Wangen bei Olten
Turm des Schweigens: «An den Anblick des Minaretts hat man sich gewöhnt»

eit siebeneinhalb Jahren ragt der sechs Meter hohe Turm vom Dach der Moschee in den Himmel. Nach langem Rechtsstreit konnte das Minarett von Wangen gebaut werden. Mehrmals stand die Moschee in den Schlagzeilen – doch nun ist es ruhig geworden. Funktioniert das Zusammenleben im Dorf?

Janine Gloor
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Das Minarett von Wangen ist mit seinen sechs Metern Höhe vergleichsweise klein. Bruno Kissling

Das Minarett von Wangen ist mit seinen sechs Metern Höhe vergleichsweise klein. Bruno Kissling

Mit den verschneiten Jurahügeln im Hintergrund sieht das Minarett von Wangen aus wie ein Teil eines Märchenschlosses. Nur wohnt hier keine heiratswillige Prinzessin, sondern der Türkisch-kulturelle Verein Olten. Seit siebeneinhalb Jahren ragt der sechs Meter hohe Turm vom Dach der Moschee in den Himmel. Nach langem Rechtsstreit konnte das Minarett von Wangen gebaut werden. Die darauffolgende Annahme der Minarett-Initiative verbietet heute den Bau weiterer Türme.

In den Jahren nach der Minaretteröffnung stand die Moschee mehrmals in den Schlagzeilen. Grund dafür war die Flagge der «Grauen Wölfe», einer rechtsextremen türkischen Bewegung. Trotz öffentlichem Druck flatterte die Wolfsfahne weiter, die rechtliche Grundlage für ein Verbot fehlt nach wie vor.

Keine negativen Vorkommnisse

Doch wie funktioniert das tägliche Zusammenleben von Minarett und Nachbarschaft in Wangen? Gemeindepräsident Beat Frey sind keine negativen Vorkommnisse bekannt. «Ich habe nie mehr etwas darüber gehört und ich glaube auch nicht, dass das Minarett im Dorf ein Thema ist», sagt er. Auf jeden Fall kein besonderes. «An den Anblick des Minaretts hat man sich gewöhnt, jetzt ist es einfach da.» Als störend empfindet Frey die Wolfsfahne, welche immer noch einer Erklärung bedürfe. Doch er hält sich zurück. «Diese Diskussion ist geführt worden und ich will sie nicht von Neuem beginnen.» Im Jahr 2009 hat Frey den Vertretern des Kulturvereins nahegelegt, das Baugesuch zurückzuziehen. Der Gemeindepräsident wollte Frieden stiften in seinem Dorf. «Der Rückzug wäre eine Basis für ein Kennenlernen gewesen. Ich wollte auf den Dialog setzen, die Leute hätten Vertrauen schöpfen können.» Doch die frommen Wünsche wurden nicht erhört. Der Turm zu Wangen wurde bewilligt. Nach dem Einweihungsfest hat sich das Verhältnis zwischen Moschee und Umgebung wieder abgekühlt. «Ich habe in den vergangenen Jahren nie mehr den Kontakt gesucht, umgekehrt hat sich der Verein auch nie an uns gewandt», sagt der Gemeindepräsident. «Man kennt sich nicht.» In seiner Stimme schwingt Bedauern mit.

«Immer friedliche Stimmung»

An einem verschneiten Januarmorgen führt eine Frau mit Hut ihren Terrier vor der Moschee spazieren. Der Hund bellt, die Frau ist freundlich. «Ich bin ab und zu hier», erzählt sie und zeigt auf das Gebäude. Emine Celebi ist selber Türkin und trifft sich mit anderen Frauen im Vereinslokal zum gemeinsamen Kochen und Essen. «Es herrscht immer eine friedliche Stimmung», sagt sie. Auch Nichtmuslime seien willkommen. «Am Freitag, das ist wie bei euch der Sonntag, kochen wir für die betenden Männer.» Sie seien auch stets darauf bedacht, keinen Lärm zu machen.

SVP-Nationalrat Walter Wobmann war 2008 Begründer der Minarett-Initiative. «Die Leute sagen nach wie vor, dass sie das Minarett in Wangen störe.» Aber man müsse sehen, dass es sich nur um ein kleines Minarett handle. In Holland, Deutschland und Südschweden werden viel grössere Türme gebaut. Wie Beat Frey stört auch Walter Wobmann die Wolfsflagge. «Diese Bewegung breitet sich schleichend in ganz Mitteleuropa aus», sagt er. Für Wobmann ist das Minarett ein Zeichen eines anderen Wertesystems. «Angesichts der Terroranschläge überall auf der Welt kann ein solches Symbol ungute Gefühle auslösen.» Ein zusätzliches Problem bei Moscheen sei, dass man oft nicht genau wisse, wer dort verkehre und wie sie finanziert werden.

Vis-à-vis der Moschee, im hölzernen Teil des Bahnhofs, arbeitet Andreas Marti bei der Elektromüllsammelstelle. Ihn stört das Minarett nicht, auch sonst könne er nichts Negatives über die Moschee oder ihre Besucher berichten. «Früher kam es am Freitag manchmal vor, dass unsere Parkplätze benutzt wurden. Doch dann habe ich mich ein paarmal rausgesetzt und seither geschieht das nicht mehr», sagt Marti. «Der Chef und die anderen grüssen auch immer», fügt er hinzu.

Im Vereinslokal laufen auf einem grossen Fernseher Nachrichten auf Türkisch. Ein Mann saugt Staub. Da er kein Deutsch spricht, kommt kein Gespräch zustande. Auch telefonisch war der Verein nicht erreichbar.