Kritik am Schulterschluss
«Politstil der SVP und ‹einfachere Lösungen› passen nicht zum Freisinn»

Die kantonalen Parteien der FDP und SVP wollen das Kriegsbeil begraben und vermehrt zusammenarbeiten. Dieser Schulterschluss sorgt für Kritik bei der neuen Oltner Stadtparteipräsidentin Monique Rudolf von Rohr. Sie stört sich an vielem in der SVP.

Christian von Arx
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Monique Rudolf von Rohr: «Bei SVP und Blocher ist es vielen Freisinnigen einfach nicht wohl.»

Monique Rudolf von Rohr: «Bei SVP und Blocher ist es vielen Freisinnigen einfach nicht wohl.»

BRUNO KISSLING

«Schulterschlüsse mit der SVP sind des Freisinns Tod», schrieben Sie in Ihrem Leserbrief. Was hat Sie so kurz nach Ihrer Wahl zur Präsidentin der FDP Olten veranlasst, öffentlich zu dieser scharfen Wortwahl zu greifen?

Monique Rudolf von Rohr: Der Zeitpunkt war Zufall, Anlass war das Interview mit Christian Scheuermeyer und Silvio Jeker. Aber den Eindruck, dass ein Schulterschluss von FDP und SVP nur eine Frage der Zeit und des Generationenwechsels sei, konnte ich nicht so stehen lassen.

Warum nicht? Was spricht denn gegen einen solchen Schulterschluss?

Mir bereitet es tiefes Unbehagen, dass bei der SVP einfach die schweizerische Partei und eine dominierende Führerfigur alles von oben diktieren können. Das widerspricht meiner urliberalen Haltung. In einer Demokratie wird nicht von oben nach unten bestimmt, sondern umgekehrt: Zuerst wird an der Basis diskutiert, dann wird das Ergebnis nach oben weitergetragen.

Sie berufen sich auf ein politisches Prinzip. In Sachfragen gibt es aber doch Gemeinsamkeiten.

Sicher. Zusammenarbeit in der Sache schliesse ich keineswegs aus. Ich erwarte von der FDP Konsensfähigkeit und lösungsorientierte Zusammenarbeit. Dabei denke ich an die vielen initiativen Gruppen, die das städtische Leben in Olten prägen – an die Kulturszene, die Sportszene, die Kirchen und andere. Es gibt einen guten Oltner «Spirit». So soll die FDP auch mit anderen Parteien zusammenarbeiten – mit der SVP, aber auch mit anderen.

Neue Präsidentin der FDP Olten

Monique Rudolf von Rohr (59) unterrichtet als Berufsfachschullehrerin am BBZ Olten kaufmännische Lernende des E- und B-Profils. In Olten war sie Mitglied der Musikschulkommission, am 4. November wurde sie zur Präsidentin der FDP der Stadt Olten gewählt.

In einem Leserbrief vom 21. November (siehe unten) nahm sie pointiert kritisch Stellung zur Idee eines Schulterschlusses von FDP und SVP, die in einem Interview dieser Zeitung mit den kantonalen Parteipräsidenten Christian Scheuermeyer (FDP) und Silvio Jeker (SVP) zur Sprache kam. Monique Rudolf von Rohr ist geschieden, Mutter von vier Kindern und Grossmutter von zwei Enkelkindern.

Was passt Ihnen denn inhaltlich nicht an der Politik der SVP?

Sie setzt die bilateralen Verträge mit der EU aufs Spiel, die die Schweizer Wirtschaft für ihr Überleben braucht. Sie reduziert immer alles auf das Asylproblem. Bei den Bundesratswahlen beschneidet sie das aktive und passive Wahlrecht der Mitglieder der Bundesversammlung. Und dass die SVP sogar mit dem Gedanken spielt, die Schweiz solle aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten, geht für mich gar nicht.

Das sind alles nationale Themen, keine kantonalen oder städtischen.

Das stimmt. In der Stadt haben wir mit der SVP keine grossen Differenzen, was etwa die Sparpolitik betrifft. Da können wir zusammenarbeiten mit dem Ziel, für eine bürgerliche Politik parteiübergreifend Mehrheiten zu finden. Mit den SVP-Exponenten in der Stadt Olten kann ich gut reden. Ich gestehe ihnen zu, dass auch sie ihr Bestes geben, auch wenn ich zum Teil anderer Meinung bin.

Warum sind Sie trotzdem so vehement gegen einen Schulterschluss?

Themenbezogene Zusammenarbeit mit anderen Parteien ist für mich Ausdruck des Gemeinsinns, der zum Freisinn gehört. Aber ein Schulterschluss ist eine längerfristige Abmachung, die verbindlich zur Zusammenarbeit verpflichtet. Da gibt man ein Stück Autonomie auf. Wir Freisinnigen müssen unseren eigenen Weg gehen. Als Liberale kann man sich nicht längerfristig an eine Partei binden, die derart von oben gesteuert ist wie die SVP. Der gesamtschweizerische Politstil der SVP und die «einfachen Lösungen», die in der SVP-Propaganda präsentiert werden, passen nicht zum Freisinn.

