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Es war nicht verboten, vor einem Wahllokal in Olten Unterschriften für ein Referendum zu sammeln.
Der Tessiner Politikwissenschafter Nenad Stojanovic sorgte vor zwei Jahren national für Aufsehen, als er ohne Partei im Rücken das Referendum gegen das Gesetz zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative anzettelte, das dann allerdings nicht zustande kam. In der Region für besonderes Aufsehen sorgte, dass er am 12. März 2017 Unterschriften dafür vor dem Wahllokal im Hübelischulhaus in Olten sammelte. An diesem Tag fanden die Kantons- und Regierungsratswahlen statt. Laut dem kantonalen Gesetz über die politischen Rechte ist es verboten, in Wahllokalen oder der näheren Umgebung «systematisch politische oder kommerzielle Propaganda» zu betreiben. Prompt boten die Verantwortlichen des Oltner Wahlbüros die Polizei auf, prompt setzte es eine Anzeige ab, und prompt erhielten Stojanovic und drei weitere Personen einen Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft. Sie wurden mit je 250 Franken gebüsst.
Das liess der Politologe aber nicht auf sich sitzen und zog vor Gericht. Seine Sammelaktion habe ja nichts mit den Solothurner Wahlen zu tun gehabt und er habe nur seine verfassungsmässigen demokratischen Rechte wahrgenommen. Und siehe da: Das Amtsgericht Olten-Gösgen sah das auch so. Er und eine Kollegin wurden im Mai 2018 vom Gericht freigesprochen, wie Stojanovic erst jetzt über die sozialen Medien bekannt machte. Er erhielt eine Parteientschädigung von 3000 Franken zugesprochen. Zwei weitere Mitstreiter hatten den Strafbefehl akzeptiert und die Busse bezahlt.
Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt nicht vor, aber offensichtlich sieht es das Gericht gleich wie der Politologe: Im Gesetz ist zwar allgemein von Propaganda vor Wahllokalen die Rede, aber scheinbar ist damit Propaganda zur jeweils stattfindenden Wahl gemeint oder aber das Unterschriftensammeln für ein Referendum ist generell nicht als Propaganda im Sinn des Wahlgesetzes zu beurteilen.
«Der Kampf um demokratische Rechte darf niemals aufhören», schreibt Nenad Stojanovic in einer Mitteilung auf seiner Homepage. Den Strafbefehl anzufechten sei für ihn eine Grundsatzfrage gewesen, er wäre notfalls bis vor Bundesgericht gezogen. Und warum verkündet er seinen Sieg erst jetzt? Zunächst habe er ja abwarten müssen, ob die Staatsanwaltschaft den Fall weiter zieht oder das Urteil rechtskräftig wird. Und dann habe er beruflich und privat viel anderes um die Ohren gehabt und gedacht, er mache die Sache zum zweiten Jahrestag seiner Abführung auf den Polizeiposten in Olten publik. (mou)