Olten
Wohnutopien: Sind sie ein Wunschdenken oder die nahe Zukunft?

Der Verein «Neustart Schweiz» zeigte an einem Zürcher Beispiel die Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Wohnens auf. Der Andrang an den Infoabend in Olten war grösser als erwartet.

Isabel Hempen
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Der neuste Genossenschaftsbau in der Stadt Zürich: Die Überbauung Kalkbreite, deren Innenhof als Quartiertreffpunkt öffentlich zugänglich ist. Die Siedlung dient als Beispiel.

Der neuste Genossenschaftsbau in der Stadt Zürich: Die Überbauung Kalkbreite, deren Innenhof als Quartiertreffpunkt öffentlich zugänglich ist. Die Siedlung dient als Beispiel.

MTS

Einen solchen Andrang hatten die Organisatoren des Info- und Austauschabends «Wohnungsgenossenschaft in Olten?» nicht erwartet: Rund 50 Leute machten sich im Saal des «Flörli» den Platz streitig, um sich über das utopisch anmutende Wohnkonzept des Vereins «Neustart Schweiz» zu informieren.

Dessen Idee: urbane Siedlungen mit gemeinschaftlich genutzten Flächen und gemeinsam verwaltetem Besitz zu realisieren. Ein Nachbarschaftsmodell, das Ressourcen schont, aber das eigene Wohlbefinden nicht einschränkt.

Kalkbreite als Wohnmodell

Was wie Utopie klingt, ist mancherorts Realität. In Zürich etwa gibt es bereits etwa acht solcher Wohngenossenschaften. Fred Frohofer und Kim Jana Degen von «Neustart Schweiz» stellten den Anwesenden die bestehende Zürcher Wohnbaugenossenschaft Kalkbreite vor.

Die Kalkbreite wie auch vergleichbare Projekte in der Schweiz wurden vom Buch «bolo’bolo» aus dem Jahr 1983 inspiriert, wie sie erklärten. Darin beschrieb der ehemalige Lehrer Hans Widmer unter dem Pseudonym P.M. ein antikapitalistisches soziales Modell, das in der alternativen Szene auf grosses Interesse stiess. «bolo’bolo» gab auch den Anstoss zur Gründung des Vereins «Neustart Schweiz» im Jahr 2010 im Bahnhofbuffet Olten.

Als Bewohner der Kalkbreite konnte Freihofer aus dem Vollen schöpfen: Die Kalkbreite mit ihren 251 Wohnungen verfüge über einen Grosshaushalt, nämlich einen Essraum und eine Gastroküche, der 70 Parteien angegliedert sind. Jeder Mieter zahle zudem 0,8 m2 mehr als er selbst bewohnt.

In den gemeinschaftlich genutzten Räumen sind etwa eine Malwerkstatt und eine Sauna untergebracht. Die Kinderbetreuung sei in dieser Wohnform einfacher, da man die Kinder gemeinsam im Innenhof spielen lassen könne. Gelernt habe man zudem, dass die Kinder aus demselben Grund im Winter einen Indoor-Spielplatz brauchten.

Das Interesse der Zuhörenden am Projekt schien unerschöpflich, nach dem Infoteil jagte eine Frage die nächste. Wie läuft die Finanzierung, wie funktioniert die Durchmischung, wie klappt die Gemeinschaft? Eine Kernaussage Frohofers diesbezüglich lautete: «Die 500 Leute sind bereit, gemeinsam am Zusammenleben zu arbeiten.» Dass in einem solchen Projekt ähnlich denkende Menschen zusammenfinden, lag auf der Hand. Schliesslich die brennende Frage nicht nur einer Besucherin: «Wie gehts in Olten weiter?»

Vor Ort trugen sich schliesslich gemäss Raphael Schär vom Verein «Olten im Wandel», der den Anlass organisiert hatte, über 30 Leute für einen Newsletter ein. Die Hälfte von ihnen möchte sich aktiv in einer künftigen Projektgruppe einbringen. «Für die Anfangsphase braucht es eine kritische Masse von zehn bis zwölf Personen», ist Schär überzeugt. Auch der Oltner Stadtplaner Lorenz Schmid war am Anlass anwesend. Mitinitiator Schär wertete das als Interesse der Stadt an einer Zusammenarbeit.