Olten
Stadtpräsident Martin Wey tritt nicht mehr zu den Wahlen an: «Gewisse Abnützung ist sicher da»

Martin Wey erklärt im exklusiven Interview mit dieser Zeitung, wieso er nach zwei Legislaturen 2021 als Oltner Stadtpräsident abtritt und was er danach für Pläne hat.

Fabian Muster
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Martin Wey wird 2021 30 Jahre im Dienst der Stadt gewesen sein (im Hintergrund ein Foto des Stadtkaters Toulouse).

Martin Wey wird 2021 30 Jahre im Dienst der Stadt gewesen sein (im Hintergrund ein Foto des Stadtkaters Toulouse).

Bruno Kissling (5.3.2020

Stadtpräsident Martin Wey empfängt uns vergangenen Donnerstagmorgen in seinem Büro im achten Stock des Oltner Stadthauses. Der Grund fürs Interview ist die Nachfrage dieser Zeitung ein Jahr vor den Stadtratswahlen, ob er Anfang März 2021 nochmals kandidieren wird. Schon im vorgängigen Telefongespräch macht er klar, dass er nicht mehr antreten möchte, bittet aber darum, zuerst noch seine Stadtratskollegen und seine Mitarbeiter in der Direktion informieren zu dürfen. Das ist nun am Montag geschehen.

Werdegang bei der Stadt Olten

Martin Wey trat 1991 als Rechtskonsulent in den Dienst der Stadt Olten ein, war später Stadtschreiber und wechselte 2001 von der Verwaltung in die Politik, als er im ersten Wahlgang für die CVP in den Stadtrat gewählt wurde. 2013 setzte er sich dann ebenfalls im ersten Wahlgang gegen seine grüne Kontrahentin Iris Schelbert durch und wurde zum ersten Stadtpräsidenten in Olten gewählt, welcher nicht der FDP angehörte. (fmu)

Was war der Auslöser für den Entscheid, nach fünf Amtsperioden als Stadtrat, davon zwei als Stadtpräsident, bei den nächsten Wahlen nicht mehr anzutreten?

Martin Wey: Ich bin jetzt seit 1991 bei der Stadt Olten an­gestellt. Erst als Rechtskonsulent, dann als Stadtschreiber und nachher als Stadtrat war ich insgesamt bei rund 1500 Stadtratssitzungen dabei. 30 Jahre sind eine lange Zeit und es war sehr abwechslungsreich. Nun nehme ich für mich das Recht in Anspruch, mich neu auszurichten. Zudem wird es ziemlich auf den Tag genau 30 Jahre sein, dass ich im Dienst der Stadt bin, wenn ich nächstes Jahr Ende Juli mein Amt als Stadtpräsident abgeben werde.

Wann haben Sie den Entscheid gefällt, nicht mehr anzutreten?

Der Entscheid ist Ende vergangenen Jahres gereift. Es ist also kein Schnellschuss.

Hängt Ihnen die Stadt Olten nach knapp 30 Jahren zum Hals heraus?

Nein, überhaupt nicht (lacht): Es ist nicht so, dass ein Vorfall oder ein Ereignis den Entscheid ausgelöst hätte. In meiner Zeit habe ich vieles erlebt: Als ich bei der Stadtverwaltung begann, hatten wir noch das System mit fünf vollamtlichen Stadträten. Als Rechtskonsulent arbeitete ich die neue Gemeindeordnung aus mit nur noch einem in Vollzeit beschäftigten Stadtpräsidenten und sechs Stadträten im Nebenamt. Ich habe auch die gloriosen Zeiten erlebt, als die Stadt Olten finanziell sehr gut dastand und viele Projekte aufgegleist wurden. In den letzten Jahren gab es finanziell wieder etwas schwierigere Zeiten. Das hat meine Arbeit sehr interessant gemacht.

Das heisst, es gab keine Vorkommnisse, die auch dazu beigetragen haben, dass Sie nun nicht mehr antreten?

Es ist keine explizite Amtsmüdigkeit da. Aber nach 30 Jahren sagte ich mir, ich habe viel gemacht, einiges erreicht und der Zeitpunkt ist jetzt da, um neuen Kräften Platz zu machen. Auch die Auseinandersetzungen zwischen Stadtrat und Gemeindeparlamentariern beispielsweise – auch wenn manchmal zum Teil heftig – waren kein Grund, nicht mehr zu kandidieren. Das gehört dazu und ist gewollter Teil des politischen Systems in Olten. Zugeben muss ich allerdings, dass die letzten acht Jahre als Stadtpräsident – vor allem nach dem finanziellen Crash 2013 mit einem Defizit in zweistelliger Millionenhöhe trotz Steuerfusserhöhung – anstrengend und anspruchsvoll waren. Das ging nicht spurlos an mir vorbei, auch wenn ich es manchmal überspielt habe. Eine gewisse Abnützung ist sicher da. Und vielleicht kommt einem auch etwas die eigene Erfahrung in den Weg, weil man den Betrieb schon sehr lange kennt.

