Die neue Ausstellung «Voyage, voyage» im Kunstmuseum Olten transportiert den Besucher in die Ferne. An Orte der Sehnsucht – und an Orte, wos wehtut.
Reisen ist brutal. Immer. Wer anderes behauptet, verwechselt Reisen mit Ferien. Wer in ein Flugzeug gestiegen ist, um an seinen Zielort zu gelangen, ist nicht gereist. Hat nichts gesehen, nichts gerochen, nicht erbrochen, nichts gespürt. Ausser der lauwarmen Aufbacklasagne, die noch fettig im Bordklo glänzt.
Reisen ist im besten Sinn Selbsterfahrung, im schlimmsten Tortur. Davon erzählt die heute eröffnete Sommerausstellung «Voyage, voyage» Über das Reisen in der Kunst» im Kunstmuseum Olten. In zahlreichen Erzählsträngen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – die sich aber gleichwohl in der Ferne treffen.
Blickfang und Hauptstück der Ausstellung ist der Wohnwagen, der im Foyer steht. Seiner Grösse wegen musste er gekippt durch das herausgehobene Schaufenster hereingehievt werden. Den Caravan haben die Künstler Sergej Klammer und Sandi Paucic inwendig mit Kunstwerken bestückt, durch die sich eine Märklin-Modelleisenbahn ihren Weg bahnt. Dank eingebauter Kamera werden die vorbeiziehenden Bilder aufgezeichnet und auf eine Leinwand projiziert. Im Gegensatz dazu muss man schon genau hinsehen, um das kleinste Exponat der Schau überhaupt zu bemerken: Eine Streichholzschachtel mit Paris-Sujet. Nach einer Fussreise, die er von seinem Pariser Atelier aus nach Balsthal zurücklegte, platzierte der Künstler Nico Müller darin den Staub, der sich in seinem Schlafsack gesammelt hatte.
Einen Fussmarsch thematisieren auch zwei weitere Künstler: Jan Hostettler wanderte die rund tausend Kilometer vom Grossen St. Bernhard nach Rom. An den vierzig Tagen, die die Reise dauerte, schoss er jeweils ein Schwarz-Weiss-Foto von der Landschaft, in der er sich befand. Die Lücken zwischen den Stationen hat der Betrachter gedanklich selbst zu füllen. Marinka Limats Herangehensweise steht konträr dazu: Ihre «Kunst-Pilgerreise» von Kassel nach Athen wird sie über soziale Netzwerke live ins Museum übertragen.
Besonders haften bleiben zwei Filme, die von erzwungenen Reisen handeln. In «Erfan’s notebook» des Künstlers David Zehnder ist nichts weiter zu sehen als ein Notizheft, das langsam von vorne nach hinten geblättert wird. Die Notizen skizzieren ein Porträt des jungen Flüchtlings Erfan, der sich die Zeit in einem türkischen Gefängnis mit Englischlernen vertreibt: Sein Wortschatz handelt von Immigration und Zugabfahrtszeiten.
Lena Maria Thüring zeigt in «Hanjin Palermo», wie die Besatzung eines Frachtschiffes seine Freizeit verbringt. Die Filipinos, zahlreich und schlecht bezahlt, schmettern mit Herzblut Karaokesongs. Ihre deutschen und polnischen Kollegen sitzen meist stumm und reglos daneben. Ihnen bleibt das Bier in der Hand.
Wie gewohnt werden den zeitgenössischen Arbeiten Werke aus der Sammlung gegenübergestellt. Reisen, wird hier klar, war schon immer verbunden mit Sehnsucht, Ungewissheit – und einer Konfrontation mit sich selbst.
Die Ausstellung dauert bis zum 20. August 2017.