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Die Baselworld ist ein Muss für alle, die in der Uhren- und Schmuckwelt eine Rolle spielen wollen. Ernst Adam, Inhaber des gleichnamigen Uhren- und Bijouteriegeschäfts in Olten, tätigt dort ein Viertel des Einkaufs. Wir begleiteten ihn an die Messe.
Der grosse ovale Tisch in dunklem Holz vermittelt Behaglichkeit. Weiss gepolsterte Stühle verleihen dem Zimmer eine edle Note, ebenso die prächtige Orchidee. Hier, im hintersten Raum, kommt der privilegierte Messebesucher unweigerlich zur Ruhe. Messestand ist die falsche Bezeichnung für die feine Adresse. Vielmehr entschwebt man beim Betreten geradewegs ins Vallée de Joux und findet sich wieder in einem Uhrmacheratelier, das nach Handwerkskunst riecht. Taucht ein in die Welt von Blancpain, der ältesten Manufaktur der Welt (Gründung 1735).
Die Uhr, die auf dem Tisch liegt, ein Tourbillon Carrousel, kostet laut Preisschild Zweihundertachtundneunzigtausend Franken. Doch nach dem ersten Durchschnaufen sind es schnell einmal nicht die Preise, die den Laien faszinieren, sondern die Schönheit der Uhrwerke, die gezeigt werden. Präzision und Perfektion sind sofort erkennbar, erst recht beim Blick durch die Lupe. «Blancpain», erklärt Ernst Adam, «ist die Vermittlung der Uhrmacherkunst par excellence.»
Bénédicte Vandelle und Patrick Zbinden nehmen das Kompliment lächelnd zur Kenntnis. Sie empfangen Ernst Adam an diesem Morgen und dürfen seine Bestellung entgegennehmen. Adam, gelernter Uhrmacher, will das Sortiment um acht Blancpain-Stücke ergänzen. Modelle weit unter dem oben genannten Preis, denn für diese Klasse gibt es in Olten und seiner Region nur einen sehr beschränkten Markt.
Blancpain gehört wie IWC, Jaeger LeCoutre, Chopard und Omega sowie Pomellato und Wellendorf beim Schmuck zu den Topmarken in Adams Sortiment. Dass Adam sie überhaupt anbieten darf, ist nicht selbstverständlich. Vor allem in der Uhrenwelt verfolgen die Luxusmarken eine restriktive Vertriebspolitik. Nur wer punkto Auftritt, Fachkompetenz und Marketingaktivitäten die Vorgaben erfüllt, wird beliefert. Kommt dazu, dass die Topmarken in das Umfeld anderer Topmarken eingebettet werden wollen, was es für die Wiederverkäufer erst recht schwierig macht, überhaupt einen Fuss in die Türe zu bekommen.
Ernst Adam hat sich seinen Status über die Jahre erarbeitet und Gelegenheiten genutzt. Ein Uhren- und Schmucksortiment zu bewirtschaften «ist wie Schach spielen», schmunzelt er. Ganz offenbar hat er einige Züge im Voraus erahnt und die richtigen Schlüsse daraus gezogen, denn heute ist die Hübelistrasse 19 in der Branche die Topadresse schlechthin im Mittelland.
Der 62-Jährige betreibt das durch seinen Vater 1935 gegründete Fachgeschäft seit 37 Jahren. Einen grossen Teil des Umsatzes, der sich aus 60 Prozent Uhren- und 40 Prozent Schmuckverkäufen zusammensetzt, erwirtschaften er und seine fünf Mitarbeitenden mit den Topmarken. Doch allein darauf will sich Adam nicht konzentrieren. Vielmehr gestaltet er ein vielseitiges Angebot, in dem eine Blancpain und IWC ebenso Platz haben wie die erschwinglicheren Swatch und Tissot. «Ich habe grossen Respekt auch vor den Kunden mit einem 250-Franken-Budget», betont Adam.
