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Die Oltner Sicherheitsdirektorin Iris Schelbert hält nichts von Verrichtungsboxen. Ihrer Meinung nach könnten aber Investoren den Strassenstrich verdrängen.
Frau Schelbert, um das Abfallproblem an der Oltner Haslistrasse zu lösen, gab es in dieser Zeitung einige Vorschläge, zum Beispiel Toitoi-WC, Verrichtungsboxen oder mehr Abfallkübel. Was wäre für Sie die sinnvollste Option?
Iris Schelbert: Verrichtungsboxen wie in Zürich schliesse ich aus. Erstens, weil die Erfahrungen in Zürich gezeigt haben, dass Verrichtungsboxen gar nicht der Nachfrage entsprechen. Beim Strassenstrich suchen die Freier schnellen und unverbindlichen Sex. Da haben sie keine Lust anzustehen. Zweitens, wenn wir in Olten eine solche Struktur einrichten würden, müsste sich die Stadt zum Strich bekennen und für grössere Kosten aufkommen. Und das wollen wir eher nicht. Und schliesslich drittens: Die Stadt besitzt gar kein Grundstück, wo eine solche Anlage eingerichtet werden könnte. Weitere Abfallkübel wären sinnvoll. Es besteht dabei aber das Risiko, dass dort nicht nur Strassenstrich-Abfall, sondern auch Haushaltsmüll entsorgt wird. Ein Toitoi-WC würde ich persönlich sinnvoll finden. Ich habe mich in der Vergangenheit auch dafür eingesetzt. Im Stadtrat gab es dafür aber leider keine Zustimmung.
Die Chance, dass überhaupt einer dieser Vorschläge umgesetzt wird, stehen also schlecht.
Die wirkungsvollste Lösung ist nach unserer Erfahrung, Plätze mit Barrieren oder Ketten abzusperren. Das empfehlen wir den Gewerbetreibenden auch. So wird immerhin vermieden, dass Freier gleich vor der Ladentür Dienste entgegennehmen. Ich verstehe die betroffenen Gewerbetreibenden. Am Morgen Kondome wegzuwischen ist sehr unangenehm. Deshalb nehmen wir jederzeit gerne Beschwerden entgegen und versuchen, Lösungen zu finden. Wir lassen die Gewerbetreibenden nicht allein. Die Polizei und der Werkhof analysieren zudem stetig die Lage, um Lösungen zu erarbeiten.
Das Problem ist bis heute aber offenbar noch nicht ganz gelöst. Wie könnte sich die Situation an der Haslistrasse ändern?
Ich glaube, dass sich die Situation erst richtig ändern wird, wenn in unmittelbarer Nähe der Haslistrasse investiert wird. Wie es zum Beispiel vor einigen Jahren das Gerolag Center mit einem Millionenbetrag getan hat. Als Bedingung für die Investition wurde damals die Zuweisung des Strassenstrichs aufgehoben. Dafür haben wir Ausschlusskriterien festgelegt. Der Strassenstrich darf zum Beispiel nicht in öffentlichen Räumen und auch nicht in Wohnquartieren stattfinden. Je belebter die Gegend, desto unattraktiv wird sie wiederum für die Sexarbeiterinnen.
Das Ziel ist also den Strassenstrich ganz aus Olten zu verbannen.
Ich glaube, niemand wünscht sich einen Strassenstrich in Olten. Wir können ihn aber nicht verbieten, da er der Handels- und Gewerbefreiheit untersteht. Wir können ihn aber zeitlich und lokal eingrenzen. Das haben wir schon getan. Glücklicherweise sind es an der Haslistrasse mittlerweile aber nicht mehr gegen 70 Frauen wie vor etwa fünf Jahren, sondern nur noch etwa 30 Sexarbeiterinnen.
Wie erklären Sie sich den Rückgang?
Vielleicht ist der Strassenstrich ein Auslaufmodell. Einen klaren Rückgang haben auch Fachstellen beobachtet. Man weiss aber nicht, wohin die Frauen neu hingehen. Vermutlich verlagern sich die Sexdienste in geschlossene Räume. Vielleicht liegt es an den Bedürfnissen der modernen Männer, für welche die Strasse vielleicht zu wenig diskret ist.
Verrichtungsboxen sind auch der Fachstelle Lysistrada zufolge, die sich für bessere Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen einsetzt, nicht die ideale Lösung. Vermutlich nicht alle Sexarbeiterinnen würden ein solches Angebot wirklich nutzen. Deshalb sind Verrichtungsboxen nur als ergänzendes Angebot sinnvoll. Nicht als einzige Option. Viel wertvoller am Strassenstrich ist ein Rückzugsort für die Sexarbeiterinnen, zum Beispiel einen Pausenraum. Gemäss Lysistrada belastet es Sexarbeiterinnen derzeit, dass junge Gaffer sie während ihrer Arbeit an der Haslistrasse beschimpfen und schikanieren (wir berichteten). Weiter wird es für die Frauen immer schwieriger, faire Preise mit Freiern auszuhandeln. Oft wird nach Sex ohne Kondome gefragt. Der Arbeitsort an der Haslistrasse hat offenbar aber auch Vorteile: Da alle am gleichen Ort arbeiten, können sie zueinander schauen. Es besteht also eine soziale Kontrolle. Zudem ist die Lage nicht ganz abgelegen und isoliert. Auch das macht den Arbeitsort weniger gefährlich. (DO)