den Beinen», führt er aus. Das Training sei aber nur eine von drei Komponenten, die Ernährung und die Erholung seien ebenso wichtig. Ndawele ernährt sich vor allem von Poulet, Reis und Broccoli. Alle zwei Stunden ist Essenszeit. Doch auch sechs Mahlzeiten pro Tag seien zu wenig, um die nötige Tagesration an Proteinen zu bekommen.

«Deshalb nehme ich pro Tag zwei, drei Proteinshakes zu mir. Die enthalten Ergänzungsstoffe auf pflanzlicher Basis, das hat nichts zu tun mit Doping», stellt er klar. Ein Nachteil seiner Leidenschaft sei, dass er auf sehr viele gute Sachen verzichten müsse, gerade was das Essen betreffe: «Man muss sehr viel Disziplin haben, vor allem vor Wettkämpfen gilt strenge Diät. Das ist nicht immer einfach. Kein Gramm Zucker zu viel, keine Schokolade.»

Zur Kontrolle steht Ndawele jeden Tag auf die Waage. Wichtiger als das Gewicht ist der Fettwert. Am Tag des Interviewtermins hatte Ndaweles Körper einen Fettanteil von rund zehn Prozent. «Ein Nicht-Sportler liegt etwa bei zwanzig bis dreissig Prozent», sagt er. «Vor der Weltmeisterschaft lag ich bei 6,8. Weniger wäre nicht mehr gesund.»

Am meisten Probleme bereitet ihm die dritte Komponente, die Erholung. Ndawele arbeitet unregelmässig, während der Woche im Lager, am Wochenende bei der Security und somit vor allem am Abend.

Er schlafe deshalb in zwei Phasen: «In der Nacht sind fünf Stunden schon sehr viel Schlaf für mich. Deshalb versuche ich, nach der Arbeit noch zwei Stunden zu schlafen.»

Spaziergänge nach dem Essen gehören ebenfalls zur Erholung. Massagen würde er sich gerne gönnen, seien in der Schweiz aber zu teuer.

Ndawele wuchs in Zaire auf, heute heisst das zentralafrikanische Land Demokratische Republik Kongo. Nach der Matura zog er für sein Studium in die Hauptstadt Kinshasa. An der Universität spielte er Tennis und Volleyball und joggte nebenbei, um seine Kondition zu verbessern. Auf das Krafttraining stiess er dank einem seiner Tenniskollegen.

«Der hatte die breitesten Oberarme von allen.» Ndawele muss lachen, wenn er zurückblickt. «Ich fragte ihn, wie er das macht und er antwortete, dass er ein paar Hanteln besitze und ich diese ebenfalls benutzen dürfe.»Sein Interesse war damit geweckt, Bertrand Ndawele stemmt von da an täglich Hanteln, und machte Liegestützen und Sit-ups.

«Ich merkte schnell, wie sich mein Körper veränderte. Das gefiel mir und ich wollte mehr. Mittlerweile trainiere ich seit über 25 Jahren. Ich bin einfach immer drangeblieben», sagt er stolz.

Zukunft als Personal Trainer

Mitte der 1990er-Jahre verliess Bertrand Ndawele seine Heimat und lebte für kurze Zeit in Deutschland, wo er zum ersten Mal ein richtiges Fitnessstudio aufsuchte. «Der Besitzer kam zu mir und sagte, ich hätte eine tolle Figur und ich solle doch mal an einem Wettkampf teilnehmen», schildert Ndawele seinen Einstieg beim Natural Bodybuilding. Als Neuling gewann er in Düsseldorf gleich seinen ersten Contest, womit auch seine Wettkampfgelüste geweckt waren.

Im Jahr 2000 zog es ihn in die Schweiz. Hier sammelte er bis heute mehrere Meistertitel. «Auch dieses Jahr wurde ich Schweizer Meister», strahlt er. «Die wichtigsten Trophäen sind aber die WM-Pokale.» Weitere werden indes wohl nicht mehr dazukommen, denn mit 47 Jahren auf dem Buckel denkt er allmählich an ein neues Standbein: «Ich möchte mein Wissen und meine Erfahrung Jüngeren weitergeben und in Zukunft in der Umgebung als Personal Trainer arbeiten.»