An der Baselworld erledigt er ein Viertel des Jahreseinkaufs. Nach dem Besuch bei Blancpain wird er bei De Grisogono, einem Genfer Juwelier, erwartet. Adam, der von seiner jüngsten Tochter Leonie begleitet wird, will sich einen Überblick verschaffen und prüfen, ob die Aufnahme einer Kollektion eine Option sein könnte. Auf De Grisogono greift er gerne zurück, wenn die Kundschaft extravagante und ausgefallene, ja gar «durchgeknallte» Wünsche hegt. Allerdings, die Akquisition wäre nicht ganz billig und erforderte eine Grundinvestition von 100 000 Franken. Was Ernst Adam indes als durchaus sinnvoll erachtete, denn schliesslich gehe es darum, eine Kollektion im Schaufenster anständig präsentieren zu können. Der Entscheid für oder gegen De Grisogono werde später, nach einer Analyse zu Hause getroffen. Adams Daumen zeigt aber eher nach unten: «Die Preise beginnen dort, wo meine Möglichkeiten in etwa aufhören.»
Ganz anders sieht es bei Marie-Maude Michaud aus, die in Neuenburg als Teilhaberin des Vertriebsunternehmens Luxe-à-porter fungiert und Ernst Adam die holländische Marke Tirisa Moda schmackhaft machen möchte. Hier würde die Grundinvestition (24 000 Franken) wesentlich geringer zu Buche schlagen und – natürlich – ein anderes Spektrum abdecken. «Ich bin durchaus interessiert», sagt er nach dem Treffen, «aber ich müsste gut auswählen, um bestehende Kollektionen nicht zu kannibalisieren.» Diese Gefahr bestehe oft, wenn Neuheiten ins Auge gefasst werden.
Den Entscheid für oder gegen Tirisa Moda fällt Ernst Adam nicht allein im stillen Kämmerlein. Zu Hause bespricht er sich mit seinem Personal, denn «meine Leute müssen dahinter stehen und ein Produkt mittragen». Es könne nicht sein, ergänzt er lachend, «dass meine Mitarbeitenden den Kopf schütteln und denken, ich hätte an der Messe zu heiss gehabt».
An der Baselworld kauft Ernst Adam nicht nur ein, sondern pflegt auch Kontakte und Beziehungen. Der Weg zum nächsten Aussteller führt bei Furrer-Jacot vorbei, wo er vom Präsidenten und Delegierten Walter Häusermann begrüsst wird und einem finnischstämmigen Graveur über die Schulter schaut. Furrer-Jacot aus Schaffhausen ist Adams wichtigster Partner, wenn es um Trauringe geht. Überhaupt, meint er, seien ihm Geschäftsbeziehungen zu einheimischen Produzenten am liebsten, «da bin ich ganz patriotisch».
Der gleichzeitige Tanz auf verschiedenen Etagen scheint das Erfolgsrezept der Adam Bijouterie zu sein. Sein Credo «mit Profil ans Ziel» bewährt sich, das Resultat hebt sein Geschäft von anderen ab. Er weiss, dass Olten nicht St. Moritz oder Gstaad ist. Was aber nicht heisst, dass er nicht dann und wann zu einem Höhenflug ansetzen kann, wie eine Anekdote aus der Vergangenheit beweist. Einmal habe ein Kunde eine Blancpain für einen sechsstelligen Betrag gekauft. Der Mann sei in Manchesterhose und Arbeiterhemd in den Laden getreten und habe nach dem kostbaren Stück gefragt. Worauf Ernst Adam mit ihm ins Vallée de Joux reiste, um die Uhr anzuschauen. Der Rest ist Geschichte. Der Mann kaufte die Uhr und erklärte, in Zürich und Bern hätte ihm niemand die Blancpain zeigen wollen. Er gehört heute zu Adams Stammkunden und beweist, dass man nicht zwingend aufgrund von Äusserlichkeiten auf das Portemonnaie schliessen sollte.