Amtsgericht Olten-Gösgen
Zugekifft – zugedröhnt – zugestochen: Streit auf Herrentoilette artete aus

Oli Q. soll vorsätzlich versucht haben, einen Mann mit einem Messerstich zu töten.

Rahel Bühler
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Im Dezember 2012 ist es auf der Herrentoilette des London-Pubs in Olten zu einer verbalen Auseinandersetzung und dem Messerstich gekommen.

Im Dezember 2012 ist es auf der Herrentoilette des London-Pubs in Olten zu einer verbalen Auseinandersetzung und dem Messerstich gekommen.

Bruno Kissling/Archiv

Er wisse, dass sein Mandant in den Befragungen und vor Gericht kein gutes Bild von sich gezeichnet habe, meinte Verteidiger Severin Bellwald zu Beginn seines Plädoyers.
In der Tat spricht nicht viel für den 36-jährigen Angeklagten Oli Q.*, der im Dezember 2012 einen Mann mit einem zwei Zentimeter tiefen Messerstich in den Brustbereich zu töten versuchte. Versuchte vorsätzliche Tötung lautet der Tatbestand. Der Angeklagte gestand zwar die Tat, die Vorsätzlichkeit aber bestritt er vehement. «Ich wollte ihn nicht töten», wiederholte Oli Q. mehrmals.

Dem Messerstich vorausgegangen sind ein Wortgefecht und ein Handgemenge auf der Herrentoilette des London-Pubs in Olten. Dort wollte ihm der Angeklagte Kokain andrehen, berichtet der Geschädigte. «Als ich ablehnte, hat er sich mir in den Weg gestellt. Daraufhin habe ich ihn weggeschoben und er hat sich wieder vor mir aufgebaut», führt der braun gebrannte Mann aus, der in Jeans und schwarzer Stoffjacke vor Gericht erschienen war.

«Im Anschluss ist der Angeklagte weggelaufen und ein anderer Mann hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich blute.» Dieser andere Mann wurde am gestrigen Gerichtstermin ebenfalls als Zeuge vorgeladen. «Der Vorfall ist nun schon über vier Jahre her; ich kann mich nicht mehr gut daran erinnern», bekräftigte er vor Amtsgerichtspräsidentin Barbara Hunkeler. «Sie haben sich vor dem WC angeschrien und der Geschädigte hat etwas geblutet. Dann ging ich ins Obergeschoss und habe die Freundin des Opfers nach unten geschickt.» Soweit erinnerte sich der Zeuge.

Messer in die Aare geworfen

Der Angeklagte, der mit grauem Strickpulli, hellen Jeans und Sneakers auftrat, schilderte den Sachverhalt etwas anders: «Das Opfer hat sich auf dem WC über die schlechte Qualität seines Stoffs beklagt. Daraufhin habe ich ihm im Witz gesagt, er könne ja etwas von meinem haben. Das hätte ich besser gelassen.» In der Folge sei es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, welche dann so endete, dass der Geschädigte in sein Messer lief. «Ich habe keine Stichbewegung gemacht», beteuert Oli Q.

Der medizinische Bericht widerspricht dieser Aussage klar: Der Stich verläuft von unten nach oben. Ausserdem erfolgte der Stich mit einer solchen Wucht, dass eine Rippe des Opfers zu Bruch ging. Nach der Tat hat Oli Q. das Messer, welches er zuvor für das Portionieren des Kokains auf dem WC verwendete, in die Aare geworfen. Zu 100 Prozent mögen sich weder Opfer noch Täter an besagte Nacht erinnern. Beide standen unter Drogen- und Alkoholeinfluss.

Der anwesende Sachverständige, der für mehrere psychiatrische Gutachten verantwortlich zeichnet, sprach davon, dass Oli Q. sozial, kognitiv und emotional überfordert ist und mit gewöhnlichen Alltagssituationen nicht umgehen könne. Diese Probleme wurden bereits in seiner Jugend diagnostiziert und prägen das Leben des Angeklagten bis auf den heutigen Tag. Nach der Trennung von seiner Ehefrau war Oli Q. obdachlos. Heute hat er eine Wohnung in der Region und lebt von der Sozialhilfe. Die versuchte vorsätzliche Tötung ist nicht der einzige Vorhalt, mit welchem sich Oli Q. konfrontiert sieht. Er muss sich auch wegen Hausfriedensbruch und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetztes verantworten.

Fünf Jahre Freiheitsstrafe

Für Staatsanwältin Stefanie Humm ist der Fall klar: Oli Q. ist im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Strafmildernd wirke zwar sein Geständnis. «Seine durchs Band unglaubwürdigen Aussagen und seine hohe kriminelle Energie wirken strafverschärfend», erklärte Humm. Dass er den Geschädigten nicht töten wollte, glaubt die Staatsanwältin nicht. «Er wusste um die lebensgefährliche Körperstelle.» Daniel Bitterli, der Anwalt des Opfers, plädierte ebenfalls auf eine Verurteilung im Sinne der Anklage, ohne Konkreteres zu fordern.

Obwohl er um den schlechten Ruf seines Mandanten wisse, wolle er in seinem Plädoyer aufzeigen, dass es sich nicht um versuchte vorsätzliche Tötung, sondern um fahrlässige einfache Körperverletzung handle, erklärte Verteidiger Severin Bellwald. Er machte vor allem das psychiatrische Gutachten geltend, wonach sein Mandant durch seine Minderintelligenz zu gewissen Teilen schuldunfähig sei. Er plädierte auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten und eine Verurteilung für fahrlässige einfache Körperverletzung und mehrfachem Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz. Vom Hausfriedensbruch sei er aufgrund seiner Minderintelligenz freizusprechen. Das Urteil wird heute Mittwoch mündlich eröffnet.

*Name der Redaktion bekannt.