Einordnung
Soll die Kirche zum Pub werden?

Durch die vermehrte Kirchenaustritte können die Glaubensgemeinschaften die Gotteshäuser nicht mehr finanzieren. Für die drei Gotteshäuser in Hägendorf, Trimbach und Starrkirch-Wil muss man eine Umnutzung ins Auge fassen.

Beat Nützi
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Was geschieht mit diesen Kirchen (v.l.): Christuskirche in Hägendorf, Dorfkirche St. Peter und Paul in Starrkirch-Wil und Kreuzkirche in Trimbach.

Was geschieht mit diesen Kirchen (v.l.): Christuskirche in Hägendorf, Dorfkirche St. Peter und Paul in Starrkirch-Wil und Kreuzkirche in Trimbach.

Bruno Kissling

Immer mehr Menschen drehen den Kirchen den Rücken zu. Die Kirchenaustritte haben auch einen finanziellen Aderlass zur Folge, weil Steuergelder verloren gehen. So wird es für die Glaubensgemeinschaften zusehends schwieriger, die Gotteshäuser zu finanzieren. Sie sind deshalb gezwungen, nach Umnutzungen Ausschau zu halten. So zum Beispiel die Christkatholiken in der Region Olten, die es sich laut Kirchgemeindepräsident Kurt Stutz nicht mehr leisten können, für rund 530 Mitglieder vier Kirchen zu unterhalten. Deshalb soll die neu renovierte Stadtkirche in Olten zum alleinigen Zentrum werden, während man für die drei anderen Gotteshäuser in Hägendorf, Trimbach und Starrkirch-Will Umnutzungen ins Auge fasst. Eine Vermietung, ja sogar ein Verkauf soll möglich sein.

Über 100 registrierte Objekte

Umnutzungen von Gotteshäusern sind nicht nur bei den Christkatholiken in der Region Olten ein Thema. In der Datenbank Kirchenumnutzungen der Universität Bern sind derzeit landesweit 116 Objekte enthalten, 7 davon aus dem Kanton Solothurn: 75 Objekte der römisch-katholischen Kirche, davon 6 im Kanton Solothurn, 38 Objekte der evangelisch-reformierten Kirche, keines davon aus dem Kanton Solothurn sowie 3 Objekte der christkatholischen Kirche, wovon eines, nämlich die Stadtkirche St. Martin Olten, aus dem Kanton Solothurn. Die christkatholischen Gotteshäuser in Hägendorf, Trimbach und Starrkirch-Wil sind somit in der Datei noch nicht enthalten. Das bedeutet: Die tatsächliche Zahl der für Umnutzungen infrage kommenden Gotteshäuser dürfte wohl jene der erwähnten Datenbank weit übertreffen.

Vielfältige Umnutzungen

Aus dem Kanton Solothurn sind folgende Objekte registriert: Franziskushaus der Kapuziner in Dulliken (Umnutzung nach Verkauf offen), Kapuzinerkloster Dornach (Schenkung an die Stiftung Kloster Dornach, genutzt als Restaurant und Hotel mit kulturellen Veranstaltungen), Kapuzinerkloster Solothurn (Rückgabe an den Kanton, Neunutzung noch unklar), Kloster Visitation Solothurn (Klosterübergabe an den indischen Orden Sister of Sacred Sciences), Kloster St. Josef Solothurn (Galerie für zeitgenössische Kunst, «Haus der Kunst»), Kapelle Dreibeinskreuz Solothurn (Neunutzung offen) und Stadtkirche St. Martin Olten (Einbau des Sekretariats und Pfarrbüros in die neu renovierte Kirche). Alleine diese Aufzählung zeigt, wie breit der Fächer von Umnutzungen nur im Kanton Solothurn ist: Vom Restaurant- und Hotelbetrieb über kulturelle Verwendungszwecke bis zu Nutzungen durch andere Religionsgemeinschaften. Und das Gezeter mit der Nachbarschaft des Kapuzinerklosters Solothurn macht deutlich, wie schwierig es sein kann, wenn man eine im Tiefschlaf liegende Liegenschaft zu neuem Leben mit gewissen Lärmimmissionen erwecken will.

