Die Türme der Stadtkirche in Olten sind nicht so gebaut, wie es auf den ersten Blick scheint. Wer genau hinschaut, erkennt die «Sparvariante».
Wer sich noch an die Renovation des Säli-Schlössli erinnert, weiss um den Gelehrtenstreit, der damals unter den Sachkundigen und Denkmalpflegern darüber herrschte, ob man nun die blechernen Zinnen und Türmchen des Schlösschens wieder in Blech erstellen müsse, oder ob man sie allenfalls neu in Mauerwerk aufführen solle.
Ein ähnlicher Streit dürfte sich entwickeln, sollten wir je in die Lage kommen, entscheiden zu müssen, was bei einer allfälligen Renovation der beiden Türme unserer Stadtkirche geschehen solle. Denn, man höre und staune: Auch sie sind aus Blech.
Raffiniert täuschende Art
Immer wieder weiten sich die Augen der Zuhörer ungläubig, wenn man ihnen an einer Stadtführung zeigt, auf wie raffiniert täuschende Weise hier Weissblech so bearbeitet und angestrichen worden ist, dass kein Mensch auf den ersten Blick merkt, dass hier offensichtlich Mauerwerk bloss vorgetäuscht worden ist.
Nur beim genauen Hinsehen stellt man fest, dass da und dort, bedingt durch das wohl doch respektable Gewicht des Materials, die Statik der Konstruktion etwas nachgegeben hat, dass hier ein Gesimse etwas eingeknickt, eine Fläche etwas blasig erscheint.
Dass die Türme seinerzeit bloss als Holzkonstruktionen erstellt und mit Blech verkleidet worden sind, war wie 1871 beim Säli-Schlössli wohl eine Kostenfrage.
Hatten beim Säli-Schlössli die extra für die «Renovation» des Schlösschens gedruckten Säli-Aktien zu wenig Kapital eingebracht, waren es bei der Stadtkirche vermutlich zwei Gründe gewesen, von einer Konstruktion der Türme in Mauerbauweise abzusehen. Zum einen der anderthalbjährige Bauunterbruch, zum andern die sich schon vor der Fertigstellung abzeichnende gewaltige Kostenüberschreitung.
Ursprünglich in Stein vorgesehen
Sei dem, wie es wolle. Auch mit ihren beiden von Nikolaus Purtschert 1809 entworfenen Türmen besitzt unsere Stadtkirche ein Merkmal, das sie von allen andern Kirchen auszeichnet.
Pfarrer Emil Meier stellt das in seinen Ausführungen über den Bau der Stadtkirche zwar in Abrede, dennoch scheint ein genauer Vergleich mit der von Blasius Baltenschwiler gezeichneten Ansicht von der Hauptfront her – die beiden auf diesem Riss gezeichneten Türme sind in ihrem Aufbau deutlich schlanker und anders strukturiert – die Annahme zu stützen, dass diese ursprünglich sehr wohl hätten in Steinbauweise errichtet werden sollen.
Das würde auch erklären, weshalb der Verfasser eines Berichtes im Oltner Tagblatt vom 9. September 1899 schreiben konnte, es sei im Schosse der Behörden die Anregung gemacht worden, nach der Klärung der Eigentumsfrage an der Kirche die beiden Türme, die seinerzeit nur provisorisch erstellt worden seien, auszubauen, wodurch mit der Kirche auch das ganze Bild der Stadt eine wertvolle Verschönerung erfahren würde. Ob sich das allerdings heute bewahrheiten würde, bleibe vorerst dahingestellt.