Dr. Jaqueline Reber gibt eine kleine Anleitung zum Verständnis der häufigsten Ortsnamenformen.
Viele Ortsnamen haben dieselbe Endung oder zumindest eine ähnliche Endungsform. Hier beschäftigen wir uns mit der Bedeutung der Endungen -ingen und -inghofen beziehungsweise -ikofen, -hofen sowie -ikon bzw. -iken, so dass Sie die Bedeutung der Ortsnamen Egerkingen, Däniken oder Gunzgen künftig Ihren Bekannten erklären können.
Ortsnamen mit der Endung -ingen sind sehr häufig anzutreffen, so zum Beispiel in den Gemeindenamen Boningen, Egerkingen, Härkingen, Oensingen und Stüsslingen. Die Endung lebt heute auch noch in Wörtern wie Jüngling, Frechling oder Schreiberling weiter. Die alemannische Landnahmezeit im ausgehenden 6. und hauptsächlich 7. Jahrhundert ist charakterisiert durch Orte mit der althochdeutschen Ableitung -ingum, neuhochdeutsch -ingen.
Es handelt sich dabei ursprünglich um eine adjektivische Ableitung, die eine Zugehörigkeit im weitesten Sinne und, bezogen auf Menschen, eine persönliche Verbindung verwandtschaftlicher oder rechtlicher Art ausdrückte. Die Familienangehörigen, die Gefolgsleute und die Untergebenen eines Herrn, dessen Personennamen im ersten Glied des Ortsnamens erscheint, wurden mit der Ableitung -ingum als Mitglieder dieser bestimmten Menschengruppe bezeichnet.
Wo sich demnach die Gruppe eines «Egrich» niederliess, wohnten die «Egrichinga», also eigentlich die ‹Egrichschen›, und wenn sie dann sesshaft wurde, konnte ihre Wohnstätte als «za diem Egirichingum», heute also Egerkingen ‹bei den Egrichschen› bezeichnet werden. Die -ingen-Ortsnamen bezeichnen somit primär eine Menschengruppe und erst sekundär eine Siedlung.
Zu dieser frühesten fränkisch-alemannischen Namenschicht gehören im Kanton Solothurn nebst den oben bereits erwähnten Gemeinden in Olten-Gösgen und Thal-Gäu folgende Ortsnamen: Aetingen (zum Personennamen Ato), Deitingen (Teito), Derendingen (Tarut), Gerlafingen (Gerolf), Lüsslingen (Liuzzilo), Meltingen (Malto oder Melto), Nunningen (Nunno), Obergerlafingen (Gerolf), Oekingen (Oticho), Subingen (Subo) und zahlreiche Weiler oder Wüstungen (ehemalige Siedlung) wie Finigen (Fino, Laupersdorf), Höngen (Huo(c)h, Laupersdorf), Ruppoldingen (Ruopold, Olten) und Ruttigen (Olten).
Ortsnamen, die auf frühe geistliche Grundherrschaft hindeuten, wie man sie beispielsweise in den Baselbieter Gemeindenamen Eptingen (‹die Äbtischen›, althochdeutsch abbat ‹Abt›) und Pfeffingen (‹die Pfäffischen›, althochdeutsch pfaffo ‹Priester›, Geistlicher, ‹Pfarrer›) findet, sind im Kanton Solothurn nicht vertreten. Es ist zudem auffällig, dass die -ingen-Namen in drei geografischen Räumen im Kanton Solothurn fehlen: im Leberberg, im hinteren Teil des Thals und entlang der Passwangstrasse.
Im Leberberg vermochte sich die romanische Vorbevölkerung offenbar über die fränkisch-alemannische Landnahme hinaus zu halten, sodass die Neuankömmlinge die bestehenden Ortsnamen übernehmen konnten. Auch in dem hinter der zweiten Jurakette gelegenen Guldental sowie im Westen des Schwarzbubenlandes, in den Tälern der Lüssel und der Lützel, ist der Typus nicht vertreten.
Mit der zunehmenden Sesshaftigkeit nach der Landnahme, in unserer Gegend ungefähr seit dem 8. Jahrhundert, verschob sich der Blick der Nachbarn von der Menschengruppe auf die Siedlung, die in den meisten Fällen aus einem einzelnen umfangreichen Bauernhof oder einer kleineren Ansammlung von Höfen bestand. Die ursprüngliche Form der -ingum-Namen wurde um das Grundwort -hofum (Hof ‹Hof, Besitz›) erweitert, sodass nun durch -ingohofum die Bedeutung ‹bei den Höfen der Leute des ...› ausgedrückt werden konnte. Möglich wäre aber auch, dass beispielsweise Hessigkofen nicht ‹Höfe der Hessingen, der Angehörigen des Hasso›, sondern ‹Hof Hessing› oder ‹Hesso-Hof› bedeutet.
Das Element -ingohofum unterlag in der Folge verschiedenen Veränderungen. So wurden zuerst die unbetonten Vokale reduziert und zum Teil gänzlich eliminiert. Von -ingohofum blieben lediglich die drei Konsonanten -ngh-, was letztlich zu einem «k» in der Aussprache führte. So entstand die Endung -igkofen, die im Kanton Solothurn durch die Ortsnamen Aetigkofen, Hessigkofen, Küttigkofen, Lüterkofen und Nennigkofen im Bucheggberg vertreten ist, aber auch durch die Wüstungsnamen Günnikofen/Günnikon (Lohn-Lüterkofen) und Hächelkofen (Nennigkofen).
Östlich der Emme hingegen, die eine spezielle Dialektgrenze bildet, wurde das althochdeutsche Element -ingohofum im 14. Jahrhundert zu -ikon, -iken-, -ken oder -gen verkürzt. Beispiele hierfür sind die Ortsnamen Bolken, Däniken, Dulliken, Etziken, Gösgen, Gunzgen, Hüniken und auch das ehemalige Dorf Bienken (Oensingen) sowie die (ehemaligen) Siedlungsnamen Adliken (Wisen), Wilken und Denken (Matzendorf) und Neriken (Kienberg).
Egerkingen bedeutet demnach «bei den Angehörigen des Egirich», Däniken «bei den Höfen der Leute des Tanno», Dulliken «bei den Höfen der Leute des Tullo» und Gunzgen «bei den Höfen der Leute des Gunzo». All diese Ortsnamen sind mit einem (meist althochdeutschen) Personennamen gebildet worden.
Am Dienstag, 1. März, um 19.30 Uhr werden Jacqueline Reber und Beatrice Hofmann-Wiggenhauser in der Gemeindebibliothek Dulliken in einem Vortrag «Flurgeschichten in Olten-Gösgen» die Forschungsstelle «Solothurnisches Orts- und Flurnamenbuch» vorstellen und mit Flurnamen-Beispielen aus der Region ihre Arbeitsweise aufzeigen.