Kirchenführung setzt Grenzen

Bei der Umnutzung von Kirchen gibt es aber auch Grenzen. Die katholische Bischofskonferenz verbietet es zum Beispiel, Kirchen nichtchristlichen Glaubensgemeinschaften zur Verfügung zu stellen. Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund rät davon ab. So ist praktisch ausgeschlossen, dass etwa aus einem christlichen Gotteshaus eine Moschee wird und Muslime eine Kirche als Gottesdienstraum nutzen können, obschon sie wie Juden und Christen einer abrahamitischen Religion angehören. Doch eine solche Umnutzung hätte zuviel Konfliktpotenzial. Für die Umnutzung von Sakralräumen, Kirchen und Kapellen, empfiehlt zum Beispiel der in Solothurn residierende Bischof von Basel, es sei eine Zweckbestimmung möglichst nah an der Ursprungsbestimmung zu suchen. Er zeigt folgende Möglichkeiten auf:
Der Sakralraum bleibt im kirchlichen Eigentum mit einer Veränderung der liturgischen Nutzung: Nutzungspartnerschaften (mit Anderssprachigen, mit anderen Gemeinschaften), Nutzungsübereignung (an andere Gemeinschaften), besondere Nutzung (Citykirche, Begräbnisstätte), Einschränkung der liturgischen Nutzung (Werktags Kapelle im Chorraum).
Der Sakralraum bleibt im kirchlichen Eigentum bei einer Beendigung der liturgischen Nutzung: Umnutzung zu kirchlichen Zwecken (Caritas Anlaufstelle, Verwaltung, Museum, Bibliothek), Umnutzung zu kommerziellen Zwecken (Wohnungen, Büros, Werkstätten), Konservierung des Sakralraumes für eine «Bedenkzeit».

Der Sakralraum wird verkauft: Besondere Regelungen im Kaufvertrag (baulicher Umgang mit dem Raum, Nutzungseinschränkungen, Rückfallklausel usw.).
Der Sakralraum wird rückgebaut, weil der Bauunterhalt sehr teuer oder nur eine unangemessene Weiternutzung möglich ist.

Auch Anton Mosimann

Im Ausland ist man teilweise weniger zurückhaltend, was die Umnutzung von religiösen Gebäuden betrifft. In Grossbritannien beispielsweise werden – meist aus finanziellen Gründen – jedes Jahr 20 bis 30 Kirchen verkauft. In den Gebäuden entstehen Hotels, Wohnungen und sogar Pubs, oder sie werden einfach abgerissen. Legendär ist das Club-Restaurant des Schweizer Starkochs Anton Mosimann in einer ehemaligen Kirche in London, die er bereits 1988 erwerben konnte. Diese Kirche hat ihm mehr Glück gebracht als das Sälischlössli in Olten, wo er zwischen 2001 und 2003 erfolglos versuchte, sein Clubkonzept umzusetzen. Vielleicht hätte er es besser in einer Kirche versucht...

Öffentlichkeit einbeziehen

Schliesslich stellt sich die Frage: Worauf sollten Kirchgemeinden achten, wenn sie sich eine Umnutzung überlegen? Das Wichtigste ist, dass der Dialog im Vorfeld mit allen Beteiligten gut aufgegleist wird und alle Partner in den Prozess eingebunden sind: Die Kirchgemeinde, die zukünftigen Nutzer, die Denkmalpflege und natürlich auch die nichtkirchliche Öffentlichkeit, der die Nutzung der meist zentral gelegenen Gotteshäuser nicht gleichgültig ist. Und: Eigentlich gehören die Kirchengebäude nicht nur der Kirche, sondern auch der Öffentlichkeit – sie sollten deshalb öffentliche Orte bleiben. Die Offenheit, mit der die Christkatholiken in der Region Olten die Diskussion über die Umnutzung von drei ihrer vier Kirchen angehen, ist vorbildlich. Auch wenn sie aus der Not heraus handeln.

beat.nuetzi@azmedien.ch