Tattoos sind eine Kunst der speziellen Art. Vor allem im Sommer präsentiert sich der Körperschmuck auffällig auf der Haut. Wir erzählen die Geschichten hinter der Tinte.
Früher galten sie noch als rebellischer Akt, heute zählen sie zur Körperkunst und sind beinahe überall zu sehen. Die Rede ist von Tätowierungen – oder auf Englisch: Tattoos. Heutzutage sind sie geläufig, gehören beinahe schon zum Alltag. Dave Horvath, Geschäftsführer des Tattoo- und Piercingstudios La Rebelle Suisse in Olten, kennt die Erklärung dafür: «Der Fussball hat Tattoos in der Öffentlichkeit bekannter gemacht», vermutet er. «Kaum ein Fussballer ist nicht von oben bis unten tätowiert.»
Zwar gibt es keine Statistiken, doch Umfragen in anderen westlichen Ländern wie den USA und Deutschland dürften in etwa auch die Situation in der Schweiz spiegeln. Schätzungsweise 15 Prozent der Bevölkerung unter 50 Jahren sind tätowiert. Gar ein Drittel aller Einwohner unter 30. Horvath lehnt sich sogar noch etwas weiter aus dem Fenster: «Ich denke, fast 50 Prozent aller unter 30-Jährigen haben ein Tattoo.» Einigen reicht ein kleiner Schriftzug, der sich gut verstecken lässt, andere verfallen gänzlich dem Suchtpotenzial und tragen die Tinte stolz am ganzen Körper.
Die Trends der Motive wechseln ständig. Waren es früher sogenannte Tribals oder chinesische Schriftzeichen, sind es heute beispielsweise Aquarell-Tattoos, Dot-working, bei dem sich das Gesamtbild aus vielen einzelnen Punkten zusammensetzt, oder geometrische Formen.
«Um Aquarell-Tattoos ist es zwar schon wieder etwas ruhiger geworden», sagt Horvath. Immer noch sehr aktuell sei das Lettering. «Vor allem die Namen von Familienmitgliedern lassen sich viele unter die Haut stechen», erzählt der Geschäftsführer des Tattoostudios. Aber nicht nur die Motive, sondern auch die Möglichkeiten der Künstler haben sich weiterentwickelt.
Wie eine Tätowierung funktioniert, weiss mittlerweile auch jeder: Mithilfe einer Tätowiermaschine stechen eine oder mehrere Nadeln Tinte oder andere Farbmittel in die zweite Hautschicht. Die Stiche dürfen dabei weder zu tief noch zu oberflächlich sein. Nur, wenn die Farbmittel in der mittleren Hautschicht eingelagert sind, bleibt das Tattoo dauerhaft.
Ungefährlich ist so ein «Eingriff» aber nicht, denn die Stoffe können beispielsweise Allergien oder Infektionen hervorrufen. Zudem will so ein Tattoo gut überlegt sein, nicht selten bereuen Tätowierte ihre Entscheidung im Nachhinein. Dies kann mehrere Gründe haben. Einerseits kann einem das Motiv Jahre später nicht mehr gefallen, andererseits können schlecht gestochene Tattoos verblassen oder verwischen und so vom ursprünglichen Motiv abweichen.
Für die Tätowierer des «La Rebelle Suisse» gibt es deshalb auch Grenzen: «Politische Statements wie beispielsweise ein Hakenkreuz stechen wir grundsätzlich nicht», so Horvath. «Auch von Gesichtstattoos raten wir tendenziell ab.» Obwohl Tattoos in der heutigen Gesellschaft gut akzeptiert seien, könne man sich mit gewissen Motiven noch immer die berufliche Karriere verbauen.
Ebenso wie Tätowierungen im Trend liegen, ist auch die Entfernung der Tinte in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Mittels eines speziellen Lasers können Lichtimpulse auf die Haut abgegeben werden, welche die kleinen Farbpigmente zerkleinern, sodass sie vom körpereigenen Lymphsystem abtransportiert werden können. Die Tinte ist dann nicht mehr auf der Haut sichtbar. Solche Laserbehandlungen bietet die Dermatologie-Abteilung der Pallas Kliniken an.
Aber auch Tattoo-Entfernungen sind nicht ganz unbedenklich. «Das kann man halt nicht einfach mit einem Radiergummi wieder ausradieren», sagt Christoph Schänzle, Chefarzt Dermatologie der Pallas Klinik. «Es ist sehr aufwendig, sich ein Tattoo entfernen zu lassen», gibt er zu verstehen. «Einerseits können nicht alle Tattoos vollständig entfernt werden, teilweise bleiben helle Hautflecken zurück.»
Ausserdem seien je nach Tätowierung mehrere Behandlungen nötig. Die Grösse und die Farben des Tattoos sind dabei entscheidend. «Schwarz lässt sich leichter entfernen als Rot, Geld oder Grün», erklärt der Dermatologe. Auch wie tief und dicht gestochen wurde, beeinflusst die Anzahl der Behandlungen. «In der Regel sind rund sechs bis zwölf Sitzungen nötig», so Schänzle weiter. Zwischen den einzelnen Behandlungen müsse man dem Körper sechs bis acht Wochen Ruhe geben. «Das kann dann schnell einmal zwei Jahre dauern, bis man sein Tattoo entfernt hat.»
Ausserdem sei die Behandlung natürlich eine Kostenfrage: «Kleinere Tattoos kosten zwischen 140 und 220 Franken», so Schänzle. «Grössere können bis zu 600 Franken pro Sitzung kosten.» Die Kosten bewegen sich folglich schnell im vierstelligen Bereich. Zudem sei die Behandlung teilweise schmerzhafter als das Stechen selbst.
Das Geschäft lohnt sich trotzdem: «Wir machen viele Entfernungen», sagt Schänzle. Früher wurden Tätowierungen meist ganz entfernt. Heute verändern sich die Wünsche: «Unsere Kunden lassen immer öfters Teilentfernungen machen, um dann ein sogenanntes Cover-Up zu stechen.» Mit dieser Methode könne man das ursprüngliche Tattoo beibehalten, eine fehlerhafte Stelle aber ausbessern. Unpräzises Stechen sei ein häufiger Grund, weshalb sich Patienten ihre Kunst wieder wegmachen lassen. «Das Tattoo entspricht dann nicht ihren Vorstellungen», weiss Schänzle.
Oftmals entferne er aber auch Jugendsünden wie «Arschgeweihe» (Tätowierung oberhalb des Gesässes), den Namen eines Verflossenen oder chinesische Zeichen. «Wir sehen es auch immer mehr, dass Leute sich Tattoos aus beruflichen Gründen wegmachen lassen, weil sie beispielsweise zur Polizei wollen», so Schänzle weiter.
Zwar ist die Entfernung jetzt schon ein Trend, doch laut Schänzle werde dieser noch grösser werden: «In den nächsten paar Jahren wird es eine gewaltige Welle geben», ist er sich sicher. Seine Begründung: «Der Mensch und die Welt verändern sich eben.» Wenigstens sei die Entfernung ungefährlich. Es lägen keine Fälle von Hautkrebs oder Allergien vor.
Schänzle warnt trotzdem: «So ein Laser gehört nur in die Hand eines Dermatologen.» Ungefährlich sei eine solche Behandlung nur, solange sie medizinisch korrekt und von einem Fachmann durchgeführt werde. Anders als Tattoos: «Als Hautarzt kann ich Tätowierungen grundsätzlich nicht befürworten», sagt Schänzle. «Wir setzen uns für die Erhaltung der Haut ein und nicht dafür, diese zu gefährden.»