Startseite
Solothurn
Olten
Ein Coiffeur war mit Scheren auf einen Mann losgegangen und musste sich dafür vor dem Amtsgericht Olten-Gösgen verantworten. Das Urteil: Es sei dem Angeklagten keine versuchte vorsätzliche Tötung nachzuweisen.
8 Jahre und 10 Monate Haft wegen versuchter vorsätzlicher Tötung forderte der Staatsanwalt für den Angeklagten R. A. (Name geändert) an der Gerichtsverhandlung letzte Woche. Der Verteidiger verlangte Freispruch. Das Amtsgericht Olten-Gösgen gab Anfang Woche das Urteil kund: Es verurteilt den Angeklagten zu insgesamt 4 Jahren und 3 Monaten unbedingter Freiheitsstrafe, sowie zur Errichtung einer Genugtuung in der Höhe von 10'000 Franken an den Geschädigten. Auch bleibt der Angeklagte auf den gesamten Verfahrenskosten sitzen, auf welche der Staat Anspruch erhebt.
Dem Coiffeur irakischer Herkunft wurden versuchte vorsätzliche Tötung, Körperverletzung, Tätlichkeiten, Nötigung und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung vorgeworfen. Während einer Rauferei in einem Oltner Coiffeursalon im Sommer 2016 habe der heute 41-Jährige nämlich einen syrischen Hilfsarbeiter – beide zu dem Zeitpunkt ohne Arbeitsbewilligung – mit Scheren bewaffnet angegriffen. Dieser erlitt bei der Auseinandersetzung einen Nasenbeinbruch, eine Gehirnerschütterung, eine Stichverletzung über dem Brustbein sowie Schnittverletzungen im Gesicht und am Oberarm. Danach habe der Angeklagte den Geschädigten genötigt, die Wahrheit vor den Behörden zu verfälschen, ansonsten würde diesem der Tod drohen.
Das Gericht teilte mit, in der Handlung des Angeklagten lediglich versuchte schwere Körperverletzung zu sehen: Indem der Angeklagte immer wieder mit Scheren in beiden Händen ausholte und auf das Gesicht des Geschädigten zielte, wie im Überwachungsvideo des Coiffeursalons nachzuverfolgen war, habe er eine schwere Verletzung des Mitarbeiters in Kauf genommen. Da aber die Tatwaffen nicht konfisziert werden und daher deren «Gefährlichkeit» nicht eingeschätzt werden konnte, könne man dem Angeklagten nicht nachweisen, die Tötung seines Kontrahenten in Kauf genommen zu haben.
Auch im Anklagepunkt «Nötigung» sprach das Gericht den Angeklagten nur teilweise schuldig: Da der Geschädigte letztlich doch die Wahrheit gesagt habe, sei es bei einer versuchten Nötigung geblieben. Das Urteil fiel daher weniger hoch aus, als vom Staatsanwalt und von der Anwältin des Geschädigten verlangt. In allen weiteren Anklagepunkten, nämlich Körperverletzung, Tätlichkeiten und Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung, sprach das Gericht den Angeklagten für schuldig.
Aus dem Umfeld des Verteidigers hiess es gestern, dass der Angeklagte den Fall vor das Obergericht ziehen wolle.