Wangen bei Olten
Wo setzen wir beim Thema Energie an? «Wissenschaft alleine genügt nicht – es braucht vor allem konkrete Umsetzungen»

Wo steht die Schweiz bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050? Welches sind die grössten Hürden und warum fällt uns die Umstellung so schwer? Darüber haben wir mit Urs Elber, Experte für erneuerbare Energien aus Wangen bei Olten, gesprochen.

Fabio Baranzini
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Urs Elber im Technikraum seines Kellers, wo unter anderem die Erdwärme-Heizung steht.

Urs Elber im Technikraum seines Kellers, wo unter anderem die Erdwärme-Heizung steht.

Fabio Baranzini

Energie bestimmt unseren Alltag. Ohne den Strom aus der Steckdose funktioniert kein Haushaltsgerät, kein Smartphone und kein Computer. Ohne Treibstoff springt das Auto nicht an. Der öffentliche Verkehr – egal ob Bus, Zug oder Flugzeug – würde ohne Energie lahm liegen. Dasselbe gilt natürlich auch für den Handel, die Landwirtschaft und die Industrie. Wir sind längst völlig abhängig geworden von vorwiegend fossiler Energie.

Darum sagt Urs Elber: «Unser Wohlstand hängt eng mit der Verfügbarkeit von sicherer und günstiger Energie zusammen. Und zukünftig auch damit, ob diese erneuerbar bereitgestellt werden kann.» Der 60-Jährige aus Wangen bei Olten ist diplomierter Ingenieur und Experte für erneuerbare Energien. Unter anderem war er Geschäftsführer des «Kompetenzzentrum Energie und Mobilität» (CCEM) der ETH und später des Forschungsschwerpunktes «Energie» der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa.

Heute ist er als strategischer Berater für Energiefragen tätigt und hat in einer Arbeitsgruppe mitgeholfen, die Energiestrategie der Gemeinde Wangen bei Olten zu erarbeiten.

Energiestrategie von Wangen bei Olten – ein Projekt mit Vorbildcharakter?

Die Gemeinde Wangen bei Olten hat an der Gemeindeversammlung ihre Energiestrategie mit dazugehörigem Reglement verabschiedet. Unter anderem wird darin geregelt, dass die öffentlichen Bauten der Gemeinde bis 2030 keine fossilen Heizungen mehr einsetzen dürfen. Zudem soll auch die Eigenproduktion von erneuerbaren Energien gesteigert und die Energieeffizienz erhöht werden. «Mit dieser Strategie und dem Reglement hat die Gemeinde Wangen bei Olten ihre Verantwortung wahrgenommen», freut sich Urs Elber.

Er war als Vorsitzender der Arbeitsgruppe mitbeteiligt an der Entwicklung dieser Energiestrategie, die vor gut einem Jahr von Martin Blapp angestossen wurde. «Mit dieser Energiestrategie und dem Reglement wurde eine saubere Grundlage für künftige Bauprojekte geschaffen. Dieses Vorgehen könnte für vielen Gemeinden als Vorlage dienen, denn eine solche Energiestrategie lässt sich mit einem überschaubaren Aufwand realisieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Gemeinden mit ihrer Bevölkerung, Räten und Verwaltungen bereit sind, sich vertieft mit dem Thema erneuerbare Energien auseinanderzusetzen. Zu oft wird entschieden, obwohl man zu wenig weiss. Das ist schade.» (fmu)

Es braucht den richtigen Mix aus verschiedenen Quellen

Das Thema Energie, vor allem die erneuerbaren Energien, faszinieren Urs Elber schon lange. Nicht nur beruflich, auch privat. Im eigenen Haus heizt er etwa grösstenteils mit Holz aus der Region. Dafür hat er im Wohnzimmer extra einen speziellen Kachelofen eingebaut. Kombiniert wird diese Energie mit einer Erdwärme-Heizung, Solarenergie und Fotovoltaik. «Ich bin überzeugt, dass es den richtigen Mix aus verschiedenen Energiequellen braucht. Es wird sich auch in Zukunft keine Energiequelle alleine durchsetzen können», sagt Elber.

