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Die Stadt und der Kanton zeigen zu wenig Menschlichkeit – das ist der Vorwurf von Freiwilligen in einem Podium im Coq d’Or. Im Kulturlokal diskutieren Freiwillige vom Verein Olten im Wandel mit Behördenvertretern über die Oltner Asylpolitik.
Bei einem Bier diskutierten Freiwillige vom Verein Olten im Wandel diese Woche im gut belegten Kulturlokal Coq d’Or mit Behördenvertretern über die aktuelle Asylpolitik in Olten. Der Hauptvorwurf der Freiwilligen an die Stadt: Für die Unterstützung und Integration der Asylsuchenden, die im kantonalen Durchgangszentrum im Oltner Gheid untergebracht sind, mache die Stadt zu wenig.
Vieles bleibe an den Freiwilligen hängen. Schnell nahm Anne Birk vom kantonalen Amt für soziale Sicherheit die städtischen Behörden in Schutz: «Für die Unterkunft im Gheid ist der Kanton zuständig.»
Die anwesende Iris Schelbert, Stadträtin Öffentliche Sicherheit, nahm trotzdem Stellung und betonte: «Heute diskutieren wir nicht eine Frage der Sicherheit, sondern eine Frage der Menschlichkeit.» Sie lobte das Engagement der Freiwilligen und betonte deren Wichtigkeit. Auch die Stadt bemühe sich, mit der Asylfirma ORS Service AG zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel entfernen unter der Leitung des Werkhofes einige Asylsuchende Neophyten oder Abfall von den Strassen. Mehr Arbeiten zu übergeben sei nicht möglich.
«In der Stadt Olten gibt es zu wenige niederschwellige Arbeitsangebote, die wir Asylsuchenden geben könnten.» Zudem sei es heikel: «Viele Werkhofmitarbeiter haben Angst um ihre Stelle.» Dafür hatten die Freiwilligen offenbar Verständnis. Es müssten aber nicht unbedingt neue Stellen geschafft werden. «Viele Asylsuchenden bringen grosse Talente mit», hiess es. Diese müsse man doch irgendwie und irgendwo einsetzen können.
Wenn viele Menschen, die teilweise noch Traumata verarbeiten, sich längere Zeit auf engem Raum aufhalten, ist Aggressivität vorprogrammiert. «Wenn Leute mit Messer aufeinander gehen, können wir sie nicht in der Unterkunft lassen», sagt Gheid-Zentrumsleiter Ralph Spirgi. Die Polizei würde solche Fälle nicht übernehmen. Diese Leute einfach auf die Strasse zu stellen und so sich selber zu überlassen, ist laut einem Freiwilligen auch verantwortungslos. «Klar kriminalisieren sie sich.»
In solchen Fällen kann man sich laut Birk an den Kanton wenden. Konkret geholfen wird einem aber nur während der Bürozeiten. Ansonsten bleibt nur die nächste Notschlafstelle in Biel. Mit einem begrenzten Budget ist diese mit dem Zug aber schwierig zu erreichen. «Derzeit fehlt noch ein Angebot, um kriminelle Asylsuchende zu betreuen. Wir haben dafür noch keine Lösung gefunden», so Birk.
Mehrmals wurde von den Freiwilligen und aus dem Publikum der Aspekt der Individualität der Asylsuchenden angesprochen. Die Leute, die in der Schweiz Asyl beantragt haben, haben einen sehr unterschiedlichen Bildungsstand und unterschiedlich grosse Motivation, es gibt Analphabeten bis studierte Ingenieure.
Die Deutschkurse, die im Durchgangszentrum angeboten werden, sind offenbar beliebt, für einige aber zu wenig intensiv. Dies bestätigte auch Ali Reza, Asylsuchender und diplomierter Ingenieur aus Afghanistan, der die erhaltene Hilfe sehr schätzt. «Würde die Integration bereits in den Durchgangszentren besser funktionieren, hätten die Leute nach dem Transfer sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in der Gesellschaft bessere Chancen», hiess es aus dem Publikum. Der Kanton ist verpflichtet, in Durchgangszentren Deutschkurse auf der Basisstufe anzubieten. Weiter nicht.
Das Bedürfnis nach mehr Sprachkursen hat der Kanton offenbar bereits wahrgenommen. Für nächstes Jahr seien weiterführende Sprachkurse vorgesehen. Betont wurde dabei aber auch, dass erfahrungsgemäss nicht alle Asylsuchenden effektiv eine Aufenthaltsbewilligung erhalten würden. Durchschnittlich werden 60 bis 70 Prozent der Anträge angenommen. Deshalb ist es laut Birk sinnvoller, vor allem nach dem Transfer in die Gemeinde in die Integration zu investieren.