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Ob aus der Ost-, Inner- oder Westschweiz stammend: Wer Tracht trägt, gibt was auf Herkunft; nicht nur auf die soziale, sondern auch auf die geografische.
Um es vorwegzunehmen. Ganz gleich ob die getragene Tracht schlicht oder reich verziert ausfällt: Stolz darauf sind ihre Besitzer allemal. Silvia Fuhrimann aus Oberönz etwa besitzt mehrere Berner Trachten, aber zur Delegiertenversammlung in Olten trägt sie die Alte Berner Festtagstracht. Warum? «Weil an dieser der Silberschmuck noch am schönsten ist», lacht sie. Denn auch der will gepflegt sein.
Bis zu 7000 Franken hat hinzublättern, wer sich ein solch gutes Stücke schneidern lassen will. «Ein Glück, wenn man selbst etwas handanlegen kann wie ich», sagt die Oberaargauerin. Wieso übrigens Berner Trachten? Gefallen die am besten? «Ja, wissen Sie; man trägt eine Tracht vom eigenen Herkunftsort oder eine solche aus der Region, in der man aktuell wohnt, lebt, Freunde hat, eben daheim ist. Und im Kanton Bern bin ich daheim, da trägt Frau eben Berner Tracht. Unvorstellbar für mich, etwa in eine Waadtländertracht zu schlüpfen. Das wäre absolut fremd.» Die Tracht sei ein Symbol der Herkunft. Silvia Fuhrimann erklärt, sie habe schon immer Freude gehabt am Massgeschneiderten, an edlen Stoffen, dem durchaus Individuellen. Wer Tracht trägt, fällt auf? «Die Leute reagieren jedenfalls sehr positiv darauf», sagt sie.
Ins selbe Horn stösst Gertrud Neukomm aus Hallau. Vier bis fünf mal jährlich packt sie die Gelegenheit und trägt Tracht. Kirchgänge, Winzerfest. «Tracht tragen macht mich stolz», erklärt das verdiente Mitglied der Schweizerischen Trachtenvereinigung. Bis zu 10 000 Franken müsse man hinblättern für eine Hallauer Tracht, sagt sie noch, die eigentlich aus dem Baselbiet stammt, später familiär bedingt in der Ostschweiz landete und die dortige Tracht in ihre persönliche Garderobe aufnahm.
Rosmarie Kälin ist Präsidentin der Trachtengruppe «Waldlüt vo Einsidle» und trägt zur Delegiertenversammlung die seidene Festtagstracht aus den Innerschweizer Klosterdorf. Einsiedlerin ist sie durch und durch. «Ich geh gar nicht gern weg», sagt sie. Sie brauche nicht das Kloster oder die Skisprungschanze. «Ich brauche den Blick auf die Mythen.» Natürlich sei das Tragen der Tracht ein Zeichen der Verbundenheit mit dem Herkunftsort oder dem Lebensmittelpunkt. Aber das führe auch zu Missverständnissen «Noch immer meinen die Leute, ein Trachtenverein sei was für Bauern», sagt sie.
Dabei: Unter den über 100 Mitgliedern der «Waldlüt» seien gerade zwei Landwirte. «Das Vorurteil hält sich hartnäckig», bilanziert die Innerschweizerin, die gleich noch einem Bekannten aus dem Kanton Schwyz begegnet, der eine eher unauffällige Schwyzer Männertracht trägt. Männertrachten sind fast durchweg bescheiden gehalten, was unschwer festzustellen ist. Sie wird mit einem Bruchteil von dem zu Buch schlagen, was die seidene Festtagstracht von Rosmarie Kälin kostet? Beide nicken. «Tja. Männer sind auch nicht mehr Wert», meint der Schwyzer lachend.