In der Solothurner Ständeratswahl sind die Kandidaten von FDP und SVP gescheitert. Hätte gegenseitige Unterstützung mehr Erfolg versprochen?

Ich denke, das hätte nichts geändert. Das Resultat des 2. Wahlgangs zeigt mehr als deutlich, dass die freisinnigen Wählerinnen und Wähler Walter Wobmann nicht als Ständerat wollten. Beim Ständerat kommt es auf die Personen an. Man wünscht sich Personen im Ständerat, denen man ein authentisches Engagement für den Kanton abnimmt, auch wenn man zum Teil andere Meinungen hat als sie.

Die Frage wird sich wieder stellen, wenn die SVP 2017 für den Regierungsrat oder den Stadtrat kandidiert.

Auch das wird von den Personen abhängen. Ich bin nicht aus Prinzip dagegen, das wäre auch diktatorisch. Aber eine allfällige Unterstützung müsste in der FDP breit diskutiert werden. Bei Wahlempfehlungen wäre ich sehr vorsichtig.

«Schulterschlüsse mit der SVP sind des Freisinns Tod»: Welche Reaktionen haben Sie auf diesen Leserbrief erhalten?

Der Leserbrief ist meine persönliche Meinung. Es haben sich andere Ortsparteipräsidenten bei mir gemeldet, die mir zustimmten und mir dankten. Allgemein höre ich in der Stadt oft, dass es den Leuten bei SVP und Blocher einfach nicht wohl ist. Eine negative Befindlichkeit gegen diese Partei ist bei den Freisinnigen weit verbreitet. Ein Schulterschluss mit der SVP würde viele vor die Frage stellen, warum sie überhaupt noch FDP wählen sollten.

Der Leserbrief von Monique Rudolf von Rohr

Schulterschlüsse mit der SVP sind des Freisinns Tod
Ausgabe vom 17. 11.: Schulterschluss

In Olten herrschte schon immer ein liberaler, offener Geist, dessen Kräfte sich gesamtschweizerisch 1894 in der Gründung der freisinnigen Partei im Oltner Bahnhofbuffet bündelten. Ich selbst bin mit dem Solothurner Freisinn aufgewachsen und der freisinnige Wahlspruch, «Freisinn, Fortschritt und Gemeinsinn» ist für mich keine leere Hülle, sondern in unserer Familie wurde danach gelebt. Als liberale Bürgerin ist es für mich selbstverständlich, andere Meinungen und Befindlichkeiten wahrzunehmen und zu akzeptieren. Wo für mich aber die Toleranz ihre klaren Grenzen hat, ist dann, wenn sich eine Partei wie die SVP aus der Menschenrechtskonvention ausklinken will, wenn sie ihren Nationalräten und Nationalrätinnen das aktive und passive Wahlrecht verweigert (siehe Bundesratswahlen), eine gewählte Bundesrätin aus der Partei ausschliesst, wenn Exponenten dieser Partei sich mit menschenverachtenden und rassistischen Äusserungen hervortun oder oberste Exponenten in Wahlkampfvideos mit dem Nazisymbol 88 kokettieren. Dazu kommt das leichtfertige aufs Spiel Setzen der bilateralen Verträge, welches die wirtschaftliche Prosperität der Schweiz gefährdet.

Natürlich gibt es auch in der SVP gemässigte Politiker, die konsensfähig sind und mit denen man, genau dann, wenn es nötig ist, vor allem auch auf wirtschaftlicher Ebene, die entsprechenden Lösungen suchen kann. Aber Schulterschlüsse mit der SVP sind des Freisinns Tod, davon bin ich überzeugt – im Übrigen hat das bereits 2011 nicht funktioniert, als es darum ging, Kurt Fluri in den Ständerat zu wählen, und in der Stadt Olten hat ein sogenannter bürgerlicher Schulterschluss schlicht zum Verlust eines Stadtratssitzes geführt. Der Freisinn soll sich auf seine Stärke besinnen (die leider oftmals auch als Schwäche verstanden wird), nämlich lösungsorientiert und kompromissfähig zu politisieren. Das bedeutet konkret, manchmal ein Stück weit abzuweichen von den eigenen Vorstellungen, dafür sind die gefundenen Lösungen tragfähig. Aber in einer Art «vorauseilendem Gehorsam» bereits der SVP zuzuarbeiten, dafür bin ich nicht zu haben. Wenn jetzt jemand fragt, ob ich von einer Parteiversammlung legitimiert bin, mich so zu äussern, dann muss ich dies verneinen, ich wurde eben erst als FDP-Präsidentin der Stadt Olten gewählt – dies ist also im Moment meine ureigene, ganz persönliche Meinung.

Monique Rudolf von Rohr, Olten