Auch im Grossen gilt: Das richtige Zusammenspiel der Energiequellen ist zu finden. Die Schweiz hat 2017 «Ja» gesagt zur Energiestrategie 2050. So will man in 30 Jahren nicht nur den Atomausstieg realisieren, sondern auch die ganze Energieversorgung auf erneuerbare Energie umstellen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll in der Schweiz die Energieeffizienz erhöht, die CO2-Emissionen gesenkt und die erneuerbaren Energien gefördert werden.

Dafür müssen die fossilen Energiequellen aus dem Ausland und die Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen Öl und Gas reduziert werden. «Aktuell stammt rund drei Viertel unserer Energie aus nicht erneuerbaren Quellen aus dem Ausland. Um das zu kompensieren, müssen wir auf Effizienz und einen Mix aus Wind-, Wasser- und Solarenergie setzen», sagt Elber.

Mobilität lief bisher in die falsche Richtung

Wie gut schlägt sich die Schweiz denn bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050? Das Bundesamt für Energie hat den Energieverbrauch in der Schweiz zwischen 2000 und 2019 ausgewertet. Bei den Haushalten (–9,4 Prozent), in der Industrie (–10,5 Prozent) und im Dienstleistungssektor (–3,3 Prozent) konnte der Energieverbrauch gesenkt werden. Beim Verkehr dagegen nicht. Dort ist der Energieverbrauch um 11 Prozent gestiegen.

«Während wir gerade bei Neubauten und Sanierungen sowie in der Industrie einen guten Job machen, läuft die Entwicklung in der Mobilität und Transport noch nicht in die richtige Richtung. Wir sind immer häufiger mit grösseren Autos unterwegs, legen immer grössere Distanzen zurück und verbrauchen darum auch mehr Energie. Da haben wir noch riesiges Potenzial», sagt Urs Elber. «Wenn wir die Ziele der Energiestrategie 2050 tatsächlich erreichen wollen, müssen wir deutlich mehr machen. Und möglichst keine fossilen Energien dafür einsetzen.»

Wille und wirtschaftliche Power sind gefragt

Wo ansetzen? Das Grundproblem beim Thema Energie liegt in der Komplexität. «Wenn es um Energiethemen geht, kommt es nicht nur auf die Wissenschaft und die Technik an. Da sind wir schon sehr weit und hätten viele funktionierende Möglichkeiten, um mit einem Mix erneuerbaren Energien die Energiewende bis 2050 zu schaffen», erklärt Urs Elber. «Aber die Wissenschaft alleine genügt nicht. Es braucht vor allem konkrete Umsetzungen, die auch die lokale Politik und die Bevölkerung mittragen müssen. Ein Hindernis: die noch hohen Investitionskosten.

Die machen sich zwar in der Regel mit der Zeit bezahlt, aber dafür braucht es langfristiges Denken und Handeln. Das ist insbesondere in der schnelllebigen Wirtschaft oft ein Problem.» Urs Elber vergleicht die aktuelle Situation mit früheren Veränderungen. «Kaum jemand will noch eine Mobilität nur mit Ross und Wagen, eine Welt ohne Strom oder ohne Internet. Aber damit diese tiefgreifenden Veränderungen zu Stande kamen, musste stets das enorme Potenzial der neuen Technologien erkannt werden. Und es brauchte viel Willen und wirtschaftliche Power für die Umsetzung. Genau das brauchen wir jetzt auch bei der Energie. Wahrscheinlich werden wir uns in ein paar Jahrzehnten wundern, dass wir unsere Gebäude früher mit fossilen Energien geheizt haben.»

Gefordert sind also alle. Privatpersonen können genauso ihren Beitrag leisten wie Unternehmen, Gemeinden und Kantone. Urs Elber sieht vor allem im Bereich der Solar- und der Windenergie noch viel Potenzial in der Schweiz. Aber gerade die Windanlagen stossen immer wieder auf Widerstand in der Bevölkerung. «Solche Windanlagen sind ein klassisches Beispiel dafür, dass bei Energiefragen viele unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen. Ich kann das absolut nachvollziehen, aber langfristig gesehen werden nicht die Windräder unsere Landschaft verändern, sondern die Tatsache, dass durch den Klimawandel unsere heutigen Wälder verschwinden», sagt Elber. Er wünscht sich deshalb von allen Beteiligten mehr Engagement und mehr Weitsicht, damit die Schweiz ihre ambitionierten Energieziele erreicht.