Sie werden nächstes Jahr 59. Da hätten Sie doch noch eine dritte Legislatur als Stadtpräsident anhängen, Projekte wie den neuen Bahnhofplatz in die Baureife führen, das neue Schulhaus Kleinholz eröffnen und sich nachher in die Pension verabschieden können. War das kein Reiz, noch weiterzumachen?

Dass ich grössere Projekte anreissen oder zu Ende führen kann, sollte ja eigentlich nicht der Anreiz sein, noch eine Legislatur anzuhängen. Ich glaube auch nicht, dass man als Politiker bis zum ordentlichen Pensionsalter arbeiten muss. Während meiner 30-jährigen Zeit bei der Stadt respektive meiner 20-jährigen Zeit im Stadtrat durfte ich doch für mich, aber auch für den Gesamtstadtrat, einige Erfolgserlebnisse verbuchen, sodass ich genügend gute Erfahrungen gemacht habe. Natürlich sind diese von Ihnen erwähnten Projekte noch da. Aber man muss auch sagen können: Jetzt ist fertig, die Vorarbeiten sind geleistet und jetzt soll meine Nachfolge diese weiterführen.

Wie hat Ihr persönliches Umfeld auf Ihre Entscheidung reagiert?

In der Familie ist mein Entscheid natürlich auf Akzeptanz gestossen, da unterstützt man mich. Bei der CVP wurde der Entscheid bedauernd zur Kenntnis genommen, weil die Partei nun das Amt des Stadtpräsidenten verlieren könnte. Aber es wurde auch Verständnis gezeigt, dass ich mich nach 30 Jahren neu ausrichten will.

Mit Ihnen droht die CVP ihren einzigen Vertreter im Stadtrat zu verlieren. Sehen Sie mögliche Nachfolger?

Unsere Partei ist soweit gut aufgestellt, obwohl wir eine dünne Personaldecke haben. Es gibt durchaus fähige Persönlichkeiten, die für den Stadtrat kandidieren könnten. Ich würde es sehr begrüssen, wenn aus meiner Partei jemand antreten würde. Ich hüte mich aber davor, Namen zu nennen.

Mit 59 Jahren werden Sie als Stadtpräsident abtreten. Was machen Sie danach?

Ich habe keine konkreten Pläne. Es ist aber klar, dass dies noch ein Alter ist, wo ich genügend Energie und Neugierde habe, etwas zu tun. Es kann durchaus sein, dass ich mich in einem Themengebiet weiterbilde, das in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen ist. Mein Beruf ist Rechtsanwalt, zudem habe ich jetzt einen grossen Rucksack durch meine Tätigkeit bei der Stadt, sodass aus meiner Sicht viele Optionen offen stehen. Ich lasse mich nicht stressen und freue mich auf neue Herausforderungen in der Zeit danach.

Sie waren bis vor Ihrem Antritt als Stadtpräsident selbstständiger Rechtsanwalt und Notar in Olten.

Es besteht die Möglichkeit, wieder in den Beruf einzusteigen. Es kann als Rechtsanwalt sein, es könnte in einer Kanzlei sein, oder auch als Berater – aber es könnte auch etwas ganz anderes sein. Vielleicht möchte ich mich auch mal emanzipieren von meiner bisherigen Arbeit.

Sie haben bekanntlich auch eine stark künstlerische respektive musische Ader. Sie spielen gut Klavier, wie ein breiteres Publikum auch schon bei Ihren Auftritten in den Oltner Läden im August 2016 mitbekommen hat. Das kam wohl in den letzten Jahren zu kurz.

Das ist dasjenige Themengebiet, das ich vielleicht in Zukunft stärker beachten will. Ursprünglich wollte ich ja an die Jazzschule gehen. Zu dieser Idee sagte mein Vater: «Du musst zuerst etwas Seriöses lernen.» Das war dann ein Rechtsstudium. Ob das seriöser ist als zum Beispiel ein Job als Barpianist, weiss ich nicht. Aber der musikalische und kulturelle Bereich war für mich permanent und eminent wichtig auch während meiner ganzen Zeit als Politiker. Es war zusammen mit dem Sport ein Ausgleich. Ich kann mir vorstellen, dass diese Neigung zur Musik am Ende der Amtsperiode wieder überhand nimmt. Es ist daher gut möglich, dass ich mich in diesem Bereich weiterbilden werde.

Liebäugeln Sie auch mit einem anderen politischen Amt nach dem Abgang als Stadtpräsident?

Zurzeit ist das kein Thema. Ich konzentriere mich noch auf meine knapp anderthalbjährige Amtszeit als Stadtpräsident. Weitere politische Ambitionen hege ich derzeit nicht. Es ist auch nicht mein Ziel, nachher sofort ein anderes politisches Amt anzustreben. Mein Fokus wird der Job sein, mir dort ein neues Standbein zu schaffen und mich eventuell beruflich neu zu orientieren. Ob Politik später noch eine Rolle spielt, will ich nicht ausschliessen, doch es steht absolut nicht im Vordergrund.

Auch eine vorzeitige Pensionierung ist nicht angedacht?

Schon rein vom Alter her werde ich selbstverständlich weiterarbeiten. Ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, nichts mehr zu tun. Dazu bin ich viel zu neugierig und kontaktfreudig. Ich werde weiterhin unruhig unterwegs sein.