Olten
Umberto Arlati verstorben: Sein Sound klingt fort

Umberto Arlati, einer der grossen Musikersöhne der Stadt, ist vergangenen Montag im Alter von fast 84 Jahren verstorben.

Urs Huber
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Umberto Arlati ist nicht mehr; der Jazzer verstarb dieser Tage im Alter von knapp 84 Jahren.

Umberto Arlati ist nicht mehr; der Jazzer verstarb dieser Tage im Alter von knapp 84 Jahren.

Bruno Kissling

Als er 2010 endlich den Kunstpreis des Kantons Solothurn verliehen bekam, den er eigentlich nach Ansicht von Insidern schon viel früher verdient gehabt hätte, sagte Umberto Arlati über den Jazz-Nachwuchs, dieser hätte heute zwar einen Hochschulabschluss und sei technisch sehr versiert. Aber trotzdem fehle es vielen an Seele und Persönlichkeit; elementare Bestandteile einer Musikerpersönlichkeit, die eben weder gelehrt noch gelernt werden könnten an einer Hochschule.

Unlehr- und unlernbar

Seele und Persönlichkeit: Ingredienzen, die Umberto Arlati nie abgesprochen werden konnten; Ingredienzen, die den Selfmademan jenes Genres definieren, für welches Arlati stand: «Ich mache halt mein Ding», pflegte er zu sagen. Das erklären zwar viele, aber nur wenige tuns; das ist im Leben nun mal so. Arlati eben gehörte zu jenen, die taten, was sie sagten. Und sagten, was sie taten: spielen wollen und spielen nämlich. So war Umberto Arlati in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung, ein Mann, der in musikalischer Umgebung gross wurde und der sich als Selfmademan aus einfachen Verhältnissen durchsetzen konnte.

Die musikalischen Ursprünge liegen in seiner Kindheit, wo denn sonst. Arlatis Vater leitete ein Unterhaltungsorchester und dieser veranlasste auch, dass sein Sohn und Primarschüler Umberto Saxofonunterricht bekam. Nur wenige Jahre später spielte der Bub im Orchester des Vaters mit, kam zu Trompete und Jazz und mit Beginn der 1950er-Jahre gehörte er zu den Grossen in einem Musikgenre, dessen Anhängerschaft zwar anfänglich klein, aber nicht minder begeistert war von «Umbi», wie er unter Insidern genannt wurde.

Seine musikalischen Wurzeln waren tief im Bebop verankert; jenem Jazzstil, der den etwas ausgelatschten Swing in den späten 1940er-Jahren abzulösen begann. Gerne hätte er, wie er rund um die Preisverleihung 2010 bekannte, am Konservatorium studiert, aber wie es damals eben war: Die Eltern fanden, es müsse ein richtiger Beruf her, und so lernte der Jüngling Umberto Maurer und Plattenleger. Warum? Weil er gerne draussen gewesen sei und die Lehre bloss drei Jahre gedauert habe.

Jazz als Passion

Dann gings schnell, aber das ist natürlich schnell gesagt. Der Mann arbeitet im bürgerlichen Brotberuf, hatte eine vielköpfige Familie und fuhr schier jeden Abend nach Zürich, um in irgendwelchen Kellerlokalen als Jazzmusiker der A-Klasse aufzutreten. Erst bliebs bei Auftritten in der Schweiz, später folgte das europäische Ausland. In den frühen 50er-Jahren gabs reihenweise Auszeichnungen als bester Trompeter am Zürcher Jazzfestival. «Ich glaube, er war vom Jazzvirus befallen, Jazz war seine Passion», erinnert sich Michael Neuenschwander, einst Schüler Arlatis und ein guter Freund. Arlati, Vertreter einer andern Generation als diejenige Neuenschwanders, habe ihn beeindruckt durch seine Glaubwürdigkeit, musikalischen Authentizität. Und: «Er war ein Autodidakt; mit Haut und Haaren dem Jazz verfallen, wenn man so will.» Daneben schildert ihn Neuenschwander als liebenswerten Menschen, und eher ungeduldigen Lehrmeister. «Aber das war nicht so wichtig. Umbi hat alles mit einer guten Prise Humor gemacht und gesagt, auch wenn er mal ungeduldig wurde.»

Angenehme Erscheinung

Alle, deren Wege sich mit jenen Arlatis kreuzten, schildern den Mann unisono als humorvollen, liebenswürdigen, sympathischen Menschen.» So auch Peter Schärli aus Aarau, mit dem Arlati häufig auftrat. «Ein grosser Trompeter», sagt der Aargauer noch, «und daneben ein angenehmer lieber Mensch.» Ganz ähnlich der Originalton von Schlagzeuger Philipp Klay vom Verein Jazz in Olten. «Ich habe Umbi eigentlich erst spät kennen gelernt; aber die Zusammenarbeit mit ihm war äusserst angenehm; er war, wie man so schön sagt, ‹e liebe Cheib›.»

Wie sich zeigte, sollte sich Arlati, der sich immer bewusst war, in einem wenig massentauglichen Genre tätig zu sein, erst nach und nach hauptberuflich der Musik zuwenden können. Ab Mitte/Ende der Sechzigerjahre unterrichtete er an der neu gegründeten Swiss Jazz School in Bern, später folgten Engagements an der städtischen Musikschule. Ungezählt die Formationen, in den er mitwirkte, unter anderem bei der 1985 gegründeten Big Band Olten, die er auch leitete. «Er war in früheren Jahren so etwas wie ein Vorbild für uns», weiss Band-Gründungsmitglied Heinz Witschi. «Umbi galt als Vorkämpfer eines Musikstils, der damals nicht so verbreitet und eher umstritten war.»

Das vielleicht grösste Kompliment an die Adresse des begnadeten Jazz Trompeters kommt von Joachim Ernst Berendt, Verfasser des europäischen Jazz-Lexikons. Er hat – in Anlehnung an Arlatis beruflichen Werdegang geschrieben: «Umberto Arlati, der Fliesenleger aus der Schweiz, Miles Davis Europas.» Am vergangenen Montag ist dieser Umberto Arlati, knapp 84-jährig, von dieser Welt gegangen. Den Hinterbliebenen unser Beileid.