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Ein Paar hat drei gemeinsame Kinder, darf aber vorerst nur das jüngste selbst erziehen. Das Bundesgericht stützt damit einen Entscheid der Kesb Olten-Gösgen.
Dies ist eine Geschichte über schwierige Familienverhältnisse, wie sie im Lehrbuch stehen könnte. Eine heute 29-jährige Frau bringt 2013 ihre erste Tochter auf die Welt. Bereits wenige Wochen nach der Geburt geht bei der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Olten-Gösgen eine Gefährdungsmeldung ein: Die Mutter sei nicht fähig, das Kind zu betreuen, zudem sei der heute 46-jährige Vater mit physischer Gewalt aufgefallen.
Die Mutter und ihre Tochter werden im Dezember 2013 in einem Mutter-Kind-Heim untergebracht. Der Vater verliert das Besuchsrecht wegen Verdacht auf Gewalttätigkeit. Trotzdem kehrt die Mutter im März 2014 wieder zum Vater des Kindes zurück. Die Kesb entscheidet daraufhin, die Tochter in einer Pflegefamilie unterzubringen. Die Eltern dürfen sie einmal pro Woche besuchen.
2014 kommt die zweite Tochter auf die Welt. Die Eltern erhalten eine sozialpädagogische Begleitung. Weil der Vater wieder gewalttätig wird, landet die Mutter nun auch mit ihrer zweiten Tochter im Mutter-Kind-Heim. Nach ein paar Monaten kehrt sie im August 2015 aber erneut zu ihrem Partner zurück. Die Mutter erklärt sich einverstanden, dass auch die zweite Tochter fremdplatziert wird und bei der gleichen Pflegefamilie wie ihre ältere Tochter landet.
Im Abschlussbericht der sozialpädagogischen Begleitung heisst es, dass die Mutter ihrem Kind zwar die entsprechende Zuwendung gebe, der Vater aber grossen Einfluss aufs Familiensystem ausübe. Wegen eines Unfalls mit Entfernung von Magen und Speiseröhre habe er auch mit psychischen Problemen wie Aggressivität und Selbstmordneigungen zu kämpfen.
Das kinderpsychiatrische Gutachten hingegen hält laut Bundesgerichtsurteil fest, dass die Erziehungsfähigkeit der Mutter «mittelgradig bis deutlich» und die des Vaters «deutlich eingeschränkt sei». Die beiden seien mit «ihren persönlichen Problemen und Befindlichkeiten derart stark beschäftigt, dass sie den kindlichen Bedürfnissen zu wenig Raum geben könnten».
Beide Töchter haben emotionale Störungen: Die ältere stelle wegen Überängstlichkeit höhere Erziehungsanforderungen, die jüngere zeige eine Anpassungsstörung und sei auf Stabilität angewiesen. Die Gutachter kommen daher zum Schluss, dass die beiden Kinder am besten in der Pflegefamilie aufgehoben sind. Die Eltern fielen jeweils mit ihren Beschwerden bei der Kesb und beim Solothurner Verwaltungsgericht durch.
Auch vor Bundesgericht blitzten sie mit ihrer Beschwerde ab. 2016 hat das Paar geheiratet, es kam mit einem Sohn das dritte gemeinsame Kind zur Welt. Die Eltern machen in ihrer Beschwerde geltend, dass die Fremdplatzierung ihrer beiden Töchter nicht mehr nötig sei. Der Vater sagt von sich, dass die Trennung von Frau und Kinder zur Einsicht geführt hätte, dass er sich ändern müsse, und auch seine Erziehungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr eingeschränkt sei. Zudem verlaufe die Betreuung des dritten Kindes ohne Probleme.
Das Bundesgericht kommt in seinem Urteil vom 12. Mai zum Schluss (5A_15/2017), dass «eine Rückplatzierung zum jetzigen Zeitpunkt eine Überforderung der Kindseltern nach sich ziehen könnte, hätten sie doch plötzlich drei anstatt einem Kind zu versorgen». Die Gefahr sei gross, dass die Eltern ihre Kinder nicht so schützen und fördern können, wie es für ihre Entfaltung nötig sei. Zudem sei der gesundheitliche Zustand des Vaters trotz Verbesserung eine besondere Herausforderung für ihn, die Paarbeziehung und die Kinder.
Ferner bräuchten die beiden Mädchen wegen ihrer emotionalen Störungen und wegen ihrer besonderen Verletzlichkeit als Kleinkinder derzeit ein stabiles Umfeld, was bei den Pflegeeltern geben ist. Die Eltern müssen sich vorläufig mit dem wöchentlichen Besuchsrecht zufriedengeben. Dies kann allerdings nach Bedarf ausgeweitet werden.