Oltner Kabaretttage
Schertenlaib & Jegerlehner sind lustig, ohne Pointen-Stress zu verbreiten

Wie jedes Jahr sind im Frühsommer die Kabaretttage in Olten. Impressionen eines berührenden Kabarett-Abends mit den Cornichon-Preisträgern Schertenlaib & Jegerlehner im Stadttheater Olten.

Pedro Lenz
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Die Cornichon-Preisträger Schertenlaib (Michel Gsell, rechts) und Jegerlehner (Gerhard Tschan) gaben ihr Programm «Zunder».

Die Cornichon-Preisträger Schertenlaib (Michel Gsell, rechts) und Jegerlehner (Gerhard Tschan) gaben ihr Programm «Zunder».

Bruno Kissling

Jedes Jahr im Frühsommer sind in Olten Kabaretttage. Jedes Jahr im Frühsommer hängen die grünen Fahnen an der Aarebrücke, die den Bahnhof mit dem Stadttheater verbindet. Jedes Jahr im Frühsommer giert Olten nach Pointen. Entsprechend erwartungsfroh ist das Publikum am vergangenen Mittwochabend kurz vor acht im Stadttheater.

Angesagt ist das musikalisch-theatralische Duo «Schertenlaib und Jegerlehner». Diesem Duo kommt in diesem Jahr die Ehre zu, mit dem Prix-Cornichon, dem Preis der Oltner Kabaretttage, geehrt zu werden. Und wie es nun mal Brauch ist in der Welt der Kleinkunst: Wer einen wohlverdienten Preis empfangen möchte, muss ihn sich vorher noch einmal mit harter Bühnenarbeit verdienen.

Gelächter macht sich Luft

Doch bevor die beiden Mittfünfziger aus Thun die Bühne betreten, gibt es noch eine Begrüssung vonseiten der Veranstalter. Und als der Gesamtleiter der Kabaretttage, Alex Summermatter, die Gäste aus der Politik begrüsst und beim Solothurner Landammann kurz auf seinem Notizzettel den Nachnamen spicken muss, macht sich beim Publikum das aufgestaute Gelächter ein erstes Mal Luft.

Als sich danach noch der deutsche Comedian Christoph Walther als Moderator vorstellt und ein paar lustige Dinge erzählt, explodiert das Gelächter. Lustiger scheint es nicht mehr werden zu können. Der neutrale Zuschauer fürchtet um das Gelingen des Abends. Aus Erfahrung weiss er zwar, dass Scherteinlaib & Jegerlehner meistens ausgesprochen lustig sind. Aber sie haben nicht in jedem Satz eine Pointe versteckt und ihre Lustigkeit ist ganz anderer Art als diejenige Fernseh erprobter Stand-Up-Comedians hochdeutscher Muttersprache.

Tatsächlich beginnen Schertenlaib & Jegerlehner eher poetisch zurückhaltend. Die beiden Künstler betreten eng umschlungen die Bühne und führen als erstes einen bizarren Tanz auf, bei dem einer das Akkordeon spielt, das der andere trägt. Sie singen und lassen nebenbei kleine, wahre und wunderschöne Sätze fallen wie: «Zäme si mer weniger allei» oder «Für nes Duo bruuchts immer zwe.»

Verbindung hergestellt

Die Befürchtungen, dieser zuweilen skurrile Humor von Schertenlaib & Jegerlehner decke sich nicht mit der Lachbereitschaft des Publikums, erweisen sich bald als unbegründet. Tatsächlich ist die Verbindung zwischen der gut gelaunten Audienz im ausverkauften Stadttheater und den zwei musikalischen Kabarettisten (oder kabarettistischen Musikern) sofort hergestellt.

Humor – unaufdringlich

Bekanntlich kann Bühnenhumor auf sehr unterschiedliche Weise erzeugt werden. Eine Stärke dieses Duos ist der unaufdringliche Humor. Es ist ein Humor, der durch das Gefälle zwischen Elementen entsteht, die zusammen präsentiert werden, obwohl sie nicht ganz zusammen passen. Das kann ein Lobgesang auf das Bernbiet sein, der mit arabischem Sound unterlegt wird. Das kann auch ganz einfach eine Tuba sein, die auf dem Kopf eines Schlagzeugers parkiert wird. Zuweilen lacht man bei Schertenlaib & Jegerlehner freilich auch über die Unterschiedlichkeit der Figuren. Jegerlehner, gespielt von Gerhard Tschan, hat den Part des kleineren, hageren, giftigen, quirligen und eher ungeduldigen Charakters. Michel Gsell als Schertenlaib geht seinerseits auf in der Rolle des Dauerbeleidigten, der es immer gut meint, aber neben Jegerlehner viel zu jammern hat.

Das Duo Schertenlaib und Jegerlehner waren auch schon zu Gast bei der Late-Night-Show «Giaccobo Müller».

Während Jegerlehner der Verwegene ist, der beim Fabulieren gerne mal einen drauf gibt, spielt Schertenlaib oft den eher spiessigen Spielverderber, der die Geschichten des andern auf die Wahrheit herunterbricht. Besonders amüsant wird dies, wenn Schertenlaib zu einem Blues in englischem Sprechgesang aus früheren Jahren erzählt, von Motorradreisen durch Chicago und Louisiana mit viel Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Man möchte dabei gewesen sein, bis Schertenlaib ganz trocken erklärt, dass das Fünfstern-Hotel Chicago in Wirklichkeit der Zeltplatz von Tenero war und die heissen Öfen nicht mehr als zwei banale Töffli. Hier wird das humoristische Gefälle für das Publikum noch durch den Wiedererkennungseffekt verstärkt.

Kein Pointenstress

Doch die ganz grosse Meisterschaft dieses Duos ist es, immer lustig zu sein, ohne dabei einen Pointen-Stress zu verbreiten, wie es die Comedians normalerweise tun. Bei Schertenlaib & Jegerlehner kommen keine oder fast keine gesuchten Wortspiele zum Einsatz, dafür musikalische Virtuosität gepaart mit der Melancholie zweier Figuren, die im Leben nicht nur die Sonnenseite kennen gelernt haben.

Hinzu gesellt sich freilich noch eine Bereitschaft zum körperlichen Klamauk, die grossen Sinn für Timing voraussetzt, um nicht ins langfädige Blödeln zu verfallen. Auch dies beherrschen Schertenlaib & Jegerlehner meisterhaft: Sie können lange blöd tun, ohne dass es blöd wirkt. Oder, wie es die Preisrednerin Anina Barandun, Leiterin der Satire-Redaktion von Radio SRF, zum Ende eines rundum geglückten Abends treffend formulierte: «Schertenlaib & Jegerlehner sind gleichermassen schrill und berührend, ihre Kunst ist ein Pas de deux aus Innigkeit und Ironie.» Dem bleibt nichts anzufügen, bis auf ein bewunderndes «Chapeau!» und eine tiefe Verneigung.